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Mainz
Goldenes Mainz (umgangssprachlich)

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Mainz:
Landeshauptstadt von Rheinland-Pfalz.

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Mainz,
 
1) Hauptstadt des Landes Rheinland-Pfalz, kreisfreie Stadt und Verwaltungssitz des Landkreises Mainz-Bingen, 82 m über dem Meeresspiegel, auf dem linken Rheinufer gegenüber der Mainmündung, (1999) 183 100 Einwohner (1959: 128 200 Einwohner). Mainz liegt im Westen des Verdichtungsraumes Rhein-Main. Es ist Sitz von Landesregierung und Landtag, des Landesarbeits- und des Landessozialgerichts, der Landeszentralbank Rheinland-Pfalz und der Landesbank Rheinland-Pfalz Girozentrale, katholischer Bischofssitz, Sitz des Zweiten Deutschen Fernsehens, einer der Sitze des Südwestrundfunks und des Privatsenders Sat.1. Zu den Einrichtungen von Bildung, Wissenschaft und Kultur gehören: Johannes Gutenberg-Universität (wieder gegründet und eröffnet 1946), Fachhochschule Mainz, Katholische Fachhochschule für Sozialarbeit, Sozialpädagogik und Praktische Theologie Mainz, Fachhochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung (Fachbereich Eisenbahnwesen), Priesterseminar, kirchliche Bildungsstätten; Akademie der Wissenschaften und der Literatur, Max-Planck-Institut für Chemie (Otto-Hahn-Institut), Max-Planck-Institut für Polymerforschung; Gutenberg-Museum der Stadt Mainz, Römisch-Germanisches Zentralmuseum mit Forschungsbereich Antike Schifffahrt, Landesmuseum Mainz, Bischöfliches Dom- und Diözesanmuseum, Naturhistorisches Museum Mainz, Münzsammlung; Staatstheater, Kleinkunstbühne »unterhaus«. Die Industrie umfasst Glaserzeugung, Herstellung von Computern, Maschinenbau, chemische, feinmechanische, Zementindustrie, Wein- und Sektkellereien, Nahrungsmittelindustrie, Druckereien und Verlage. Rheinhäfen.
 
Stadtbild:
 
Als Zeugnisse der römischen Zeit wurden Nachbildungen der Jupitersäule (58 n. Chr. ?) und des Dativius-Victor-Bogens (3. Jahrhundert n. Chr.) aufgestellt, die Originale befinden sich zusammen mit zahlreichen Grabmälern aus den Nekropolen von Mogontiacum im Landesmuseum Mainz. Festgestellt wurden u. a. die Lage des (im 4. Jahrhundert n. Chr. aufgelassenen) Legionslagers (auf dem Kästrich), des römischen Theaters, der römischen Brücke (spätestens 27 n. Chr., 357 noch einmal wiederhergestellt) mit Brückenkopf (Castellum Mattiacorum), der Verlauf der Befestigung der Zivilsiedlung unter Einschluss des Nordostteils des Legionslagers nach Mitte des 4. Jahrhunderts. Am Rheinufer sind dort 1981 und 1982 entdeckte Römerschiffe des 4. Jahrhunderts n. Chr. ausgestellt, auch in der Altstadt wurden Schiffsreste gefunden (das Holz des ältesten wurde auf 81 n. Chr. datiert). Im Bereich der 1659-61 erbauten Zitadelle befindet sich der so genannte Eigelstein (Eichelstein), ein circa 20 m hoher Überrest des Ehrengrabmals für Drusus dem Älteren.
 
