Akademik

Kosmologie
Astronomie; Weltraumforschung; Sternkunde

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Kos|mo|lo|gie 〈f. 19Lehre von Entstehung, Entwicklung u. Zustand des Kosmos [<grch. kosmos „Ordnung, Weltall“ + logos „Kunde, Lehre“]

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Kos|mo|lo|gie, die; -, -n [-logie] (Fachspr.):
Lehre von der Entstehung u. Entwicklung des Weltalls.

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Kosmologie
 
[zu griechisch kosmología »Lehre von der Welt«] die, -, die Lehre vom Weltall (Kosmos, Universum) als einem einheitlichen Ganzen, seiner Struktur und seiner Entwicklung.
 
 Geschichte
 
Die Kosmologie hat ihren Ursprung im magischen Denken der alten Kulturen; sie tritt zuerst in der Form mythischer Weltentstehungsentwürfe auf. Im babylonischen Schöpfungsgedicht »Enuma Elisch« werden die Ordnung des Universums, die Vielfalt der Systeme der Natur und ihre Gesetzlichkeit nach der Art eines dramatischen Kampfes aufgebaut. Aus einem chaotischen Urzustand wird in einem langen Kampf der Götter, zuletzt durch Marduk, der Kosmos organisiert. - Der Übergang zur Rationalisierung der Naturerkenntnis, der in der ionischen Naturphilosophie im 6. Jahrhundert v. Chr. vollzogen wurde, ermöglichte den Aufbau qualitativer, bereits räumlich strukturierter Modellvorstellungen der Welt.
 
Ein entscheidender Schritt in der klassischen Epoche der griechischen Wissenschaft war die Anwendung der Geometrie auf die Welt im Großen. Der Mathematiker und Astronom Eudoxos von Knidos (im 4. Jahrhundert v. Chr.) entwarf das Modell der homozentrischen Sphären, mit deren Hilfe er die Schleifenbewegungen der Planeten gegenüber der Sternsphäre erfassen konnte. Kallippos und Aristoteles verfeinerten dieses Modell und erreichten eine größere Realitätsnähe. Zu ihrer Zeit konnte man die Hypothesen über die Planetenbewegungen bereits empirisch überprüfen. Eine Reihe von Effekten, wie die Helligkeitsschwankungen der Planeten, waren mit dem kosmologischen System des Aristoteles unvereinbar. - Daher sah sich Claudius Ptolemäus (um 150 n. Chr.) gezwungen, unter Einbeziehung von Vorarbeiten des Hipparch und Apollonios von Perge seine mathematische Syntax (»Almagest«) der Planetenbewegungen aufzubauen. Sein Beschreibungsmodell, das Epizykel, Exzenter und Äquanten als Konstruktionselemente enthält, ließ sich allerdings nicht als realistische Beschreibung des Sonnensystems auffassen, sondern nur als mathematische Rechenhilfe zur Vorhersage von Planetenörtern.
 
Es war das Verdienst von N. Kopernikus, ein realistischeres Modell des Sonnensystems, das zu dieser Zeit mit der Welt als Ganzem identifiziert wurde, geschaffen zu haben. Nach dem späteren Einbau der keplerschen Gesetze lieferte es auch ein beobachtungstreues Abbild der Welt im Großen. Das kopernikanisch-keplersche Weltmodell bezog sich anfänglich auf einen endlichen Bereich: Die Sternsphäre bildete den festen Rand, jenseits dessen die natürliche Welt an den transzendenten Bereich grenzte. Diese Begrenzung wurde erst 1576 bei Thomas Digges (✝ 1595) durchbrochen.
 
Auf der Basis der newtonschen Physik begann im späten 17. Jahrhundert die Auseinandersetzung um zwei unterschiedliche Weltvorstellungen, bei denen das Universum entweder eine endliche Materieinsel im unendlichen euklidischen Raum darstellt oder die Materiedichte im großräumigen Mittel konstant ist und die Sterne (später die Galaxien) gleichförmig (homogen) über den unendlichen und grenzenlosen Raum verteilt sind. Eine Einigung auf eines der Modelle konnte weder im 18. noch im 19. Jahrhundert erzielt werden, obwohl durch die wachsende Reichweite der Teleskope der Auflösungsgrad und damit das Detailwissen über die Sterne, ihre Bewegung und - nach der Entdeckung der Spektralanalyse - auch über ihre chemische Zusammensetzung wuchsen.
 
