Ọst|ti|mor:
früherer Name von ↑ Timor-Leste.
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Osttimor,
Fläche: 14 874 km2
Einwohner: (2002)948 000
Hauptstadt: Dili
Amtssprachen: Tétum und Portugiesisch
Zeitzone: Uhrzeit: 1900 Dili = 1200 MEZ
auch Timor Loro Sa`e, Timor Lorosa`e, amtlich portugiesisch República Democrática de Timor Leste, deutsch Demokratische Republik Osttimor, Staat in Südostasien, auf dem Ostteil der Insel Timor (größte der Kleinen Sundainseln), durch die Timorsee von Australien getrennt; umfasst außerdem zwei kleinere Inseln, Ataúro (144 km2) vor der Nord- und Jaco (13 km2, unbewohnt) vor der Nordostküste, sowie die Exklave Oecussi Ambeno im Nordwesten Timors. 14 874 km2, (2002) 948 000 Einwohner; Hauptstadt ist Dili; Amtssprachen: Tétum und Portugiesisch; Arbeitssprachen im öffentlichen Dienst: Bahasa Indonesia und Englisch. Währung: zurzeit noch 1 US-Dollar (US-$) = 100 Cents (c, ¢) und 1 Rupiah (Rp.) = 100 Sen (S).
Staat und Recht:
Nach der am 20. 5. 2002 in Kraft getretenen Verfassung ist Osttimor eine unabhängige, demokratische Republik. Staatsoberhaupt und Oberbefehlshaber der Armee ist der auf fünf Jahre direkt gewählte Präsident. Er ernennt den Premierminister und auf dessen Vorschlag die übrigen Mitglieder des Kabinetts und verfügt über ein Vetorecht im Gesetzgebungsverfahren. Die Legislative liegt beim Einkammerparlament (hervorgegangen aus der im August 2001 gewählten verfassunggebenden Versammlung mit 88 Abgeordneten; Legislaturperiode 5 Jahre). Künftig wird das Parlament aus 52-65 Abgeordneten bestehen.
Parteien:
Einflussreichste Parteien sind die Revolutionäre Front des unabhängigen Osttimor (FRETILIN), die Demokratische Partei (PD), die Sozialdemokratische Partei (PSD) und die Timoresische Sozialdemokratische Vereinigung (ASDT).
Nationalfeiertage:
28. 11. (1975 Proklamation der Unabhängigkeit).
Osttimor ist in 13 Bezirke (Concelhos) einschließlich des Stadtgebietes der Hauptstadt Dili gegliedert. Für die Exklave Oecussi Ambeno und die Insel Ataúro sieht die Verfassung jeweils einen Sonderstatus vor.
Der Aufbau eigener Streitkräfte begann mit der Aufstellung von zwei Bataillonen leichter Infanterie mit insgesamt etwa 900 Mann. Bis 2005 ist ein Aufwuchs auf rd. 1 500 Mann geplant. Zusätzlich stünden dann auch etwa 1 500 Reservisten bereit.
Landesnatur und Bevölkerung:
Durch tiefe Täler zerschnittene Gebirgsketten durchziehen den zentralen Teil der Insel und erreichen im Ramelanmassiv 2 960 m über dem Meeresspiegel. Von einer Reihe von Senken und Hochebenen durchsetzt, fallen sie im Norden steil zum Meer ab.
Charakteristisch ist tropisches Monsunklima mit einer kurzen Regenzeit (Dezember-März, unregelmäßiger Westmonsun) und einer langen Trockenzeit (Mai-Oktober, Südostmonsun). Während der trockenheiße Norden meist 500-1 000 mm Jahresniederschläge erhält, fallen im feuchtheißen Süden bis 2 000 mm (im Gebirge bis über 3 000 mm).
Die natürliche Waldvegetation ist bis auf einige lichte, trockene Monsunwälder weitgehend vernichtet. Vorherrschend sind v. a. Savannen; die Sandelholzbestände sind weitgehend erschöpft.
