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Kassel
Kạs|sel:
Stadt an der Fulda.

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Kạssel,
 
1) kreisfreie Stadt in Hessen, beiderseits der Fulda im hügeligen Kasseler Becken und auf der Ostabdachung des Habichtswalds, 169 m über dem Meeresspiegel, 196 200 Einwohner. Kassel ist die einzige Großstadt Nordhessens und dessen Verwaltungs-, Wirtschafts- und Kulturzentrum; Verwaltungssitz des Regierungsbezirks und des Landkreises Kassel sowie der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck; Sitz des Bundessozialgerichts sowie des Hessischen Verwaltungsgerichts; Gesamthochschule, Fach- und Berufsfachschulen, Lehr- und Versuchsanstalt für Gartenbau; Staatstheater, Museen (u. a. Staatliche Kunstsammlungen, Hessisches Landesmuseum, Deutsches Tapetenmuseum, Brüder-Grimm-Museum); Gesamthochschulbibliothek Kassel Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel; botanischer Garten, Thermalsolebad. In Kassel finden die »documenta« (seit 1955) sowie die Kasseler Musiktage statt. In der Industrie sind v. a. Fahrzeugbau, Maschinenbau (u. a. für die Nahrungsmittel-, die chemische und die Holzindustrie) sowie Elektroindustrie (u. a. Bau von Stromerzeugungsanlagen) vertreten. Kraftwerk (144 MW); Bahnknotenpunkt; Regionalflugplatz Kassel-Calden.
 
Stadtbild:
 
Wieder aufgebaut wurden nach dem Zweiten Weltkrieg u. a. die Martinskirche (ehemalige Stiftskirche, 14./15. Jahrhundert) mit dem Grabmal Philipps des Grossmütigen, die Kirche (1292-1376) des ehemaligen Karmeliterklosters (heute evangelische Brüderkirche), das ehemalige Elisabethhospital (1586/87), der Marstall (1591-93; heute Markthalle), die Karlskirche (1698-1710, von J. P. Du Ry), das Fridericianum am Friedrichsplatz (1769-76 von S. L. Du Ry; heute Ausstellungsräume), das ehemalige Palais Bellevue (1714 von J. P. Du Ry erbaut, 1790 von S. L. Du Ry umgebaut) sowie das Orangerieschloss (1702-10), dessen westliche Eckpavillons, das Marmorbad (1722-28) und der Küchenpavillon (1765/66 von S. L. Du Ry), erhalten geblieben waren. Der unter Mitwirkung von A. le Nôtre angelegte Park Karlsaue wurde 1954 für die Bundesgartenschau umgestaltet. Kassel-Wilhelmshöhe ist eine seit dem Ende des 17. Jahrhunderts geschaffene Anlage mit einem dreiflügeligen Schloss (ehemaliges Doppelkloster Weißenstein der Augustiner, 1143-1528). Der Neubau des Schlosses erfolgte 1786 ff. durch Landgraf Wilhelm IX. (seit 1803 Kurfürst Wilhelm I.); N- und Südflügel wurden 1786 ff. von S. L. Du Ry ausgeführt, der Mittelbau entstand 1791-98. Im Park, der im 18. Jahrhundert zum Landschaftsgarten umgestaltet wurde, befindet sich das über einer Kaskade aufragende »Riesenschloss« (1718) mit der Statue des Herkules (1713-17), dem Wahrzeichen der Stadt; die Löwenburg wurde 1793-1801 von Heinrich C. Jussow als gotische Burgruine erbaut, sie besitzt jedoch bewohnbare Teile. - Das Altenheim am Aschrottpark (1930-32) stammt von Otto Haesler, die Schütz-Schule (1930) von H. Tessenow. Die katholische Pfarrkirche Sankt Bonifatius errichtete 1956/57 Josef Bieling, die Maria-Fatima-Kirche 1958/59 G. Böhm. Das Wohngebiet »documenta Urbana« im Stadtteil Dönche entstand 1979-82 unter internationaler Beteiligung. Ein Industriedenkmal ist das ehemalige Gießhaus (1836/37) der Firma Henschel in der Unterstadt. Der Hauptbahnhof ist seit 1995 auch Zentrum für Film, Medien und Kunst (»Kulturbahnhof«). Der Münchener Architekt Stephan Braunfels erhielt den Auftrag für Sanierung und Umbau der Gemäldegalerie in Schloss Wilhelmshöhe (1996/97 ff.).
 
Geschichte:
 
Kassel, 913 erstmals als Königshof Chassạlla urkundlich erwähnt, wurde bereits vor 1170 als Stadt bezeichnet. Seit 1277 war es Sitz der Landgrafen von Hessen. Vor 1283 wurde rechts der Fulda die Unterneustadt, um 1330 nordwestlich der Altstadt die Freiheit angelegt. 1373 vereinigten sich die drei Städte. Seit 1523 wurde Kassel zu einer der stärksten deutschen Festungen ausgebaut. Die Reformation fand 1527 Eingang. Seit 1688 ließ Landgraf Karl Hugenotten in der eigens für sie gegründeten Oberneustadt ansiedeln. Seit 1803 war Kassel Hauptstadt des Kurfürstentums Hessen, 1807-13 des Königreichs Westfalen. 1866 wurde die Stadt preußisch und war bis 1944 Hauptstadt der Provinz Hessen-Nassau. - Im 19. Jahrhundert trat neben die traditionelle Textilindustrie (v. a. Leinenweberei) der Maschinenbau; führend wurde nach 1843 die Lokomotivenfertigung. Die Umstellung dieser Fabriken auf die Rüstungsindustrie bedingte die starke Zerstörung Kassels (über 78 %) während des Zweiten Weltkriegs.
 
Literatur:
 
W. Baumbach: K. Ursprung in Urkunden u. Legenden (1966);
 G. Gömann: Art u. Umfang der Urbanisation im Raume K. (1978);
 H.-C. Dittscheid: K.-Wilhelmshöhe u. die Krise des Schloßbaues am Ende des Ancien Régime (1987).
 
 2) nördlichster Landkreis Hessens, 1 293 km2, 245 600 Einwohner. Das Kreisgebiet liegt zwischen Hohem Meißner und Waldecker Tafelland; es umfasst das fruchtbare Kasseler Becken und das Wolfhagener Becken, den dazwischen liegenden Habichtswald mit seinen isolierten Basaltbergen am Westrand sowie den Reinhardswald im N. Im Norden leitet das ackerbaulich genutzte Diemelland über zur Warburger Börde.
 
 3) Regierungsbezirk in Hessen, 8 289 km2, 1,269 Mio. Einwohner, umfasst die Landkreise Fulda, Hersfeld-Rotenburg, Kassel, Schwalm-Eder, Waldeck-Frankenberg, Werra-Meißner sowie die Stadt Kassel.
 

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Kạs|sel: Stadt an der Fulda: *ab nach K.! (ugs. veraltend; ab [mit dir, mit euch, damit o. Ä.]!; Kassel war der Sammelplatz der hessischen Soldaten, die während des amerikanischen Unabhängigkeitskriegs an Großbritannien verkauft wurden).

Universal-Lexikon. 2012.