Fa|yence auch: Fay|ence 〈[ fajã:s] f. 19〉 glasierte Tonware [<frz. faience; nach der ital. Stadt Faenza]
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Fa|yence [fa'jã:s; gleichbed. frz. fayence, nach der ital. Stadt Faenza], die; -, -n; Syn.: Majolika: rote oder ockerfarbene, poröse Tonware, die mit farbigen oder weißen Glasuren bedeckt ist.
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Fa|yence [fa'jã:s ], die; -, -n […sn̩] [älter frz. fayence (heute: faïence), für: vaisselle de faenze = Geschirr aus (der ital. Stadt) Faenza]:
farbig od. weiß glasierte, bemalte Tonware:
Delfter -n.
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Fayence
[fa'jãs, französisch] die, -/-n, Tonware, deren poröser roter oder ockerfarbener Scherben mit einer farbigen oder weiß deckenden Glasur überzogen ist. Zum Trüben der Glasur dient Zinnoxid. Der Name Fayence stammt von der italienischen Stadt Faenza, die im 15. Jahrhundert Mittelpunkt der Fayencenherstellung war. Majolika (abgeleitet von dem Haupthandelsplatz der spanischen Fayencenerzeugung, der Insel Mallorca) bezeichnet dasselbe. Halbfayencen oder Mezzomajoliken sind Tonwaren, deren unedler, missfarbiger Scherben mit einem Anguss (Engobe) von Tonschlamm dünn überzogen und mit einer durchsichtigen Bleiglasur überschmolzen ist.
Bei der Fayencenherstellung werden die Stücke aus einem durch Schlämmen gereinigten Gemenge verschiedener eisen- und stark kalkhaltiger Tonsorten geformt, getrocknet, bei etwa 900 ºC gebrannt und nach dem Erkalten in das zinndioxidhaltige Glasurbad getaucht. Die Glasurmasse bleibt, da das Wasser aufgesaugt wird, als weißer Überzug auf der Oberfläche haften und schmilzt bei einem zweiten Brand von etwa 1 100 ºC zur Glasur. Für das farbige Dekor gibt es zwei Möglichkeiten: Die Scharffeuerfarben, die wegen der hohen Temperatur auf Blau, Gelb, Grün, Rot, Braun und Schwarz beschränkt sind, werden vor dem Glasurbrand aufgetragen und sinken beim Brand in die Glasur ein. Um den Glanz der Farben zu erhöhen, können die Stücke vor oder nach dem Glasurbrand eine zusätzliche Bleiglasur erhalten. Die Muffelfarben, die eine breitere Farbpalette bieten, werden auf die fertig glasierten Stücke in einem schwachen dritten Brand aufgebrannt. Wenn ein metallisch schimmernder Lüster erzielt werden soll, wird das glasierte Stück mit Schwefel-, Kupfer- oder Silberoxid und Ocker überzogen und nochmals leicht gebrannt.
In der Archäologie bezeichnet Fayence ein Material, das aus nicht sehr fester Masse besteht, die mit einem dünnen Glasurüberzug versehen ist. Die durch Brand bei nicht über 870 ºC gewonnene kristalline Masse setzt sich nach chemischer Analyse aus rd. 94-98 % Sand, 2 % Kalk und 0,5-1 % Soda zusammen. Ausgangsmaterial war silikatreicher Kieselsand. Die Glasurmasse (Fritte) besteht aus denselben, jedoch sehr fein vermahlenen Substanzen sowie farbgebenden Metallverbindungen; sie wurde in Wasser angerührt, aufgetragen und das Gefäß nochmals gebrannt. Früher unterschied man zwischen ägyptischer Fayence und mesopotamischer Fritte, was aber nicht aufrechtzuerhalten ist (die Bezeichnung Fritte anstelle von Fayence ist weiterhin zu finden). Unter echter Fritte wird archäologisch eigentlich nur Ägyptischblau verstanden.
Fayenceperlen, die offenbar Lapislazuli und Türkise ersetzten, finden sich im 5./4. Jahrtausend v. Chr. etwa gleichzeitig in Nordsyrien (Tell Halaf) und Ägypten (Negadekultur I), die Produktion erreichte im frühen 3. Jahrtausend in der Djemdet-Nasr-Zeit (Djemdet Nasr) ihren Höhepunkt (Perlen, Anhänger, Siegel, erste Gefäße); die Fayence verbreitete sich in ganz Mesopotamien und der Ägäis; Fayenceperlen wurden in der frühen Bronzezeit bis nach Ungarn und Britannien gehandelt. Eine neue Blütezeit der Fayencen (Figürchen, Gefäße und Perlen) gab es Mitte des 2. Jahrtausends, in der Baukunst trat in Vorderasien in der 2. Hälfte des 2. Jahrtausends die Wandverkleidung mit glasierten Fliesen auf (Dur-Untasch), im 1. Jahrtausend v. Chr. in der assyrischen Kunst (Kalach), Fayenceverkleidungen schmückten das Ischtartor von Babylon und in Iran die Wände persischer Paläste (Susa).
