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Kleidung
Anziehsachen (umgangssprachlich); Sachen (umgangssprachlich); Outfit; Zeug (umgangssprachlich); Gewand; Garderobe; Kleider; Bekleidung; Klamotten (umgangssprachlich); Kluft (umgangssprachlich); Schlabberlook (umgangssprachlich)

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Klei|dung ['klai̮dʊŋ], die; -:
Gesamtheit der Kleidungsstücke:
ihre Kleidung ist sehr gepflegt; er gibt für Kleidung viel Geld aus.
Syn.: Aufmachung, Dress, Garderobe, Klamotten <Plural>, Kleider <Plural>, 2 Kluft (ugs.), Sachen <Plural> (ugs.), Zeug (ugs.).
Zus.: Arbeitskleidung, Berufskleidung, Damenkleidung, Herrenkleidung, Kinderkleidung.
 
• Kleidung/Bekleidung
In der Alltagssprache wird fast nur das Wort Kleidung verwendet:
– Du musst wärmere Kleidung anziehen.
Bekleidung wird häufig in der Textilbranche gebraucht:
– Das Geschäft mit winterlicher Bekleidung läuft dieses Jahr weniger gut.

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Klei|dung 〈f. 20; Pl. selten〉 Gesamtheit der Kleidungsstücke, die man auf dem Körper trägt, besitzt od. braucht, Bekleidung ● seine \Kleidung ablegen; leichte, warme \Kleidung; für jmds. Nahrung und \Kleidung sorgen

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Klei|dung , die; -, -en <Pl. selten> [spätmhd. kleidunge, zu kleiden]:
Gesamtheit der Kleider (1, 2):
leichte, warme, zweckmäßige K. tragen;
sich neue K. für den Winter kaufen;
viel Geld für K. ausgeben;
ein Mensch in abgerissener, abgetragener K.

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Kleidung,
 
die Bedeckung des menschlichen Körpers zum Schutz gegen Nässe, Kälte, Hitze, zum Verhüllen, zum Schmuck.
 
Kleidung besteht hauptsächlich aus gewebten, gewirkten oder gestrickten Faserstoffen, ferner aus Leder und Pelzwerk. Rohmaterialien sind Wolle, Baumwolle oder Seide sowie verschiedene Chemiefasern, die rein oder miteinander vermischt verarbeitet werden, um bestimmte Trageeigenschaften zu erreichen. Bestimmte Web-, Wirk-, Strick- und Ausrüstungstechniken unterstützen die Fasereigenschaften zusätzlich.
 
 Geschichte der Kleidung
 
Die Kleidung ist Teil der materiellen Kultur einer Gesellschaft und wird von deren Gewohnheiten und Möglichkeiten bestimmt. Für die Kenntnis historischer Kleidung stehen neben Originalkostümen bildliche, schriftliche, aus jüngerer Zeit auch mündliche Quellen zur Verfügung. Die historisch-systematische Beschäftigung mit der Kleidung nahm im späten 18. Jahrhundert ihren Anfang. Dieser weitgehend auf das Erscheinungsbild der Kleidung gerichteten »Kostümkunde« stellt die historische Kleidungsforschung heute das Bemühen um eine möglichst authentische Darstellung früherer Kleidungsgewohnheiten gegenüber.
 
Erste Felsbilder von Frauen in glockig geformten Röcken (wohl Tierfelle) stammen aus der mittleren Steinzeit. Erst in der Jungsteinzeit lernte der Mensch, Woll- und Leinenstoffe zu weben. Als Grundtypen lassen sich für die Frauenkleidung gewickelte oder genähte Röcke, Hemden, lange Mäntel, Schnur- oder Grasröcke (entlehnt aus Anatolien) sowie Pelzmäntel für ganz Europa in der Jungstein-, Bronze- und Eisenzeit erschließen. Aus dänischen Baumsargbestattungen (u. a. Fund von Egtved) kennt man für Frauen fußlangen Rock, Bluse, Schnurrock u. a., für Männer Rock, Bluse und Filzkappe. In der Eisenzeit erscheint von Osten her die Hose als Kleidungsstück für Männer.
 