In Osttimorgibt es 12 Ethnien (Austronesier und Papuas; überwiegend Mischbevölkerung v. a. aus melanesischen und altindonesischen Völkern). Die zwischen 1976 und 1999 eingewanderten Indonesier haben das Land weitgehend verlassen; rund 2 % Chinesen. Die Bevölkerungsentwicklung 1975-99 war durch Militäraktionen und ihre Folgen, Zwangsumsiedlungen, Terror und blutige Verfolgungen mit Hunderttausenden Toten geprägt. Der Bevölkerungszuwachs beträgt 3,25 % (Jahresdurchschnitt 2000-2002). Es gibt außer den Amts- und Arbeitssprachen acht weitere austronesische und drei Papuasprachgruppen; Mambai ist die zweitwichtigste Sprache.
Die Verfassung garantiert die Religionsfreiheit und folgt dem Prinzip der Trennung von Staat und Religion. Grundlage der Beziehungen des Staates mit der katholischen Kirche, die als größte Glaubensgemeinschaft eine besondere Stellung in der Geschichte Osttimors einnimmt, war bis zur indonesischen Besetzung Osttimors (1975) das zwischen dem Heiligen Stuhl und Portugal 1940 abgeschlossene Konkordat. - Über 95 % der Bevölkerung sind Christen: rund 92 % gehören der katholischen Kirche an (Bistümer: Dili, Baucau); größte protestantische Kirche ist die reformierte »Protestantische Kirche in Osttimor« (»Igreja Protestante iha Timor Lorosa`e«; rund 34 000 Mitglieder). Zahlenmäßig sehr kleine religiöse Minderheiten: Muslime, Buddhisten, Hindus, Anhänger traditioneller Stammesreligionen.
Das Schulsystem gliedert sich in Primarschulen und Sekundarschulen (allgemeine und berufsbildende Schulen umfassend) und wird derzeit mit internationaler Hilfe reorganisiert (1999 systematische Zerstörung der meisten Schulgebäude). Neben den staatlichen Schulen bestehen zahlreiche Schulen in katholischer kirchlicher Trägerschaft. Für Kinder im Vorschulalter ist der Besuch von Kindergärten möglich. Die Analphabetenquote beträgt 10 %. Das Hochschulwesen ist in Dili konzentriert, wo die Universität von Osttimor und eine polytechnische Hochschule ihren Sitz haben.
Die UN-Übergangsverwaltung UNTAET begann nach der Zerstörung der Zeitungsdruckereien aus der Zeit der indonesischen Herrschaft 1999 mit der Herausgabe des Mitteilungsblatts »Official Gazette of East Timor« (in Englisch sowie den Amtssprachen Portugiesisch und Tétum), und seit 2000 erscheint das Wochenblatt »Lalalok« (in Tétum). Der von der katholischen Kirche getragene Hörfunksender »Radio Renascença« existiert seit der indonesischen Zeit, hinzu kamen als Gründungen der UN-Verwaltung 2000 ein Hörfunk- und ein Fernsehsender (»TV-TL«).
Wirtschaft und Verkehr:
Hauptwirtschaftszweig im ärmsten Land Asiens, in dem alle infrastrukturellen Einrichtungen weitgehend zerstört sind, ist die Landwirtschaft, in dem der überwiegende Teil der Beschäftigten arbeitet. Gegenwärtig ist Osttimor aber fast ausschließlich auf internationale Hilfsgelder und -leistungen beim Wiederaufbau angewiesen. Größte bilaterale Geldgeber sind Japan, Portugal und Australien.