In der islamischen Kunst Mesopotamiens tritt im 9. und 10. Jahrhundert n. Chr. die Lüsterfayence auf mit metallisch schillerndem Dekor auf weißem Fayencegrund. Fundort ist Samarra, Herstellungsort vermutlich Bagdad. Den künstlerischen Höhepunkt der Lüsterfayencen in Ägypten bilden die figürlich bemalten Gefäße der Fatimidenzeit. In Iran wurde seit dem 12. Jahrhundert die Technik der Bemalung mit Lüsterfarben auf den neuen weißen Quarzfrittescherben angewendet. Der Lüsterdekor wurde auf weißer und auch auf kobaltblauer bis türkisgrüner Fayenceglasur aufgebracht. Zentren waren Kaschan und Raj; der Herstellungsort der späteren iranischen Lüsterfayencen des 17. Jahrhunderts im Safawidenstil (Schah-Abbas-Ware) ist nicht bekannt. Im 13. Jahrhundert war auch Kairo ein Zentrum für Gefäßfayencen, seit dem 14. Jahrhundert Südspanien. Die Architekturkeramik, bei der eine bemalte Keramikplatte nach der Bemalung mit Glasurfarben zu Kacheln zerschnitten wird (Fayencemosaik), trat um 1220 in Konya in Inneranatolien auf, hergestellt wurden diese Fayencefliesen aber anscheinend in Kaschan in Persien. Aus Kaschan selbst ist eine Lüstermihrab von 1226 erhalten (Berlin, Museum für Islamische Kunst). Die Farbskala, zunächst hellblau, dunkelblau, braun und schwarz, wurde unter den Timuriden in Persien erheblich erweitert. Die Baukeramik verbreitete sich im gesamten islamischen Raum, bis nach Spanien (Alhambra) und Konstantinopel. Produktionszentrum der osmanischen Fayencefliesen wurde İznik.
Mit den Arabern gelangte die Fayence nach Spanien, wo v. a. ein prächtiger Lüsterdekor ausgebildet wurde. Málaga und Valencia waren die Hauptsitze der spanisch-maurischen Fayenceindustrie, die ihren maurischen Charakter besonders in der Kacheldekoration zum Teil bis in das 16. Jahrhundert bewahrt hat (Alicatados, Azulejos). Die Balearen, besonders Mallorca, übernahmen die Einfuhr nach Italien. Aus Anfängen des 14. Jahrhunderts entwickelte sich hier in der Renaissance die Fayencekunst mit bedeutenden Werkstätten wie Faenza, Urbino, Deruta (bei Perugia). Florenz nahm eine besondere Stellung ein durch die Fayenceplastik der Della Robbia. Eine Nachblüte erlebte die italienische Fayence um 1700 in Castelli. - Von Italien aus gelangte die Fayence nach Frankreich, wo sich im 17. und 18. Jahrhundert besonders in den Fabriken von Rouen, Nevers, Moustiers und Marseille-Sainte-Marie (Département Alpes-de-Haute Provence), Straßburg ein eigener Dekorationsstil ausbildete, und nach den Niederlanden, wo sie seit dem 16. Jahrhundert, besonders in Delft seit dem 17. Jahrhundert, als Nachahmung chinesischer Porzellane gepflegt wurde und Weltruhm erlangte; von Delft aus wurden die ersten deutschen Fabriken gegründet (Hanau 1661, Frankfurt am Main 1662). In rascher Folge entstanden als fürstliche oder private Unternehmen fast 90 Manufakturen, u. a. in Berlin, Kassel, Braunschweig, Ansbach, Nürnberg, Bayreuth, Durlach (heute zu Karlsruhe), Fulda, Künersberg (heute zu Memmingerberg, Landkreis Unterallgäu) und Höchst (heute zu Frankfurt am Main). Gegen die stärker werdende Konkurrenz des edleren Porzellans, v. a. aber gegen das seit dem Ende des 18. Jahrhunderts von England aus den Kontinent überflutende Steingut konnte sich die Fayence zu Beginn des 19. Jahrhunderts nicht mehr durchsetzen. Im Kunsthandwerk des Jugendstils hat sie wieder an Bedeutung gewonnen.
F. Jaennicke: Hb. der Porzellan-, Steingut- u. F.-Malerei. .. (1891, Nachdr. 1986);
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»Muffelbrand u. scharfes Feuer«. 250 Jahre Künersberger F.n, hg. v. H.-W. Bayer (1995).
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Universal-Lexikon. 2012.