Die Kleidung der Ägypter bestand beim Mann aus einem Lendenschurz, bei der Frau aus einem bis zur Brust reichenden langen Gewand (später von beiden Geschlechtern getragen). Dazu kam ein Ringkragen aus bemaltem Stoff, in Schmelzarbeit oder aus Tonperlen. Zum Zeremonialkostüm gehörten bei Königen und Würdenträgern ein künstlicher Kinnbart, eine Stirnbinde mit Uräusschlange oder die Sphinxhaube, im Neuen Reich die helmartige, blaue Königskrone (Cheperesch). Die Königin trug die Geierhaube.
 
Die Kleidung der Sumerer und Akkader war ein Hüftrock (Falbelgewand), die Assyrer kleideten sich in kurzärmeliges Hemdgewand mit Schulternaht, das bei den Vornehmen bis auf die Füße reichte. Darüber wurde in Schrägwindungen ein langrechteckiges Tuch gewickelt. Beim König und bei Würdenträgern war dieses eine über die Schultern gelegte Fransenschärpe, später ein Umhang mit Fransenbesatz. Die königliche Kopfbedeckung bildete eine abgeflachte Kegelmütze mit vergoldeter Spitze (Tiara). Die Kleidung der Frauen bestand ebenfalls aus einem langem, engärmeligem Hemdgewand und Umhang mit Fransenbesatz.
 
Von den Persern wurden Anregungen der Meder übernommen, aber die herkömmliche Kleidung weithin beibehalten: knielanger, enger Rock und lange, um die Knöchel gebundene Hosen. Den Kopf bedeckte eine gewölbte Mütze. Der König trug die steife, kegelförmige Kidaris mit Kronreif am unteren Rand.
 
Die langen Hosen waren bei den kleinasiatischen Phrygern und Lydern strumpfartig eng. Dazu trugen sie ein langärmeliges Untergewand und ein weites, knielanges, gegürtetes Obergewand mit kurzen Ärmeln. Das langärmelige lange Frauengewand war reicher gemustert und vorn und seitlich bordiert. Als Kopfbedeckung aller diente die phrygische Mütze.
 
Bei den Griechen bildete das Hauptgewand der hemdartige Chiton. Darüber trug die Frau den wollenen Peplos. Obergewänder des Mannes waren die umhangartige Chlaina, das schräg um den Körper gewickelte Himation oder die auf der rechten Schulter gefibelte Chlamys. Im Hellenismus stieg die Gürtung des Frauenchitons bis unter die Brust. Der schwere Peplos wurde im Hellenismus durch die auf den Schultern gefibelte Peronatris ersetzt. Als Kopfbedeckung diente der flache, breitrandige Petasos, die unteren Stände trugen den kegelförmigen Pilos, dazu die kurze gegürtete Exomis.
 
Die Hauptgewänder der Römer entsprachen denen der Griechen. Beide Geschlechter trugen die Tunika. Beim Verlassen des Hauses hüllte sich der freie Römer in die Toga, die Frau in die Palla. Der Soldat trug die der Chlamys ähnelnde Lacerna, später das Sagum, denen beim Feldherrn das Paludamentum entsprach. Als Wetter- und Reisemantel diente die auch von den unteren Ständen getragene Paenula. In spätrömischer Zeit wurde die Toga durch das kleinere und leichtere Pallium ersetzt. Eine längere und weitere Frauentunika war die Stola, die weibliche Kopfbedeckung der Schleier.
 