Vorwiegend zur Selbstversorgung erfolgt der Anbau zum Teil Brandrodung) von Mais, Trockenreis, Hirse und Maniok, der Nassreisanbau ist auf wenige Gebiete beschränkt. Für den Binnenmarkt werden Süßkartoffeln, Bohnen, Tabak, Baumwolle, Gewürznelken und Kakao produziert, desweiteren Kultivierung von Sago- und Kokospalmen. Kaffee, das einzige Exportprodukt von größerer Bedeutung, wird als Monokultur in Plantagen erzeugt. Die ökologisch hochwertigen Kaffeebohnen erzielen auf dem Weltmarkt weitaus höhere Preise als vergleichbare Produkte und werden von internationalen Kaffeeproduzenten zur geschmacklichen Abrundung ihrer Mischungen genutzt. Außerdem wird Viehhaltung (Büffel, Rinder, Pferde, Schweine) betrieben.
Die Bestände an Sandelholz sind durch die früher umfangreichen Abholzungen und Ausfuhren nahezu erschöpft.
Außer der Hochseefischerei in den reichen Fischgründen (Thunfisch) werden in geringem Umfang Garnelen gezüchtet.
In der Timorsee, im Gebiet zwischen der Südküste Osttimors und der Nordküste Australiens, dem so genannten »Timor Gap« (61 000 km2), existieren größere Erdöl- und Erdgasvorkommen (v. a. Bayu-Undan-Feld, Greater-Sunrise-Feld), über deren Aufteilung und Nutzung zum Teil noch vertragliche Verhandlungen zwischen Australien undOsttimor laufen. Die aus der künftigen Erschließung resultierenden Förderzinsen sollen eine maßgebliche Rolle im Haushaltsbudget Osttimors spielen. Weitere Bodenschätze sind Salz, Gold, Mangan und Marmor.
Alle infrastrukturellen Einrichtungen der Energieversorgung sind weitestgehend zerstört oder reparaturbedürftig. Die vorhandene Stromerzeugungskapazität wird mit 40 MW angegeben.
Der industrielle Bereich beschränkt sich auf die Herstellung von Textilien und die Verarbeitung von Kaffee.
Der gesamte Dienstleistungsbereich muss erst wieder aufgebaut werden.
Der Tourismus soll in Zukunft zu einer wichtigen Einnahmequelle des Landes ausgebaut werden. Dafür hat man die touristische Erschließung landschaftlich reizvoller Küstengebiete wie die bei Bacau sowie die Insel Ataúro vorgesehen.
Ausfuhr von Kaffee (Exportanteil 80 %), Kopra, Wachs und Mandeln.
Verkehr:
Das Straßennetz ist weitmaschig (rund 2 000 km). Bedeutendste Häfen sind Dili und Carabela. Der wichtigste Flughafen befindet sich in Bacau nahe der Hauptstadt; internationale Flugverbindungen gehen über Darwin (Hauptstadt des australischen Nordterritoriums).
1520-1975 stand Osttimor unter der Herrschaft Portugals, nur kurzzeitig unterbrochen von Besetzungen durch Großbritannien (1812-15) und durch Japan (1942-45), die auch den ab 1613 in niederländischem Besitz befindlichen westlichen Teil Timors betrafen. 1951-75 war Portugiesisch-Timor eine Überseeprovinz Portugals. Angesichts der portugiesischen Rückzugsabsichten aus dem Kolonialgebiet formierten sich verschiedene Parteien, darunter die UDT (portugiesische Abkürzung für »Demokratische Union Timors«), die zunächst eine Föderation mit Portugal anstrebte, die FRETILIN (»Revolutionäre Front des unabhängigen Osttimor«) und die APODETI (»Demokratische Volksvereinigung der Timorer«), die den Anschluss Osttimors an Indonesien als autonome Provinz befürwortete. Die Auseinandersetzung zwischen diesen Gruppierungen führte ab August 1975 zu einem mehrwöchigen Bürgerkrieg, in dem sich die FRETILIN durchsetzte (28. 11. 1975 Unabhängigkeitserklärung). Am 7. 12. 1975 begannen indonesische Truppen mit der Besetzung Osttimors (etwa 200 000 Tote durch die Militäraktion und ihre Folgen); im Juli/August 1976 wurde es als 27. Provinz Indonesien angegliedert (international nicht anerkannt). Gegen die Annexion wandte sich eine v. a. von der FRETILIN geführte und vom indonesischen Militär mit Repressionen (u. a. Massaker in Dili am 12. 11. 1991) verfolgte Unabhängigkeitsbewegung. Von der UNO vermittelte indonesisch-portugiesische Verhandlungen über Osttimor, die erstmals in den 1980er-Jahren, erneut ab Dezember 1992 stattfanden (1994 erster indonesischer Kontakt mit der FRETILIN), führten im Mai 1999 zu einer Vereinbarung über die Durchführung eines Referendums unter der osttimorischen Bevölkerung über die Zukunft des Territoriums.
