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Zwangsarbeit
Frondienst; Fron; Sklavenarbeit; Fronarbeit

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Zwạngs|ar|beit 〈f. 20; Pl. selten〉 unter Zwang zu leistende Arbeit (als schwere Freiheitsstrafe) ● er wurde zu zehn Jahren \Zwangsarbeit verurteilt; Millionen von Häftlingen wurden im Nationalsozialismus zur \Zwangsarbeit gezwungen

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Zwạngs|ar|beit, die:
1. mit schwerer körperlicher Arbeit verbundene Freiheitsstrafe:
zu 25 Jahren Z. verurteilt werden.
2. Arbeit, zu der jmd. (widerrechtlich) zwangsverpflichtet, gezwungen wird:
jmdn. zu Z. heranziehen, einsetzen.

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Zwangs|arbeit,
 
ein Unterfall des Arbeitszwanges, bei dem die gesamte Arbeitskraft des Betroffenen über eine erhebliche Zeit zur Verfügung gestellt werden muss. Unter Zwangsarbeit im engeren Sinn wird auch eine schwere Freiheitsstrafe oder die Verpflichtung zur Arbeit während des Vollzuges der Freiheitsstrafe verstanden. Die Zwangsarbeit als selbstständige strafrechtliche Sanktion gibt es nur noch in einigen Ländern.
 
In Deutschland. setzt Art. 12 Absatz 2 und 3 GG der Zwangsarbeit grundrechtliche Grenzen; danach sind Arbeitszwang (Art. 12 Absatz 2 GG), bei dem es um die zwangsweise Heranziehung zu einer bestimmten Arbeit oder einzelnen Dienstleistungspflichten geht, und Zwangsarbeit zu unterscheiden, bei der es um den Zwang zur Arbeit überhaupt geht, ohne dass dieser inhaltlich oder zeitlich begrenzt ist. Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig (Art. 12 Absatz 3 GG) und muss sich dabei im Rahmen der Menschenwürde und der Verhältnismäßigkeit halten. Die in § 41 Strafvollzugsgesetz (StVollzG) vorgesehene Arbeitspflicht hat keinen Sanktionscharakter, sondern soll der Vorbereitung des Gefangenen auf eine Erwerbstätigkeit in Freiheit dienen. Sie ist ihrerseits mit Disziplinarmaßnahmen durchsetzbar und wird mit 5 % eines durchschnittlichen Lohnes abgegolten (§§ 43, 200 StVollzG). Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 1. 7. 1998 entsprechen diese niedrigen Lohnzahlungen an Gefangene nicht dem verfassungsrechtlichen Resozialisierungsgebot, nach dem die Zwangsarbeit der Gefangenen eine angemessene Anerkennung erfordert. Das Bundesverfassungsgericht gab dem Gesetzgeber auf, bis spätestens zum 31. 12. 2000 eine Neuregelung zu schaffen; dabei besitze der Gesetzgeber einen weitgehenden Gestaltungsspielraum, neben einer Lohnerhöhung kämen auch andere Maßnahmen, z. B. sozialversicherungsrechtliche Anwartschaften, Hilfe zur Schuldentilgung, in Betracht. - Sowohl von Zwangsarbeit als auch von Arbeitszwang sind die im Rahmen der Notstandsverfassung zulässigen Dienstverpflichtungen (Art. 12 a GG) zu unterscheiden.
 
Entsprechende Bestimmungen zur Arbeitspflicht kennen auch Österreich (§ 44 Strafvollzugsgesetz) und die Schweiz (Art. 37 StGB).
 