Zur Kleidung der indogermanischen Völker finden sich zahlreiche Angaben bei antiken Autoren, so z. B. bei Tacitus zu den Germanen. In der Zeit der Völkerwanderung vermischten sich die Kleidungsformen. Keltische und byzantinische Einflüsse kamen hinzu. Die europäische Tracht des frühen Mittelalters bestand beim Mann aus Unterhose (Bruch), zwei knielangen Schlupfkitteln, langen Hosen, Beinbinden, Schlupf- oder Schnürschuhen (dem Bundschuh bei den unteren Ständen) sowie aus einem auf einer Schulter zusammengehaltenen Mantel oder einer Pelzjacke im Winter. Frauen trugen zwei verschieden lange, meist langärmelige Schlupfgewänder übereinander.
 
Textilfunde des 10. Jahrhunderts zeigen, dass bereits Zuschnitte nach Körperformen, Abnäher und Fältelungen verwendet wurden. Farben, Borten und Besätze der Kleidung kennzeichneten den sozialen Rang des Trägers. Im 12. und 13. Jahrhundert erfolgte eine Annäherung der Gewandformen bei Männern und Frauen. Die oberen Stände trugen lange, tunikaartige Gewänder als Unterkleidung (Surkot) sowie als Oberbekleidung (Colte), bisweilen an Ärmel und Seiten durch eingesetzte Keile (Geren) erweitert, darüber einen über der Brust zusammengehaltenen Tasselmantel oder wie die unteren Stände eine Glocke oder Kappe. Die Frauenkleidung entsprach mit eng anliegenden geschnürten Oberteilen, weiten Hängeärmeln und langen Schleppröcken dem höfischen Schönheitsideal der Zeit. Das Gebände gehörte zur Kopfbedeckung der verheirateten Frau. Männerhüte waren Schutzkleidung oder Standeszeichen (Pfauenhut). Zu den alltäglicheren Kopfbedeckungen zählten Gugel und Bundhaube.
 
Seit der Mitte des 14. Jahrhunderts nahm die Kleidervielfalt zu. In deutschen Städten traten erste Kleiderordnungen in Kraft. Der lange Männerrock wurde kürzer und enger, sodass um 1350 die Schecke als Grundtypus von Wams und Leibrock entstand. Aus den Beinlingen entwickelten sich strumpfhosenartige Kleidungsstücke. Der Schuh verlängerte sich zum spitzen Schnabelschuh. Die Ausschnitte an Hals und Armen der engen Frauengewänder wurden größer, die Schleppen länger. Gürtel, Schließen und Knöpfe setzten dekorative Akzente. Durch Fältelungen wurde der Schleier zum Kruseler. Für beide Geschlechter trat an die Stelle des Tasselmantels der nur noch mit einer Schließe gehaltene Nuschenmantel.
 
Die Entwicklung der Kleidung der europäischen Neuzeit beeinflussten seit dem 15. Jahrhundert besonders die burgundische Mode sowie die Kleidung des städtischen italienischen Bürgertums, dessen charakteristische halblange bis lange, häufig pelzgefütterte füllige Obergewänder zeitweise als Rock, Schaube und Husseke bezeichnet wurden. Mäntel blieben selten. Halblange Hosen und daran anschließende Strümpfe lösten einteilige Beinkleider ab. Dazu trug man breite Schuhe (»Kuhmäuler« und »Bärentatzen«). Als Kopfbedeckung beider Geschlechter trat das häufig mit Netz-, Gold- oder Haarhauben kombinierte Barett verstärkt neben Hut und Haube. Kragen- oder jackenartige Goller (Koller) wurden Bestandteil einer stets mehrteiligen Oberkleidung. Bereits im späten 15. Jahrhundert setzte die langlebige Mode der teils andersfarbig unterlegten Dekorationsschlitze ein. Die über die Kleiderordnungen erlassenen Material-, Farb- und Gebrauchsvorschriften spiegeln die soziale Hierarchie der frühneuzeitlichen Stadtgesellschaft wider.
 