Wichtige Einzelresultate erzielten T. Wright of Durham (1750), der ein annähernd richtiges Bild von der Anordnung der Sterne im Raum, damit des Phänomens der Milchstraße angegeben hat, I. Kant, der Newtons Physik auf die Entstehung des Sonnensystems übertrug, P. S. de Laplace, der die Stabilität der langzeitlichen Entwicklung des Planetensystems untersuchte, und F. W. Herschel, der mithilfe astronomischer Beobachtungen die »Konstruktion des Himmels« entschlüsseln wollte.
 
Trotz all dieser Ergebnisse war die Kosmologie auf der Basis der newtonschen Mechanik und Gravitationstheorie keine empirisch kontrollierbare und widerspruchsfreie Disziplin. Das zeigte sich durch das Auftreten von so genannten Paradoxien: Summiert man die Strahlungsleistung aller Sterne in einem homogenen unendlichen Universum, so sollte ein strahlend heller Nachthimmel vorhanden sein (olberssches Paradoxon); berechnet man die gesamte Gravitationswirkung aller Körper in einem derartigen Universum auf einen Punkt, so würde dies einen unendlich großen Wert liefern (seeligersches Paradoxon). Beides wird von der Erfahrung nicht bestätigt. Damit wurde deutlich, dass sich die klassischen Vorstellungen von Raum, Zeit und Materie nicht auf die Welt im Großen übertragen lassen.
 
A. Einsteins 1914-16 entwickelte allgemeine Relativitätstheorie ließ zum ersten Mal wirklich globale und widerspruchsfreie Modelle der Welt als Ganzes zu. Er ging anfänglich (1917) von einem statischen Weltmodell aus, in dem die Welt zeitlich unveränderlich von Ewigkeit zu Ewigkeit existiert. Der russische Mathematiker A. A. Friedmann zeigte 1922 jedoch, dass die einsteinschen Feldgleichungen Lösungen beinhalten, die einen dreidimensionalen isotropen Raum mit zeitlich veränderlichem Krümmungsradius beschreiben. Zu diesen relativistischen dynamischen Weltmodellen fügte sich die von Vesto Melvin Slipher (* 1875, ✝ 1969), E. P. Hubble und Carl Wilhelm Wirtz (* 1876, ✝ 1939) beobachtete systematische Rotverschiebung in den Spektren extragalaktischer Sternsysteme, die auf eine allgemeine Expansion des Weltalls hinweist. Da fast alle dynamischen Modelle nur ein endliches Alter aufweisen, war dieser Beobachtungsbefund ein erstes Anzeichen dafür, dass die Welt, wie sie heute beobachtet wird, nicht seit unendlicher Zeit bestehen kann. Das gegenwärtig als in seinen Grundzügen im Wesentlichen anerkannte Weltmodell (Standardmodell) geht von einem physikalisch singulären Zustand unendlich hoher Energiekonzentration aus. Es erfuhr 1965 durch die Radioastronomen A. A. Penzias und R. W. Wilson eine entscheidende Bestätigung, als diese die von G. Gamow vorausgesagte kosmische Hintergrundstrahlung als eine Reliktstrahlung aus der heißen Frühphase des Weltalls entdeckten.
 
 Kosmologie als Naturwissenschaft - das heutige Bild des Universums
 
Vom Weltganzen ist der astronomischen Beobachtung nur ein endlicher räumlicher Teilbereich zugänglich, von dem man nicht weiß, welchen Bruchteil er umfasst. Änderungen der Struktur des Weltganzen sind nur in diesem Teilbereich und für ein endliches Zeitintervall in die Vergangenheit zurück durch Beobachtungen erschließbar. Die Kosmologie geht im Allgemeinen davon aus, dass der beobachtbare Teil des Universums typisch für das gesamte Weltall ist, man daher für dieses gültige Aussagen aus Beobachtungen gewinnen kann. In einer weiteren Grundannahme wird vorausgesetzt, dass alle physikalischen Gesetze überall im Weltall und zu allen Zeiten gelten (Universalität der Naturgesetze).
 