In diktatorisch regierten Staaten wurde besonders im 20. Jahrhundert die Zwangsarbeit als politisches Machtmittel missbraucht. In Anknüpfung an die Deportationspraxis des zaristischen Russland errichtete das kommunistische Herrschaftssystem in der UdSSR nach 1917 ein weit verzweigtes Netz von Straflagern (seit den 1930er-Jahren im Rahmen des GULAG), in denen Millionen von Häftlingen unter meist extremen Umständen und hohen Opferzahlen Zwangsarbeit verrichten mussten, v. a. die aus politischen Gründen Inhaftierten. Zwangsarbeit fand aber auch im sonstigen Strafvollzug Anwendung. In den 1940er-Jahren und der 1. Hälfte der 1950er-Jahre wurden in der UdSSR auch Kriegsgefangene und zum Teil deportierte ausländische Zivilpersonen (u. a. Deutsche aus Ost- und Südosteuropa sowie Inhaftierte aus Internierungslagern) zu Zwangsarbeit eingesetzt. - Mit der Verschärfung des Arbeitskräftemangels im nationalsozialistischen Deutschland. besonders ab Beginn des Zweiten Weltkriegs (1939) wurden, um deutsche Arbeitskräfte für den Militärdienst freizumachen, zur Sicherung der landwirtschaftlichen und industriellen Produktion sowie zur Durchführung militärisch bedingter Bauvorhaben (z. B. Atlantikwall) Millionen von Menschen aus den von Deutschland besetzten Gebieten zur Zwangsarbeit nach Deutschland deportiert beziehungsweise in diesen Gebieten direkt zur Zwangsarbeit herangezogen. Die Arbeits- und Lebensbedingungen dieser Menschen, die im nationalsozialistischen Sprachgebrauch »Fremdarbeiter« genannt wurden, waren aufgrund der Anwendung rassenideologischer Gesichtspunkte je nach Herkunftsland unterschiedlich, sie lagen aber insgesamt weit unter dem für deutsche Arbeitskräfte üblichen Standard (Unterbringung meist in Wohnlagern, auch Haft in Arbeitserziehungslagern). Auch eine Vielzahl von Konzentrationslagern diente als Arbeitslager; in ihnen wurden — besonders ab 1942 — Kriegsgefangene und Häftlinge unter hohen Verlusten (»Vernichtung durch Arbeit«) zur Zwangsarbeit für die Kriegswirtschaft (Rüstungsindustrie) und die Belange der SS herangezogen. Mitte 1944 arbeiteten auf dem Gebiet des »Großdeutschen Reichs« 7,6 Mio. ausländische Arbeitskräfte (Kriegsgefangene und Fremdarbeiter); die größte Gruppe stellten Arbeitskräfte aus Polen (1,7 Mio.) und der Sowjetunion (2,8 Mio.; zusammen auch »Ostarbeiter« genannt). Insgesamt waren ein Drittel der Arbeitskräfte (jüdische und nicht jüdische) Zwangsarbeiter, in Rüstungsbetrieben sogar die Hälfte. Nahezu alle bekannten deutschen Großunternehmen setzten Zwangsarbeiter ein, so die I. G. Farbenindustrie AG. Nicht immer konnten diese Menschen nach 1945 sofort in ihre Heimat zurückkehren (Displaced Persons).
 
Die von den Nationalsozialisten eingesetzten Zwangsarbeiter haben im Regelfall Entschädigungen nach dem Bundesentschädigungs-Gesetz (BEG) in der Fassung vom 29. 6. 1956 für die mit der Zwangsarbeit verbundene Freiheitsentziehung erhalten. Dadurch sollten nach bisheriger Rechtsprechung auch weitergehende Vergütungsansprüche (an Unternehmen) für die geleistete Zwangsarbeit mit abgegolten sein, da das BEG nach dem Willen des Gesetzgebers eine abschließende Regelung darstelle. Die Entschädigungsleistungen nach dem BEG sowie aufgrund verschiedener völkerrechtlicher Verträge betreffen jedoch staatliches Unrecht, während zivilrechtlichen Ansprüche gegen den Arbeitgeber damit nicht erfasst sind. Bereits seit Ende der 1980er-Jahre leisteten einzelne deutsche Unternehmen freiwillige Entschädigungszahlungen, so Daimler-Benz AG, Siemens AG, Krupp, AEG Aktiengesellschaft und Rheinmetall AG. Wegen der anhaltenden Entschädigungsforderungen von ehemaligen Zwangsarbeitern u. a. Opfern des Nationalsozialismus aus Ost- und Südosteuropa an deutschen Unternehmen wurde nach Verhandlungen der Bundesregierung (Beauftragter: O. Graf Lambsdorff) mit den USA (Sammelklagen anhängig) und Regierungsvertretern aus Israel und Osteuropa sowie Repräsentanten von Verbänden der etwa 1,5 Mio. noch lebenden Opfer in Israel, Russland, Polen, der Ukraine, Tschechien und Weißrussland sowie der deutschen Wirtschaft eine Einigung über die Entschädigung erzielt (17. 12. 1999) und ein diesbezügliches Abkommen unterzeichnet (17. 7. 2000). Neben dem Versuch einer gewissen nachträglichen (materiellen) Wiedergutmachung für ehemalige Zwangsarbeiter bezweckt diese Einigung auch die Freistellung deutscher Unternehmen von individuellen Schadensersatzklagen vor Gerichten der USA und Deutschlands. Für Entschädigungsleistungen werden in die im Jahr 2000 errichtete Stiftung »Erinnerung, Verantwortung, Zukunft« von der deutschen Wirtschaft und dem deutschen Staat zehn Mrd. DM eingebracht. Auch die beiden großen christlichen Kirchen in Deutschland haben, allerdings in geringem Ausmaß, 1939-45 Zwangsarbeiter beschäftigt. Im Unterschied zur evangelischen Kirche will sich die katholische Kirche aber nicht am Zwangsarbeiterfonds des Bundes beteiligen, sondern eigene Wiedergutmachungs- und Versöhnungsprojekte finanziell mit 10 Mio. DM unterstützen. - Auch Österreich hat mit mehreren osteuropäischen Staaten und den USA Abkommen (24. 10. 2000) über die Entschädigung von nationalsozialistischen Zwangsarbeitern geschlossen. Mit der Entschädigung sollen Ansprüche auf weitere Zahlungen ausgeschlossen werden. Die finanziellen Mittel (6 Mrd. Schilling) sollen je zur Hälfte vom österreichischen Staat und der österreichischen Wirtschaft aufgebracht werden.
 