Nach den schweren Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg wurden zahlreiche Bauwerke zum Teil stilgetreu wiederhergestellt. Das barocke Stadtbild prägten die Baumeister Mainz von Welsch (Festungswerke, Zeughaus), Anselm Franz von Grünstein (* um 1694/95, ✝ 1765; Deutschhaus, Schloss, Adelshöfe) und J. V. Thoman (Sankt Peter, Domhäuser, Osteiner Hof). Charakteristisch für die Altstadt sind Leichhof, Kirschgarten und Augustinerstraße. Der Dom Sankt Martin und Stephan bildet mit denen von Worms und Speyer die Trias der rheinischen Kaiserdome: eine doppelchörige romanische Pfeilerbasilika mit zwei hohen Vierungstürmen und vier Chorflankentürmen. Vom 1009-36 errichteten ottonischen Bau sind die Ost-Türme und die Nord-Wand des West-Querschiffs erhalten; um 1100 Neubau von Ost-Chor und Langhaus unter Kaiser Heinrich IV., 1137 Vollendung der zweigeschossigen Gotthardkapelle, Westbau und Einwölbung 1190/95, bis 1319 Anbau der gotischen Seitenkapellen; wertvolle Ausstattung, besonders die Willigis-Bronzetüren (vor 1011) und die über 60 Grabplatten und -denkmäler (13.-18. Jahrhundert). Im 1410 vollendeten Domkreuzgang und den Kapitelräumen das Bischöfliche Dom- und Diözesanmuseum (v. a. Lettnerfragmente, die dem Naumburger Meister zugeschrieben werden; Domschatz).
 
Als »Alter Dom« gilt die Johanniskirche (ursprünglich um 900, Chor 1320/25). Gotisch sind Sankt Quintin (13.-15. Jahrhundert), eine quadratische Hallenkirche, Sankt Stephan (14. Jahrhundert, auf Vorgängerbau um 990), die älteste Hallenkirche am Mittelrhein (spätgotischer Kreuzgang, 1499 vollendet; im Chor Glasfenster von M. Chagall, 1977 ff.), und die Karmeliterkirche (um 1360 vollendet). Barocke Sakralbauten sind Sankt Peter (1752-56), eine Hallenkirche mit Doppelturmfassade, Sankt Ignaz (1763-74; im Kirchhof Kreuzigungsgruppe von H. Backofen, 1519) und die Augustinerkirche (1768-71).
 
Aus der Renaissance stammen der Marktbrunnen (1526), die Alte Universität (1615-18) und das Kurfürstliche Schloss (1628 begonnen, im 17./18. Jahrhundert fortgeführt; heute Römisch-Germanisches Zentralmuseum). Von den Adelspalästen ist jeweils nur der Außenbau erhalten: u. a. Schönborner (1668-70), Dalberger (1715-18), Erthaler (1734-43), Eltzer (1742/43), Osteiner (1747-52) und Bassenheimer Hof (1750-55). An der Rheinfront liegen (außer dem Schloss) Deutschhaus (ehemalige Deutschordenskommende, 1730-37; heute rheinland-pfälzischer Landtag) und Neues Zeughaus (1738-40; heute Staatskanzlei; dahinter Altes Zeughaus, genannt »Zum Sautanz«, Anfang 17. Jahrhundert; heute Südwestfunkgebäude), Eiserner Turm (Anfang 13. Jahrhundert), ehemaliges spätromanisches Heiliggeisthospital und Holzturm (Anfang 15. Jahrhundert), Rheingoldhalle (1968) und Rathaus (1971-74, von A. Jacobsen und O. Weitling). Im Barockpalais »Zum römischen Kaiser« (1653-64) befindet sich das Gutenberg-Museum (Erweiterungsbau von R. Schell 1960-62), im ehemaligen kurfürstlichen Marstall (Golden-Roß-Kaserne, 1766/67) das Landesmuseum Mainz. Die Christuskirche wurde 1897-1903 im Stil der Neurenaissance erbaut. Nach dem Zweiten Weltkrieg entstand u. a. die evangelische Lutherkirche (1950), eine der Notkirchen von O. Bartning; beim Bau der katholischen Pfarrkirche Heiliges Kreuz (1954) griff R. Jörg den Gedanken des Zentralbaus auf. Die Fabrikgebäude (1954) der Schott Glaswerke sind von E. Neufert. Zu den bemerkenswerten Neubauten gehört das Kleine Haus des Staatstheaters (1997 eröffnet) von Klaus Möbius sowie die im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus 1990-95 entstandenen Zeilenbauten im Stadtteil Lerchenberg von Otto Steidle.
 