Beobachtungsgrundlagen der Kosmologie:
 
Kosmologisch relevante Beobachtungen betreffen v. a. die Bewegungsverhältnisse der die Struktur des Weltalls bestimmenden Objekte (Galaxien, Galaxienhaufen), die mittlere Energiedichte der das Weltall erfüllenden Strahlung, die mittlere Materiedichte und die relative Häufigkeit bestimmter Elemente im Weltall. Die großräumigen Bewegungsverhältnisse werden durch den Hubble-Effekt beschrieben. Danach unterliegen die Sternsysteme einer allgemeinen Fluchtbewegung, deren Größe unabhängig von der Beobachtungsrichtung ist und linear mit der Entfernung zunimmt. Die Galaxien bewegen sich dabei nicht in einen vorgegebenen Raum hinein, vielmehr dehnt sich dieser mitsamt den Galaxien als Ganzes aus. Die beobachtete mittlere Materiedichte ρ ergibt sich aus den Massen der beobachteten Sternsysteme. Ihr Wert in der Größenordnung von 10-31 bis 10-30 g/cm3 ist sehr unsicher, u. a. deshalb, weil in großen Entfernungen nur die hellsten Sternsysteme beobachtbar sind; eine nach neueren Vorstellungen erhebliche Materiemenge existiert außerdem in Form von gravitativer, aber prinzipiell nicht leuchtend in Erscheinung tretender so genannter Dunkler Materie.
 
Von der das Weltall erfüllenden Strahlung ist kosmologisch nur die kosmische Hintergrundstrahlung von Bedeutung. Ihre der Energiedichte äquivalente Massendichte ist im gegenwärtigen Weltall gegenüber der mittleren Dichte der beobachteten stofflichen Materie vernachlässigbar klein, sodass das heutige Weltall den Charakter eines Materiekosmos hat.
 
Raumstruktur:
 
Von den zwischen den kosmischen Objekten bestehenden Wechselbeziehungen sind für die großräumige (geometrische) Struktur des Weltalls nur die gravitativen wesentlich. Die geometrische Struktur des Weltraums wird durch die allgemeine Relativitätstheorie beschrieben. Danach besteht zwischen der Masse- und Energieverteilung im Raum und dessen geometrischer Struktur (Metrik) ein untrennbarer Zusammenhang. Der dreidimensionale Raum kann dabei prinzipiell sowohl positiv gekrümmt (sphärisch) als auch negativ gekrümmt (hyperbolisch) oder flach (euklidisch) sein. Ein sphärischer Raum ist abgeschlossen und endlich; euklidische und hyperbolische Räume sind nicht geschlossen, sondern offen, ihre Volumina sind entsprechend unendlich groß.
 
Weltmodelle:
 
Die zwischen der beobachtbaren und der nicht beobachtbaren kosmischen Materie herrschenden Gravitationskräfte bewirken eine Abnahme der Expansionsgeschwindigkeit. Gleichzeitig wachsen die gegenseitigen Abstände, was zur Verringerung der Expansionsverzögerung führt. Die zeitliche Änderung der Expansionsgeschwindigkeit kann aus der zu einem bestimmten Zeitpunkt ermittelten Expansionsgeschwindigkeit (Hubble-Parameter) sowie der Massen- und Energiedichte aus den einsteinschen Feldgleichungen berechnet werden. Diese Größen können prinzipiell beliebige Werte annehmen, woraus sich unterschiedliche Expansionsverläufe und damit unterschiedliche dynamische Weltmodelle (Friedmann-Modelle) ergeben. Man geht dabei von der Annahme aus, dass das Weltall im Großen homogen und isotrop ist (kosmologisches Prinzip). Das innerhalb der großen Menge der möglichen Friedmann-Modelle tatsächlich realisierte Weltmodell kann allein empirisch ermittelt werden: Bei sehr geringer Massendichte hat die Expansionsgeschwindigkeit selbst nach unendlich langer Zeit noch einen endlichen Wert; das Weltall wäre dann hyperbolisch. Bei sehr hoher Massendichte kommt die Expansion nach endlicher Zeit zum Stillstand und schlägt in eine Kontraktion um; das Weltall wäre sphärisch. Den Grenzfall bildet ein Weltall mit einer so genannten kritischen Dichte, bei der sich die Expansionsgeschwindigkeit immer mehr dem Wert null nähert, ihn aber erst nach unendlich langer Zeit erreicht; der Raum ist hierbei euklidisch.
 