In dieser am 30. 8. 1999 unter UN-Aufsicht stattgefundenen Volksbefragung votierten knapp 80 % der Timorer für die Unabhängigkeit Osttimors. Unmittelbar danach entfesselten proindonesische Milizen mit Duldung und zum Teil direkter Unterstützung des stationierten indonesischen Militärs eine blutige Terrorwelle gegen die Bevölkerung (Tötung zahlreicher Menschen, Flucht bzw. Deportation von rund 200 000 Timoresen nach Westtimor, Brandschatzung und Zerstörung von Städten); die Angriffe der Milizen richteten sich auch gegen ausländische Hilfsorganisationen und das Hauptquartier der UN-Mission (United Nations Mission in East Timor, Abkürzung UNAMET) in Dili. Unter starkem internationalem Druck verhängte die indonesische Regierung das Kriegsrecht über Osttimor, ließ Anfang September 1999 den osttimorischen Guerillaführer J. A. (»Xanana«) Gusmão frei und stimmte dem Einsatz einer internationalen Friedenstruppe in Osttimor zu. Erste Einheiten der unter den Oberbefehl des australischen Generals Peter Cosgrove gestellten Eingreiftruppe (International Force East Timor, Abkürzung INTERFET; etwa 7 500 Soldaten) landeten am 20. 9. 1999 in Dili und übernahmen die Kontrolle über Osttimor; bis Ende September 1999 zog sich ein Großteil der indonesischen Armeeeinheiten (unter Zerstörung von Teilen der Infrastruktur) zurück. Nachdem Indonesien am 19. 10. 1999 die Annexion Osttimors offiziell annulliert hatte, wurde dieses zur Vorbereitung der Unabhängigkeit am 26. 10. 1999 unter eine UN-Übergangsverwaltung (United Nations Transitional Administration in East Timor, Abkürzung UNTAET) gestellt. Im Februar 2000 erfolgte die Ablösung der INTERFET durch eine UN-Friedenstruppe; 2001 wurde das UN-Verwaltungsmandat verlängert. Bei den Wahlen zu einer verfassunggebenden Versammlung am 30. 8. 2001 erlangte die FRETILIN 57,3 % Stimmen. Im September 2001 konstituierte sich die erste eigenständige osttimorische Regierung. Deren Chef wurde Mari Alkatiri (FRETILIN); José Ramos-Horta, der schon im vorangegangenen Übergangskabinett als Außenminister amtiert hatte, blieb in dieser Funktion. Nach Annahme einer neuen Verfassung (22. 3. 2002) wurde am 14. 4. 2002 der populäre Führer der Unabhängigkeitsbewegung Gusmão zum ersten Präsidenten von Osttimor gewählt. Dieses erhielt unter Zusicherung erheblicher wirtschaftlicher Unterstützung und der Errichtung einer UN-Hilfsmission (UNMISET) am 20. 5. 2002 als 192. Staat (»Demokratische Republik Osttimor«) seine Unabhängigkeit.
J. Ramos-Horta: Funu. O.s Freiheitskampf ist nicht vorbei! (a. d. Engl., 1997).
Universal-Lexikon. 2012.