In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts gewann das modische Vorbild des spanischen Hofes an Einfluss. Die Schaube des Mannes verkürzte sich bis in Schenkel- oder Gesäßhöhe (Harzkappe). Umhangartig getragene Mäntel gewannen an Bedeutung. Die halblangen, geschlitzten, mit auffälligen Schamkapseln (Braguettes) versehenen Hosen erreichten um die Jahrhundertmitte als Pluderhosen ihre reichsten Formen, bevor kürzere, teils kugelig ausgepolsterte Hosenbeine (Heerpauke) die spanische Mode ebenso kennzeichneten wie weit ausladende Hemdkragen (Kröse, Mühlsteinkrause) und hochgeschlossene, im Bauchbereich bisweilen gepolsterte Wämser (Gansbauch). Hohe Hüte drängten das Barett zurück. In der Frauenkleidung wurde eine strenge geschlossene Silhouette aktuell, die den Körper hinter kegelförmigen Reifröcken und hohen, versteiften, flachbusigen Miedern zurücktreten ließ. Ein Oberkleid trug man entweder lose über dem stets sichtbaren Unterkleid, oder es folgte dessen Konturen. Hohe Spitzenkragen, das zur steifen Toque gewandelte Barett und modisches Beiwerk kamen in der festlichen Kleidung hinzu.
 
Zu Beginn des 17. Jahrhunderts setzte erneut eine Auflockerung der Kleidung ein. Die Männerkleidung übernahm während des Dreißigjährigen Krieges Elemente der Soldatenkleidung wie Lederkoller, Schärpe und Ärmelrock. Die Taille des Wamses rückte nach oben, die Schöße wurden länger. Unter den lang geschlitzten Ärmeln und in breiten, weich fallenden Schulterkragen trug man wieder Hemden. Die erneut knielangen Hosen waren mit Bändern, Borten, Spitzen und Knöpfen sehr schmuckfreudig; die Rhingrave z. B. wirkte durch weite, bandverzierte Hosenbeine fast rockartig. Mäntel gehörten inzwischen zur vollständigen Kleidung, ebenso Absatzschuhe mit dekorativen Rosetten (Schuhrosen), Stulpenstiefel und weiche breitkrempige Hüte mit Federzier. Auch in der Frauenkleidung fanden Spitzen und Bänder reiche Anwendung. Neu waren Schoßmieder und Ärmeljacke. Das Oberkleid wurde ringsum in die Höhe gerafft und ließ den zuerst noch über Hüftpolster, dann natürlich fallenden Rock des Unterkleides frei. Breite Hüte und Spitzenhauben waren bevorzugte Kopfbedeckungen.
 