Man geht heute davon aus, dass das Weltall eine euklidische (flache) Raumstruktur besitzt. Die Dichte der gravitativ wirksamen Materie trägt zur kritischen Dichte größenordnungsmäßig nur etwa 30 % bei, wobei rund 25 % auf die nicht beobachtbare Dunkle Materie entfallen und nur etwa 5 % auf die in Galaxien vereinigte sichtbare Materie. Der fehlende Rest von 70 % existiert nach diesen Modellvorstellungen in Form von Vakuumenergie, die physikalisch der von Einstein in seine Feldgleichungen eingeführten Größe, der so genannten kosmologischen Konstante Λ, entspricht. Die Vakuumenergie bewirkt keine Verzögerung der Expansion, sie kann im Gegenteil eine Beschleunigung verursachen. Eine derartige Beschleunigung glaubt man aufgrund der beobachteten scheinbaren Helligkeiten von Supernovae vom Typ Ia in sehr weit entfernten Galaxien nachweisen zu können.
 
Standardmodell der Kosmologie:
 
In einem expandierenden Weltall wachsen alle Entfernungen mit der Zeit. Damit sinkt sowohl die mittlere Materiedichte (Stoffdichte) als auch die Anzahldichte der Photonen. Infolge der Rotverschiebung verringert sich aber zusätzlich noch die Energie jedes einzelnen Photons, sodass die Strahlungsenergiedichte (und Temperatur) stärker als die Stoffdichte sinkt. Verfolgt man die Zeit rückwärts, wachsen Stoff- und Strahlungsdichte stetig an, Letztere aber schneller. In der Vergangenheit gab es daher einen Zeitpunkt, vor dem die der Strahlungsenergiedichte äquivalente Materiedichte die Stoffdichte übertraf: Der frühe Kosmos war ein Strahlungskosmos. Bei einer weiteren Extrapolation in die Vergangenheit erreicht man schließlich einen Zustand des Kosmos, bei dem alle Entfernungen beliebig klein waren, die Energiedichte (Temperatur) beliebig groß und die Prozesse beliebig schnell. Dieser singuläre Grenzfall (kosmologische oder kosmische Singularität) ist physikalisch nicht beschreibbar, da sich alle physikalischen Gesetze nur auf endliche Messgrößen beziehen.
 
Von der kosmologischen Singularität ausgehend, expandierte das Weltall mit anfänglich unendlich hoher Geschwindigkeit. Anschaulich bezeichnet man diese früheste Phase in der Entwicklung des Weltalls als Urknall. Die physikalischen Zustände, insbesondere das Verhalten von Raum und Zeit, die bis etwa 10-43 s (Planck-Zeit) nach der Singularität herrschten, lassen sich mit den bisherigen Erkenntnissen der theoretischen Physik nicht beschreiben. Weder allgemeine Relativitätstheorie noch Quantenmechanik sind für sich jenseits dieser Barriere anwendbar; es spielten vermutlich Quanteneigenschaften der Gravitation eine entscheidende Rolle. Ansätze dazu werden im Rahmen der Theorie der Supergravitation und der kosmischen Strings untersucht. Bis etwa 10-34 s nach der Singularität, bis zum Erreichen einer Temperatur von etwa 1028 K, waren den Großen Vereinheitlichten Theorien zufolge starke, schwache und elektromagnetische Wechselwirkung ununterscheidbar. Danach ging diese Symmetrie verloren, wobei die die einheitliche Kraft vermittelnden (hypothetischen) Teilchen (X-Bosonen) in masseärmere Elementarteilchen zerfielen, unter denen die Materieteilchen gegenüber ihren Antiteilchen durch Verletzung der CP-Invarianz gering bevorzugt waren. Der Symmetriebruch glich einem Phasenübergang, bei dem eine riesige Energiemenge frei wird, was eine exponentiell anwachsende Expansion des Weltalls (inflatorische, inflationäre Ära) bewirkte. Diese Weltallepoche dauerte nur etwa 10-32 s, in ihr vergrößerten sich aber alle Abstände um etwa den Faktor 1050; der Raum ist seitdem flach (euklidisch). Rund 10-10 s nach der Singularität, bei Temperaturen geringer als etwa 1025 K, ging auch die bis dahin noch existierende Symmetrie von schwacher und elektromagnetischer Kraft verloren; dieser Phasenübergang vollzog sich aber fließend. Seit diesem Zeitpunkt gehorchen alle vier Basiskräfte (gravitative, starke, schwache und elektromagnetische Kraft) den bekannten eigenen Gesetzen.
 