In Gonsenheim das Alte Rathaus (1615) und die katholische Pfarrkirche Sankt Stephan (1870/71; Türme 1905/06). Im Stadtteil Marienborn barocke Wallfahrtskirche Sankt Stephan (1729-38) mit Hochaltar von 1748. Im Stadtteil Zahlbach ehemaliger Aquädukt (so genannte Römersteine, 70/80 n. Chr.) und der einzige Kirchenbau aus napoleonischer Zeit (1809/10).
 
Geschichte:
 
Am Hang des Linsenberges konnte ein altsteinzeitlicher Wohnplatz des Gravettien nachgewiesen werden; an Funden barg man u. a. zwei Frauenstatuetten aus Sandstein. In der Jungsteinzeit, Bronze- und Hallstattzeit waren die Höhen rings um die heutige Mainzer Altstadt und besonders die Gegend von Weisenau besiedelt, während die hochwassergefährdete Niederterrasse als Dauersiedlungsplatz gemieden wurde. Funde aus dem Rhein lassen das Vorhandensein von Furten vermuten. Zahlreich sind die Funde aus der La-Tène-Zeit.
 
Der römische Name Mogontiacum (Moguntiacum), 44 n. Chr. erstmals bezeugt, deutet auf eine Kultstätte des keltischen Gottes Mogon oder Mogontius hin, die sich auf eine nicht näher lokalisierbare Ortschaft (»Siedlung des Mogontius«) bezieht. Älteste Anlage der Römerzeit war ein Lager für zwei Legionen auf der Höhe (»Kästrich«) gegenüber der Mainmündung in Zusammenhang mit einer Militärzone am linken Rheinufer (bald nach 15 v. Chr.). In augusteischer Zeit war Mainz eine Grenzgarnison mit Hafenanlage. Von hier begann 9 v. Chr. Drusus der Ältere seinen Feldzug gegen Germanien. An das Militärlager lehnte sich eine Zivilsiedlung an, die unter Tiberius mit dem rechtsrheinischen Castellum Mattiacorum (heute Mainz-Kastel) durch eine feste Rheinbrücke verbunden wurde. Etwa 10-86 n. Chr. bestand im Gebiet des heutigen Stadtteils Weisenau ein weiteres Legionslager. Seit Ende des 1. Jahrhunderts n. Chr. war Mainz Hauptstadt der römischen Provinz Germania superior. Die 297 erstmals als Stadt (Civitas) bezeichnete Siedlung wurde zu dieser Zeit mit einer Mauer umgeben. 300 wurde Mainz Hauptstadt der neu gebildeten römischen Provinz Germania prima. Mitte des 5. Jahrhunderts ging die Siedlung in der Völkerwanderung unter. Der frühchristliche Bischofssitz wurde im 8. Jahrhundert unter Bonifatius und Lullus zum Erzbischofssitz (Mainz 2); es vollzog sich der Wiederaufstieg der Stadt. Im 13./14. Jahrhundert erlebte Mainz eine Blütezeit; das »goldene Mainz« sah mehrere Reichstage (u. a. Mainzer Reichslandfrieden) und war Haupt des 1254 gegründeten Rheinischen Städtebunds. Ansätze zur Erringung der Stadtfreiheit (erzbischöfliche Privilegien 1118 und v. a. 1244; deshalb 1244-1462 freie Stadt) scheiterten jedoch in der Mainzer Stiftsfehde mit der Eroberung der Stadt (1462) durch den Mainzer Erzbischof Adolf II. von Nassau; Mainz blieb fortan bis 1798 erzbischöfliche kurmainzische Residenzstadt und Landstadt. Um 1450 erfand J. Gutenberg in Mainz den Buchdruck mit beweglichen Lettern. 1477 wurde die erste Universität in Mainz eröffnet (1561-1773 starker jesuitischer Einfluss, 1784 Reformen, 1798 Auflösung; 1946 Neugründung). Unter Kurfürst Johann Philipp von Schönborn (1647-73) und besonders unter dessen Neffen Lothar Franz von Schönborn (1695-1729) setzte ein neuer kultureller Aufschwung ein. Als Festungsstadt, zwischen dem 15. und 18. Jahrhundert, später verstärkt unter französischer Herrschaft (1798-1814) zur Festung ausgebaut, stand Mainz immer wieder im Mittelpunkt militärischer Auseinandersetzungen. 1792/93 bestand die Mainzer Republik. 1801-14 war Mainz Hauptstadt des französischen Départements Donnersberg, 1816 wurde es Deutsche Bundesfestung (bis 1866) und kam zu Hessen-Darmstadt. Der Festungsrayon beschränkte die Ausdehnung der Stadt. Erst nach dem Ersten Weltkrieg konnte sich Mainz, 1918-30 von französischen Truppen besetzt, ungehindert ausdehnen. 1930 wurden Weisenau und Bretzenheim, 1938 Gonsenheim, 1969 Drais, Finthen, Hechtsheim, Laubenheim und Marienborn eingemeindet. 1950 wurde der Regierungssitz des Landes Rheinland-Pfalz von Koblenz nach Mainz verlegt. - Um 1836-38 (Einführung des »Elferrats«; Gardenumzug am Fastnachtssonntag) erhielt die »Mainzer Fassenacht« ihr heutiges Gepräge (zeitkritische Elemente).
 