Das französische Hofkostüm wurde vorbildlich für die oberen Stände. Vom Soldatenrock hatte die zivile Kleidung den halblangen, auf Figur geschnittenen Rock (Justaucorps) übernommen, der die Männerkleidung über Frack und Gehrock lange Zeit begleitete. Den Anzug vervollständigten Culotte und die noch mit Ärmeln und Schößen versehene Weste, das ehemalige Wams. An den Ärmeln und im Westenausschnitt wurde das Hemd sichtbar, das an Handgelenk und Brustschlitz mit einer Krause (Jabot) abschloss. Um den Hals lag im späten 17. Jahrhundert ein langes, geknotetes Halstuch (Steenkerke), im 18. Jahrhundert eine eng gefaltete Halsbinde. Die Beinbekleidung bestand aus weißen Strümpfen nebst Strumpfbändern und Schuhen (mit Schnallen und hohem Absatz), die im späten 17. Jahrhundert noch bis über die Knöchel reichten, im 18. Jahrhundert jedoch niedriger und flacher wurden. Die immer üppigere Lockenfrisur führte nach 1680 zur Perücke, bis 1720 zur langen Allongeperücke, danach zur gepuderten Stutzperücke. Am Hinterkopf wurde die Perücke oder das eigene Haar in einem Haarbeutel (Crapaud) aufgefangen oder zum Zopf gedreht. Die Kopfbedeckung war der Dreispitz. Als Mantel diente bis ins späte 18. Jahrhundert meist ein weiter, faltiger Umhang. Im letzten Viertel gelangte englischer Einfluss in die Herrenmode: schmuckloser Frack mit Überschlagkragen und eckig geschnittenen Schößen, Reithosen bis über das Knie, Stulpenstiefel und runder Hut. Das Frauenkostüm bestand aus engem Schnürleib oder versteiftem Mieder mit Brustlatz (Stecker), Oberkleid (Manteau) und Rock (Jupe). Ein künstliches Reifengestell (Panier) unter dem Rock führte um 1720 zurück zum Reifrock. Der Manteau fiel in der ersten Jahrhunderthälfte in freien Falten herab (Watteaufalte). Schlichter war die Schoßjacke Caraco der bürgerlichen Kleidung. Den tiefen Miederausschnitt und die Halbärmel umrandeten Rüschen aus Spitze oder Leinen (Engageantes). Am spitzen Halbschuh oder Pantoffel erhöhte sich der Absatz (Stöckelschuh). Im letzten Jahrhundertdrittel förderten Klassizismus und Aufklärung ein neues Ideal der Schlichtheit und Natürlichkeit, das parallel zum offiziellen Hofstil bereits vor der Französischen Revolution eine gräzisierende Mode begründete. Die Aufklärung löste auch ein Umdenken auf dem Gebiet der Kinderkleidung aus, die bis ins 18. Jahrhundert in der Regel der der Erwachsenen entsprochen hatte. Lange, bequem geschnittene Knabenhosen mit hemdartigen Oberteilen und ohne Korsett und Schnürbrust zu tragende Mädchenkleider wurden als kindgerecht gefordert.
 
Mit der Französischen Revolution verlor der Hof seinen Führungsanspruch in der Mode. Die auch noch von der Empiremode unter Napoleon I. favorisierte Chemise folgte auf Reifrock und Schnürbrust. Bei den Männern lösten lange Hosen (Pantalons) die Culottes ab. Perücken und gepuderte Haare verschwanden, und auch der Zweispitz (eine spätere Variante des Dreispitzes) wich in der zivilen Kleidung dem Zylinder. Dick gebundene Halstücher, die in extremer Form die Modefigur des Incroyable kennzeichneten, kurze, schoßlose Westen (Gilet), Frack oder ein halblanger Gehrock und der darüber getragene, leicht taillierte Mantel (Redingote) vervollständigten die nun stark englisch geprägte Männerkleidung mit den für die Folgezeit bestimmend bleibenden Elementen.
 
In den 20er-Jahren des 19. Jahrhunderts kehrte die Frauenmode mit Unterröcken, Volants, später erneut Reifröcken zur geschnürten Taille zurück, die durch breite Schulterkragen und Keulenärmel (Schinkenärmel, Gigot) umso schmaler erschien. Den Kopf zierten Blumen und Bänder, breitrandige Hüte und die charakteristische Schute.
 
Die Männerkleidung wurde bei gleichzeitiger anlassgebundener Differenzierung versachlicht (dunkel gehaltener Anzug aus Hose, Weste und Sakko für den Tag, Frack, Gehrock, Cut und seit dem Ende des Jahrhunderts Smoking für gesellschaftliche Anlässe). Als Überkleidung dienten Kragenmantel (Carrick), Pelerinenmantel (Havelock) und in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts der Paletot und der Gehpelz. Die Halsbinde wandelte sich zur Krawatte. Der Hemdkragen wurde vom Hemd gelöst und versteift. Zum Zylinder kam 1848 der Kalabreser.
 