Bis zur Temperatur von etwa 1012 K (etwa 10-6 s nach der Singularität) reichte die Energiedichte zur Bildung von (zu den Hadronen gehörenden) Protonen und Neutronen und ihren Antiteilchen aus Quarks, Antiquarks und Gluonen. Danach konnten Hadronen nicht mehr gebildet, durch Paarvernichtung unter Strahlungsemission aber zerstört werden; die Hadronenära war zu Ende. Auf den geringen Überschuss der Materieteilchen relativ zu den Antiteilchen - im Verhältnis von etwa (109 + 1) : 109 - geht alle im Weltall vorhandene Materie zurück und auf die bei der Paarvernichtung entstandenen Photonen die kosmische Hintergrundstrahlung.
 
Mit dem Sinken der Temperatur unter 6 · 109 K (etwa 10 s nach der Singularität) war die Paarbildung der zu den Leptonen gehörenden Elektronen und Myonen nicht mehr möglich und die Leptonenära abgeschlossen. Danach, bis rund 1 000 s nach der kosmischen Singularität (Kernreaktionsära), waren Kernreaktionen möglich. Am Ende der Ära bestand die beobachtbare Materie zu etwa 76 % der Masse aus Wasserstoff, zu rund 24 % aus Helium sowie einer sehr geringen Menge Lithium. (Nukleogenese)
 
Nach dem Unterschreiten von etwa 3 000 K (rund 300 000 Jahre nach der kosmischen Singularität) reichte die mittlere Energie der Photonen nicht mehr zur sofortigen Ionisation der durch Rekombination gebildeten neutralen Atome aus. Damit trat auch eine Entkopplung von Strahlung und Materie ein, das Weltall wurde durchsichtig. Die jetzt beobachteten Photonen der kosmischen Hintergrundstrahlung hatten zu dieser Zeit ihre letzte Wechselwirkung mit Materie. Nach der Entkopplung von Strahlung und Materie, mit dem Ende der »Feuerballphase« des Weltalls, begann die heute noch andauernde Galaxienära, in der die gravitative Bildung von Massekonzentrationen und damit die Bildung von Strukturen, wie Sterne und Sternsysteme, möglich ist.
 
Die seit der kosmischen Singularität vergangene Zeit bezeichnet man als Weltalter. Im hypothetischen Fall einer konstanten Expansionsgeschwindigkeit ergibt es sich als Kehrwert des Hubble-Parameters in der Größenordnung von (10 bis 20) · 109 Jahren (Hubble-Zeit). Das tatsächliche Weltalter ist wegen der früher höheren Expansionsgeschwindigkeit geringer. Die unterschiedlichen Weltmodelle führen zu unterschiedlichen Werten (Friedmann-Zeiten), die zum Teil kürzer als das Alter der Kugelsternhaufen - rund (13 bis 15) · 109 Jahre -, der ältesten Objekte im Milchstraßensystem, sind. Die seit der kosmischen Singularität tatsächlich vergangene Zeit ist gegenwärtig noch nicht exakt angebbar.
 
Eine Konsequenz der inflatorischen Entwicklungsepoche des Weltalls ist, dass sich der beobachtbare Weltteil auf einen winzigen Ausschnitt eines unvergleichlich größeren Universums beschränkt, über dessen Struktur nur Wahrscheinlichkeitsaussagen möglich sind. Die Kosmologie verliert damit im Prinzip die Möglichkeit, empirisch überprüfbare Aussagen über das Weltallganze machen zu können.
 