Literatur:
 
F. Arens: Die Kunstdenkmäler der Stadt M. (1961);
 F. Arens: Der Dom zu M. (1982);
 H. Leitermann: 2000 Jahre M. (1962);
 
Gesch. der Stadt M., hg. v. A. P. Brück u. a., auf mehrere Bde. ber. (1972 ff.);
 H.-D. May u. H. J. Büchner: M. im Luftbild (1972);
 E. Stephan: Das Bürgerhaus in M. (1974);
 D. Demandt: Stadtherrschaft u. Stadtfreiheit im Spannungsfeld von Geistlichkeit u. Bürgerschaft in M. (1977);
 
Analyse eines Stadtfestes: »Die Mainzer Fastnacht«, hg. v. H. Schwedt (1977);
 
M. u. der Rhein-Main-Naheraum, hg. v. M. Domrös u. a. (1977);
 P.-G. Custodis: M. im Wandel. 1850 u. 1900 (1982);
 
Die Mainzer Römerschiffe, hg. v. G. Rupprecht (21982);
 
M. Porträt einer wiedererstandenen Stadt, hg. v. H. Beichert (21985);
 H. Baumann: Mainzer Daten-Kaleidoskop (1992);
 D. von Winterfeld: Die Kaiserdome Speyer, M. u. Worms u. ihr roman. Umland (1993).
 
 2) Bistum, seit dem 4. Jahrhundert bezeugt, entwickelte sich unter den Bischöfen Bonifatius (747-754) und Lullus (754-786) zum Erzbistum. Von ihren Nachfolgern waren Hrabanus Maurus (847-856), Hatto I. (891-913) und Willigis (975-1011) als Geistliche, Gelehrte und Politiker besonders einflussreich. Der Erzbischof war als »Primas Germaniae« Hofbischof des Kaisers und als Erzkanzler der führende Fürst des Reiches. Seit Ende des 12. Jahrhunderts gehörten die Erzbischöfe von Mainz zu den Kurfürsten.
 
Bereits unter Bonifatius war das Bistum Büraburg (Büraberg) und unter Lullus das Bistum Erfurt mit der Diözese Mainz vereinigt worden; als Kirchenprovinz umfasste Mainz dann zeitweise bis zu 15 Suffraganbistümer und reichte von Konstanz und Chur bis Brandenburg und Havelberg, von Mainz und Worms bis Prag und Olmütz (bis 1345). Seit dem 15. Jahrhundert wurde die Machtstellung des Erzstifts v. a. durch die Mainzer Stiftsfehde (1461-63) und durch die Reformation stark beeinträchtigt. Infolge der Französischen Revolution kamen die linksrheinischen Teile von Mainz 1798 an Frankreich. Das rechtsrheinische Gebiet wurde 1803 säkularisiert. Die französischen Teile wurden 1801 als zum Erzbistum Mecheln gehörendes Bistum errichtet; 1821 wurde dieses auf das Großherzogtum Hessen (Hessen-Darmstadt) ausgedehnt und Suffraganbistum von Freiburg im Breisgau. - Bischof von Mainz ist seit 1983 K. Lehmann. (katholische Kirche, Übersicht)
 

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Mainz: Stadt am Rhein; Landeshauptstadt von Rheinland-Pfalz.

Universal-Lexikon. 2012.