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Rinder
Rinder
 
[althochdeutsch (h)rint, eigentlich »Horntier«], Bovinae, Unterfamilie der Horntiere mit neun Arten und 21 Unterarten, v. a. in Wäldern und Grassteppen Amerikas und der Alten Welt (nur in Südamerika und Australien gab es ursprünglich keine Wildrinder); Körperlänge 1,6-3,5 m, Gewicht 150-1 350 kg; Wiederkäuer mit breitem Schädel, unbehaartem, feuchtem Flotzmaul und Hörnern bei beiden Geschlechtern (bei den Männchen im Allgemeinen stärker entwickelt); Gehör- und Geruchssinn sind am besten ausgebildet, ihr Augensinn lässt sie die Farben Blau, Rot, Grün und Gelb erkennen. Alle Wildrinder ernähren sich pflanzlich, zum Beispiel von Gräsern, Kräutern, Früchten, Flechten und Moosen. Zu den Rindern gehören die vier Gattungen Asiatische und Afrikanische Büffel, Echte (Eigentliche) Rinder, Bison und Wisent. Zur Gattung Echte Rinder (Bos) gehören die fünf Arten Auerochse, Gaur, Banteng, Kouprey und Yak.
 
Kulturgeschichte:
 
Das Rind ist das wichtigste Haustier und das älteste Milch- und Arbeitstier für den Menschen. Die Rassen des Hausrinds stammen vom Auerochsen ab, der zusammen mit dem Wisent seit dem letzten Interglazial in Europa verbreitet war; als wichtigstes Jagdtier erscheint es auf vielen Felsbildern. Die Ausgrabungen von Çatal Hüyük lassen erkennen, dass die ältesten Domestikationsversuche um 6500 v. Chr. anzusetzen sind; um die gleiche Zeit sind Stierkulte und Fruchtbarkeitsriten entstanden. In der ägyptischen Mythologie war der Stier Symbol der Kraft. Die Himmelsgöttin Hathor wurde in Gestalt einer Kuh oder einer Frau mit Kuhgehörn dargestellt. Der Stier Apis wurde als Sinnbild des Mondes gesehen. Einen Höhepunkt des Stierkults stellen die minoische und die mykenische Kultur dar. In der Mythologie des klassischen Griechenland entführt Zeus Europa als Stier, bezwingt Herakles den kretischen Stier, erlegt Theseus mit Ariadnes Hilfe den blutrünstigen Minotaurus. - Durch die spanischen Konquistadoren kamen die Rinder in die Neue Welt. Spätere Rindereinfuhren erfolgten seit Anfang des 17. Jahrhunderts v. a. von England aus. 1788 wurden die ersten Rinder aus Großbritannien nach Australien gebracht.
 
Rinderrassen:
 
Es gibt weltweit etwa 450 (nach anderer Meinung etwa 800) Rassen von aus domestizierten Wildrindern hervorgegangenen Hausrindern. Die zahlreichen europäischen Rinderrassen lassen sich alle auf den Auerochsen als Stammart zurückführen. Nach ihrem hauptsächlichen Nutzen für den Menschen lassen sich die (v. a. europäischen) Rinderrassen in Ein- und Zweinutzungsrassen einteilen. Die Einnutzungsrassen umfassen die Milch-, Fleisch- und Mastrassen. Bei den vorherrschenden Zweinutzungsrassen besteht eine unterschiedlich starke Betonung der Milch- beziehungsweise Fleischleistung. Diese Tiere sind primär aus einseitigen Milchrassen gezüchtet worden. Zu den bedeutendsten Milchrassen zählen Holstein-Friesian, Brown-Swiss, Ayrshire, Jersey- und Guernseyrind. Die wichtigsten europäischen Fleischrassen sind Charolaisrind, Limousin und Chianina. Die in den USA, Australien und Argentinien am stärksten vertretenen Mastrassen sind britischen Ursprungs (Aberdeen-Angus, Hereford, Shorthorn sowie die Neuzüchtungen Brangus, Charbrays und Santa-Gertrudis-Rind). Das besonders in Schottland verbreitete Galloway wird seit Anfang der 70er-Jahre auch in einigen deutschen Betrieben gehalten. Die in Deutschland (v. a. in der Nordhälfte) weitaus häufigste Rinderrasse ist die Deutsche Schwarzbunte, die auch weltweit die häufigste Rinderrasse ist. Sie ist eine Zweinutzungsrasse mit überwiegender Milchproduktion. Das v. a. in Süddeutschland verbreitete Fleckvieh ist eine kräftige, hellbraun- bis rotbraunweiß gefleckte Rasse, die auf Vorfahren im Berner Oberland zurückgeht. Sie wird in Deutschland als Milch- und Fleischrind, in Übersee meist als Fleischrind gehalten. Die überwiegend in Nord- und Westdeutschland verbreitete Deutsche Rotbunte ist dunkelrot und weiß gescheckt mit weißen Abzeichen am Kopf. Seit dem 15. Jahrhundert unter Einkreuzung von Shorthorn gezüchtet, ist sie eine Zweinutzungsrasse mit gleichwertiger Nutzung von Milch und Fleisch. Einheitlich braun oder graubraun gefärbt ist das Braunvieh, dessen Zucht vor etwa 600 Jahren in der Zentralschweiz begann, von wo aus es sich über die Schweiz, Österreich und das deutsche Voralpengebiet ausbreitete; Zweinutzungsrasse mit Betonung der Milchproduktion. Das Gelbvieh, von dessen zahlreichen Schlägen es in Deutschland fast nur noch das Frankenvieh gibt, ist die fünfthäufigste Rinderrasse in Deutschland. Die Bestände dieser Dreinutzungsrasse (Milch, Fleisch, Arbeitstier) werden zum Teil durch Fleckvieh ersetzt. Das v. a. in Schleswig-Holstein verbreitete Angler Rotvieh, ein einfarbig dunkelrotes bis sattbraunes Rind (Zweinutzungsrasse, v. a. Milchlieferant), wurde in viele Rassen eingekreuzt; es zeichnet sich durch gute Anpassungsfähigkeit an extreme Klimabereiche aus. (BSE, künstliche Besamung, Massentierhaltung, Milch)
 
Literatur:
 
A. Gottschalk u. a.: R.-Zucht u. R.-Haltung (1983);
 
Nutztiere der Tropen u. Subtropen, hg. v. S. Legel, Bd. 1: R. (Leipzig 1989);
 H. H. Sambraus: Atlas der Nutztierrassen (51996).
 

Universal-Lexikon. 2012.