Weitere Weltmodelle:
 
Neben dem Standardmodell der Kosmologie werden auch von ihm abweichende Weltmodelle diskutiert, im Wesentlichen, um das Auftreten einer kosmologischen Singularität zu umgehen. Diese Modelle beruhen im Allgemeinen auf speziellen Annahmen und gehen von einem unendlich lang existierenden Weltall aus, wie z. B. die Big-Bounce-Theorie (W. Priester, H.-J. Blome, J. Hoell, 1989). Danach kontrahierte das ursprünglich homogene, isotrope und materiefreie Universum bis auf ein endliches Minimalvolumen, um hierauf (mit Materie erfüllt) nach dem »großen Aufprall« zunächst sehr schnell, dann relativ langsam zu expandieren. Historisch bedeutsam ist die Steady-State-Theorie (H. Bondi, T. Gold, F. Hoyle, 1948/49), die ebenfalls das Problem der kosmologischen Singularität umging, doch dafür eine kontinuierliche Materieerzeugung postulierte, um eine konstante Materiedichte in einem expandierenden Weltall aufrechterhalten zu können.
 
Aktuelle Probleme und offene Fragen der Kosmologie:
 
Der mit der kosmologischen Singularität gegebene »absolute Nullpunkt« der Zeit hat Anlass zu theologischen Analogien gegeben, wobei es aber immer riskant ist, Geltungsgrenzen einer naturwissenschaftlichen Theorie im Sinn einer bestimmten Metaphysik auszulegen. In der Anfangssingularität, die kein Punkt der Raum-Zeit-Mannigfaltigkeit ist, gilt das Grundaxiom der Relativitätstheorie, das Äquivalenzprinzip, nicht mehr, weshalb Aussagen, wonach hier die Zustandsgrößen der Materie unendlich würden, physikalisch irrelevant sind. Ansätze einer Theorie der Quantengravitation von James B. Hartle und S. W. Hawking (1983) lassen die Möglichkeit zu, dass das Universum kausal geschlossen, nicht mehr erweiterungsfähig und eindeutig bestimmt ist.
 
Gegenwärtig offene Probleme der beobachtenden Kosmologie betreffen v. a. die empirisch zu bestimmenden Werte der für das tatsächlich realisierte Weltmodell entscheidenden Größen (insbesondere Hubble-Parameter und die zeitliche Entwicklung der Expansionsgeschwindigkeit), ferner die Aufklärung der Natur der Dunklen Materie und die Erklärung der gegenwärtig existierenden extremen lokalen Anisotropie der Materieverteilung (Sterne, Sternsysteme, Haufen von Sternsystemen) im Gegensatz zur globalen Isotropie der kosmischen Hintergrundstrahlung.
 
Zur Lösung des Problems der Dunklen Materie, die rund 25 % der Gesamtmateriedichte des Kosmos ausmacht, werden verschiedene hypothetische Elementarteilchenmodelle diskutiert: im Rahmen der Supersymmetrie postulierte supersymmetrische Partner des Photons, der Higgs-Teilchen oder der Neutrinos, ferner im erweiterten Standardmodell die so genannten Axionen, die zur Lösung von grundsätzlichen Problemen der Zeitumkehr-Invarianz der starken Wechselwirkung angenommen werden; es kommen aber auch massebehaftete Neutrinos (mit Massen bis etwa 30 eV) in Betracht; andererseits könnte die Dunkle Materie in Schwarzen Löchern (z. B. im Zentrum der Galaxien) konzentriert sein.
 
Eine besondere Herausforderung ist die Erklärung der (großräumigen) Strukturbildung des Kosmos durch Dichtefluktuationen aus einem homogenen und isotropen Zustand. Durch Beobachtung bestätigt ist das Auftreten riesiger an beobachtbarer Materie (wie Galaxien) freier Gebiete (»voids«) und die mehr oder minder linienförmige Anordnungen der Galaxienhaufen. Es wird spekuliert, dass dies auf die Ausbildung von durch »Domänenwände« getrennten Bereichen mit unterschiedlichen Vakuumkondensaten etwa des Higgs-Feldes bei schneller Expansion und Abkühlung des Kosmos zurückzuführen ist; dabei könnten sich auch winzige röhren- und punktartige Bereiche (kosmische Strings, Monopole) ausgebildet haben, die Magnetfelder einschließen.
 