In China (seit 1949) und in dem nach Beendigung des Vietnamkriegs (1975) wieder vereinigten Vietnam wurden zahlreiche Gegner der kommunistischen Gesellschaftsordnung im Sinne einer politischen Bestrafung zu Zwangsarbeit verurteilt (in Vietnam z. B. Internierung in »Umerziehungslagern«). In Kambodscha musste während der Herrschaft der Roten Khmer (1975-79) ein großer Teil der Bevölkerung (v. a. die Stadtbewohner nach ihrer Zwangsdeportation aufs Land) Zwangsarbeit leisten, wobei eine sehr hohe Zahl von Menschen aufgrund der inhumanen Verhältnisse das Leben verlor oder getötet wurde (»Killing Fields«). - Unter wirtschaftlicher Perspektive zeigt die Zwangsarbeit starke Ähnlichkeit mit den modernen Formen der Sklaverei.
 
Literatur:
 
U. Herbert: Fremdarbeiter. Politik u. Praxis des »Ausländer-Einsatzes« in der Kriegswirtschaft des Dritten Reiches (21986; Neuausgabe 1999);
 
Europa u. der »Reichseinsatz«. Ausländ. Zivilarbeiter, Kriegsgefangene u. KZ-Häftlinge in Dtl. 1938-1945, hg. v. U. Herbert (1991);
 
Deportation, Sondersiedlung, Arbeitsarmee. Deutsche in der Sowjetunion 1941 bis 1956, hg. v. A. Eisfeld u. V. Herdt (1996);
 R. Stettner: »Archipel GULAG«: Stalins Zwangslager - Terrorinstrument u. Wirtschaftsgigant. Entstehung, Organisation u. Funktion des sowjet. Lagersystems 1928-1956 (1996);
 W. Gruner: Der Geschlossene Arbeitseinsatz dt. Juden. Zur Z. als Element der Verfolgung 1938-1943 (1997);
 H. Mommsen u. M. Grieger: Das Volkswagenwerk u. seine Arbeiter im Dritten Reich (31997).
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
Weltkrieg, Zweiter: Leben im Krieg
 

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Zwạngs|ar|beit, die <o. Pl.>: 1. mit schwerer körperlicher Arbeit verbundene Freiheitsstrafe: zu 25 Jahren Z. verurteilt werden. 2. Arbeit, zu der jmd. (widerrechtlich) zwangsverpflichtet, gezwungen wird: jmdn. zu Z. heranziehen, einsetzen; Die Heranziehung von Millionen von Arbeitskräften zur Z. während des Zweiten Weltkrieges war eines der wesentlichen Kennzeichen nationalsozialistischer Außenpolitik (FAZ 16. 3. 99, 54).

Universal-Lexikon. 2012.