Nach 1840 gerieten die Argumente einer kindgerechten Kleidung bei einem auf Stand und Repräsentation bedachten Bürgertum erneut in Vergessenheit: Söhne wurden zu Miniaturausgaben der Väter; bei den Töchtern führten Fischbeinkorsett und der für die Frauenmode wieder entdeckte Reifrock des Rokoko zu Gesundheitsschäden und behinderten Spiel und Bewegung. Besonders die Festgarderoben der Frauen erinnerten an die vergangene höfische Pracht. Die Tageskleidung war hochgeschlossen, mit halblangen Schoßjacken, Capes, Tüchern und Umhängen. Schuhe und Stiefel besaßen kleine Absätze. Um 1865 bis 1890 entwickelte sich die Krinoline zur rückseitigen Turnüre, um 1880 zum tiefer sitzenden Cul de Paris.
 
Als Gegenbewegung zum offiziellen Frauenbild propagierten Frauenrechtlerinnen, Sozialreformer und Ärzte eine emanzipatorische Reform der Frauenkleidung. Die Amerikanerin Amelia Jenks Bloomer (* 1818, ✝ 1894) schlug bereits 1851 Hosen für die Frau vor, die ohne Korsett, jedoch mit einem knielangen Rock darüber zu tragenden »Bloomers«. Schnürmieder und Reifröcke sollten natürlich fallenden Kleidern weichen (Reformkleidung). Bis zur Jahrhundertwende hatte sich auch mit Samt- und Matrosenanzügen, Spitzenkleidern und kindlichen Hängern mit Smokpassen eine eigene Kindermode herausgebildet. Gleichzeitig war die Kluft zu ärmlich gekleideten Arbeiterkindern unübersehbar geworden.
 
Mit der Einführung der Haute Couture (1859) und der sich ausbreitenden Konfektionskleidung waren die Weichen für das Kleidungsverhalten des 20. Jahrhunderts gestellt worden. Reifengestelle und Polster verschwanden endgültig. Die Betonung lag nun auf einer schmalen, nach unten glockig erweiterten Silhouette. Das Schneiderkostüm kam auf. Rock und Bluse wurden immer beliebter. 1911 kreierte P. Poiret den ersten Hosenrock und auch den engen »Humpelrock«.
 
Weiter veränderten Sport und Freizeit die Kleidung. Turn- und Radfahrkostüme griffen die Reformgedanken des vergangenen Jahrhunderts auf (Knickerbocker und Gürteljacke, zum Tennis weiße lange Hosen und Klubjacke). Die Tages- und Gesellschaftskleidung hielt unter der Führung Englands weiterhin an den nach Anlass festgelegten Anzugtypen fest. Das Tragen des Zylinders wurde auf bestimmte Gelegenheiten beschränkt. Hüte für den täglichen Gebrauch waren Homburg, Bowler (Melone), Canotier (Kreissäge), flachköpfiger Filzhut. Bis zum Zweiten Weltkrieg erlebte die Herrenkleidung nur geringfügige Veränderungen, und auch nach der Zäsur der Kriegsjahre dauerte es bis in die 60er-Jahre, ehe Jugend- und Studentenbewegung, Protest- und Gesinnungskleidungen sowie die Bedürfnisse einer mit mehr Freizeit ausgestatteten Gesellschaft auch die männlichen Kleidungsgewohnheiten beeinflussten (v. a. in der Freizeit- und Sportmode).
 
Für die Frau bewirkte eine veränderte soziale Stellung nach dem Ersten Weltkrieg einschneidende Veränderungen der Kleidungsgewohnheiten. Berufstätigkeit und Emanzipation erforderten eine funktionelle Kleidung, die in den 20er-Jahren das Modebild bestimmte: Kostüme, kurze Röcke, gerade geschnittene Hängekleider und Hemdblusenkleider, deren Verbreitung wegweisend durch die Entwürfe Coco Chanels bestimmt wurde (Garçonnemode). Die von ihr verarbeiteten Wirkstoffe (Jersey) brachten den Trägerinnen eine neuartige Bewegungsfreiheit. Die Schlichtheit der Tageskleidung erfuhr für den Abend durch Schmuck und zum Teil andere Materialien variationsreiche Abwandlungen.
 