 Philosophische Probleme
 
Die Kosmologie war von Anfang an mit philosophischen und theologischen Problemkomplexen verbunden. Die Auseinandersetzung zwischen naturwissenschaftlicher Kosmologie und Theologie wirkte sich in der griechischen Zeit weniger stark aus, da die naturwissenschaftliche Erfassung der Welt im Ganzen keiner institutionalisierten Dogmatik gegenüberstand. Die Konfrontation trat im abendländischen Bereich bereits zur Zeit der Kirchenväter auf, die die heidnische Naturwissenschaft mit den kanonischen Schriften des Christentums in Einklang zu bringen suchten. Thomas von Aquino musste die aristotelische Kosmologie, die ein räumlich begrenztes, aber zeitlich in beiden Richtungen offenes Universum vorsah, abändern, um Einklang mit dem Schöpfungsbericht und den eschatologischen Vorstellungen herzustellen. G. Galileis Prozess spiegelt den Gegensatz zwischen der geozentrischen Kosmologie des christlichen Weltbildes und der sich entfaltenden modernen Naturwissenschaft wider. Einige weltanschaulich engagierte Naturwissenschaftler versuchten in späterer Zeit immer wieder, die unerklärten Züge des gerade bevorzugten Weltmodells zur Begründung übernatürlicher Eingriffe in die kosmische Entwicklung auszunutzen. Newton war überzeugt, dass ein gravitationsdominiertes Weltall von selbst niemals zu der Hierarchie von Strukturen führen könne, die wir heute von den Galaxiengruppen bis hinunter zum Sonnensystem beobachten. In der Folge wurde erstmals durch Kant 1755 ein kosmogonischer Ansatz vorgelegt, bei dem die gesamte Weltverfassung als spontane Selbstorganisation durch physikalische Kräfte (Attraktion und Repulsion sowie turbulente Wirbelbewegung) verstanden werden kann.
 
Newton hielt die Langzeitstabilität des Planetensystems für zweifelhaft und glaubte auch, dass in Abständen von einigen tausend Jahren eine Stabilisierung durch übernatürliche Eingriffe notwendig wäre. P. S. de Laplace ging hier einen Schritt weiter: Indem er die Periodizität der großen Anomalie von Jupiter und Saturn nachwies, zeigte er, dass zumindest dieser Effekt sich nicht zur Katastrophe aufschaukelt, sondern wieder gedämpft wird. Zu den überraschenden Zügen moderner relativistischer Kosmologie gehört die Feststellung, dass das Weltall selbst einer dynamischen Entwicklung nicht nur fähig ist, sondern dass es diese notwendig zeigen muss.
 
Einstein war nach 1917 von der traditionellen Voraussetzung eines statischen, endlichen Universums ausgegangen. A. S. Eddington konnte 1930 zeigen, dass diese Statik der Einstein-Welt instabil ist: Geringe Schwankungen an einer Stelle lösen sofort eine sich selbst verstärkende Expansions- oder Kontraktionsbewegung aus. Die Friedmann-Modelle, die die Dynamik explizit formulierten und deren Bedeutung durch die früher erwähnten Beobachtungsdaten hervorgehoben wurde, zeigten, dass das Universum keine unbewegliche Arena für das lokale Geschehen darstellt, sondern selbst an der Entwicklung teilhat.
 
In allen heute betrachteten Typen von homogenen und isotropen kosmologischen Modellen nimmt der Ort des Menschen keinen ausgezeichneten Platz im Universum ein (kopernikanisches Prinzip). Es könnte aber sein, dass die kosmische Epoche, in der der Mensch lebt, irgendeine spezielle Bedeutung besitzt. Wir wissen heute noch nicht, welche von den drei möglichen Expansionsformen, die die Klasse der Friedmann-Modelle zulässt, in Wirklichkeit zutrifft. Dies hängt davon ab, ob die schwer zu beobachtende mittlere Dichte ρ des Universums über oder unter der kritischen Dichte ρc liegt. Ein Universum mit ρ > ρc, das nur eine endliche Ausdehnung besitzt, wird nach endlicher Zeit wieder zu einer Endsingularität kollabieren, wobei alle vorhandenen Strukturen vernichtet werden. Leben kann sich in einer solchen Welt nur in einem begrenzten Intervall zwischen vielleicht 1010 und 1012 Jahren bilden und entwickeln. In frühen Zeiten ist die kosmische Materie noch zu arm an schweren Elementen, die für die Lebensentstehung benötigt werden; in späten Zeiten sind die Energie liefernden Sterne ausgebrannt. Dies gilt ebenfalls für die Modelle der offenen, ewig expandierenden Universa. Auch in ihnen ist die Existenz makroskopischer Lebensformen an ein kleines endliches Intervall von möglicherweise 1010 Jahren gebunden. Interessanterweise scheint das Vorhandensein von Leben, Bewusstsein und Erkenntnis nicht nur an eine kosmische Epoche, sondern auch an eine feste Expansionsform gebunden zu sein. Abschätzungen haben ergeben, dass Leben nur in einer Welt spontan entstehen kann, die nahe der kritischen Grenze zwischen dem offenen und geschlossenen Universum liegt. Eine solche »flache Welt« (ρ = ρc), die mit einer Rate expandiert, die gerade den Rekollaps verhindert, bietet günstige Voraussetzungen für die Herausbildung höherer Intelligenz wie der menschlichen. Dies ist deshalb der Fall, weil eine starke Expansion die Kondensation von Galaxien und Sternen verhindert und eine sehr schwache Expansion die Welt rekollabieren lässt, ehe die erste Sterngeneration sich gebildet hat.
 
Argumente, die die Selektionswirkungen von intelligenten Lebewesen auf die Werte kosmischer Parameter voraussetzen, nennt man anthropisch. Das anthropische Prinzip besagt, dass wir erwarten müssen, dass unsere Beobachtungen über die Welt durch jene Bedingungen eingeschränkt sind, die die natürlichen Voraussetzungen für unsere Existenz darstellen. Das anthropische Prinzip kann zwar keine kausalen Erklärungen ersetzen, aber es lässt wichtige Zusammenhänge zwischen der menschlichen Existenz und den großräumigen Eigenschaften des Universums erkennen.
 
Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie v. a. auch in den folgenden Artikeln:
 
Kosmogonie · Kosmos · Schöpfung · Weltall
 
Literatur:
 
P. C. W. Davies: The accidental universe (Cambridge 1982, Nachdr. ebd. 1986);
 B. Kanitscheider: Das Weltbild Albert Einsteins (1988);
 B. Kanitscheider: K. Gesch. u. Systematik in philosoph. Perspektive (21991);
 H. Elsässer: Weltall im Wandel. Die neue Astronomie (Neuausg. 1989);
 M. Berry: K. u. Gravitation. Eine Einf. (a. d. Engl., 1990);
 E. R. Harrison: K. Die Wiss. vom Universum (a. d. Engl., 31990);
 G. Börner: The early universe. Facts and fiction (Berlin 31993);
 A. Linde: Elementarteilchen u. inflationärer Kosmos. Zur gegenwärtigen Theorienbildung (a. d. Russ., 1993);
 E. W. Kolb u. M. S. Turner: The early universe (Neudr. Redwood City, Calif., 1994);
 H. Goenner: Einf. in die K. (1994);
 S. Weinberg: Die ersten drei Minuten. Der Ursprung des Universums (a. d. Amerikan., Neuausg. 111994);
 R. U. Sexl u. H. K. Urbantke: Gravitation u. K. Eine Einf. in die allg. Relativitätstheorie (41995);
 J. D. Barrow u. F. J. Tipler: The anthropic cosmological principle (Neuausg. Oxford 1996);
 S. W. Hawking: Eine kurze Gesch. der Zeit. Die Suche nach der Urkraft des Universums (a. d. Engl., Neuausg. 391.-420. Tsd., 1996);
 A. Guth: Die Geburt des Kosmos aus dem Nichts. Die Theorien des inflationären Universums. (a. d. Engl., 1997).
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
Kosmologie und Weltmodelle
 
kosmischer Materiekreislauf und Evolution der Materie
 

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Kos|mo|lo|gie, die; -, -n [↑-logie] (Fachspr.): Lehre von der Entstehung u. Entwicklung des Weltalls.

Universal-Lexikon. 2012.