1947 setzte C. Dior mit den stoffreichen und langen Röcken des »Newlook« ein der allgemeinen Aufbruchsstimmung entsprechendes Modesignal, dem zahlreichen rasch wechselnde Modelinien folgten. (Mode)
 
 Kleidung der Naturvölker
 
Bei Naturvölkern sind die Grenzen zwischen Kleidung und Körperschmuck oft fließend, im weiteren Sinn umfasst der Begriff Kleidung jede künstliche Veränderung des Äußeren, also auch Bemalung, Tatauierung und Körperdeformationen. In den tropischen Gebieten der Erde ging man vorzugsweise nackt oder legte ein symbolisches Kleidungsstück (Schamschnur, Penisschnur, Hüftschnur) an. Allgemein gelten Schambinden, Tangas und Hüftschurze (Lendenschurze) aus Leder, Fell oder Rindenstoff als älteste »echte« Kleidungsstücke. Aus der Schambinde dürfte die Hose, eine Kombination aus Schurz und Beinlingen (Leggings), wie bei vielen nordamerikanischen Indianern üblich, hervorgegangen sein, aus dem Hüftschurz der Rock. Als Oberbekleidung dienten (oft gegürtete) Hemden und Kittel, offene Mäntel (z. B. Kaftan), Überwürfe mit zentraler Kopföffnung (Ponchos) und in den kalten Breiten das Ärmelwams; Unterkleider sind bei den Naturvölkern kaum bekannt. Auch die Fußbekleidung ist vom Klima abhängig (Leder- und Fellstiefel, Schnür-, Zehenriemen- und Holzsandalen mit Zehenzapfen); in vielen Gegenden geht man nach wie vor barfuß. Manche Kopfbedeckungen und die Ausgestaltung der Kleidung geben Auskunft über Rang und Verdienste des Trägers, verweisen auf Jungfräulichkeit oder Ehestand, dienen dem Imponiergehabe oder unterstreichen persönlichen Reichtum.
 
 Religiöse Kleidungsformen
 
In archaischen Denkweisen waren die sozialen Rollen religiös begründet (Träger von »mana«, göttliche Kraft), sodass auch der Kleidung neben ihren praktischen und ästhetischen Funktionen eine religiöse Kraft (so z. B. auch in Matthäus 9, 20 f.) und Bedeutung (Kleideropfer oder Kleidertausch) zukam. In den alten Hochreligionen tragen die Götter sowie die für sie zuständigen Priesterinnen und Priester (oft nach Rang und Klassen) festgelegte Trachten, ebenso die (sakralen) Herrscher. In den universalen Religionen symbolisieren das Ablegen der profanen Kleidung und das Anziehen besonderer priesterlicher oder mönchischer Gewänder den Eintritt in neue, religiöse Daseinsformen. Während die jüdischen Priester festgelegte Kleidung trugen (2. Mose 28, 2-43; 39, 1-43), kannte das frühe Christentum zunächst keine priesterliche Tracht; erst mit der Ausbildung fester Amtsformen und des Mönchtums im 3. Jahrhundert bildeten sich spezifische Merkmale der Kleidung heraus. Heute hat die katholische Kirche eine sehr differenzierte Kleiderordnung in allen Orden und für das kirchliche Amt; hierzu zählen liturgische Gewänder, bestimmte Insignien (z. B. Ring, Brustkreuz und Mitra der Bischöfe), Kopfbedeckungen (z. B. Birett, Mitra, Tiara) sowie festgelegte Alltagskleidung (z. B. Soutane oder schwarzer Anzug mit Kollar). Eine vergleichbare Vielfalt kennen die orthodoxen Kirchen, während die evangelischen Kirchen - abgesehen von den norden Kirchen, in denen die alte Kleiderordnung beibehalten wurde - nur eine vereinfachte Amtstracht kennen (z. B. Talar mit Beffchen oder Radkrause).
 
Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie v. a. auch in den folgenden Artikeln:
 
Haartracht · Haube · Hose · Hut · Kleiderordnungen · Maschenware · Rock · Sandale · Schuhe · Volkstrachten
 
Literatur:
 
W. Reimpell: Gesch. der babylon. u. assyr. K. (1921);
 O. Šroňková: Die Mode der got. Frau (a. d. Tschech., Prag 1954);
 O. Šroňková: u. P. Paul: Die Mode von der Renaissance bis zum Rokoko (a. d. Tschech., ebd. 1959);
 K. Schlabow: Gewebe u. Gewand zur Bronzezeit (1962);
 K. Schlabow: Trachten der Eisenzeit (81981);
 W. Bruhn u. M. Tilke: Kostümgesch. in Bildern (Neuausg. 1973);
 J. Arnold: Patterns of fashion, 3 Bde. (Neuausg. New York 1983-85);
 
Cloth and clothing in Medieval Europe, hg. v. N. B. Harte u. a. (London 1983);
 
A visual history of costume, 6 Bde. (London 1983-86);
 H. Brost: Kunst u. Mode. Eine Kulturgesch. vom Altertum bis heute (1984);
 E. Larrass: Mode - Tracht - Kostüm (Neuausg. 1984);
 E. Thiel: Gesch. des Kostüms (61985);
 I. Weber-Kellermann: Der Kinder neue Kleider (1985);
 A. Hofer: Textil- u. Mode-Lex. (61988);
 P. J. Lehmann: Die K., unsere zweite Haut (31992);
 W. Schierbaum: Bekleidungs-Lex. (31993);
 I. Loschek: Reclams Mode- u. Kostüm-Lex. (31994);
 I. Loschek: Mode im 20. Jh. Eine Kulturgesch. unserer Zeit (51995);
 A. Hollander: Anzug u. Eros. Eine Gesch. der modernen K. (a. d. Engl., 1995);
 M. von Boehn: Die Mode, 2 Bde. (Neuausg. 51996);
 J. Peacock: Kostüm u. Mode - das Bildhandbuch. Von den frühen Hochkulturen bis zur Gegenwart (a. d. Engl., Bern 21996).
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
Kleidung: Vom Grundbedürfnis zur Massenware
 
Textilien: Geschichte der Herstellungstechniken
 
Textiltechnik: Natur- und Kunstfasern
 
Textiltechnik: Garne
 
Textiltechnik: Gewebe, Maschenware, Filze und Vliesstoffe
 
Textilveredlung: Veränderung von Fasern
 
Textiltechnik: Fertigung von Bekleidung
 
Textilindustrie: Produktion in aller Welt
 
Textilien: Trageeigenschaften und Unverträglichkeiten
 
Textilien: Recycling und Entsorgung
 
Fibel und bronzezeitliches Gewand
 

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Klei|dung, die; -, -en <Pl. selten> [spätmhd. kleidunge, zu ↑kleiden]: Gesamtheit der Kleider (1, 2): leichte, warme, zweckmäßige K. tragen; Er trägt geistliche K. (die Kleidung eines Geistlichen) und Tonsur (St. Zweig, Fouché 6); gedeckte K. (Kleidung in gedeckten Farben) wird erwartet; Da steht: Man beliebe vor Verlassen des Abortes die K. zu ordnen (Nossack, Begegnung 225); sich neue K. für den Winter kaufen; viel Geld für K. ausgeben; für jmds. Nahrung und K. sorgen; mein Körper ... stak in hässlicher, abgetragener K. (Th. Mann, Krull 78); Aus dem Hintergrund nahte ein ... blasser Mensch in abgerissener K. (Erich Kästner, Fabian 54).

Universal-Lexikon. 2012.