Mitwirkung; Verstrickung; Einbindung; Einschluss; Beteiligung; Teilhabe; Anteilnahme; Teilnahme; Verwicklung; Mitbestimmung
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Par|ti|zi|pa|ti|on 〈f. 20; unz.〉 das Partizipieren, Teilnahme [<lat. participatio „Teilnahme“]
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Par|ti|zi|pa|ti|on, die; -, -en [spätlat. participatio] (bildungsspr.):
das Teilhaben, Teilnehmen, Beteiligtsein.
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Partizipation
[spätlateinisch participatio, zu lateinisch particeps »teilhabend«] die, -/-en, alltagssprachlich Bezeichnung für die mehr oder minder anerkannte beziehungsweise berechtigte Teilhabe einer Person oder Gruppe an Entscheidungsprozessen oder Handlungsabläufen in übergeordneten Organisationen und Strukturen; in der Politikwissenschaft u. a. Bereichen wie der Organisationssoziologie für »ein auf kollektive Ziele hin orientiertes soziales Verhalten, das in einem komplexen Zusammenspiel zwischen institutionellen Strukturen, konkreten politischen Ereignissen, Gruppeneinbindungen und individuellen Merkmalen zustande kommt« (M. Kaase). Hier wird der Begriff Partizipation nicht nur auf politische Systeme, Wahlen oder Parteien, sondern auch auf andere Organisationsformen (z. B. Gewerkschaften, Vereine) und andere gesellschaftliche Teilsysteme bezogen.
Zunächst war der Begriff auf die Mitwirkungsmöglichkeiten von Individuen an Entscheidungsprozessen und Repräsentationsvorgängen in eher formellen Strukturen und Organisationen (Wahlsystem, Verwaltungshandeln und -entscheidungen) gerichtet, sodass Partizipation als Verhalten im Rahmen vorgegebener Rechte und Möglichkeiten gesehen wurde (z. B. Beteiligung an Wahlen, Engagement in Wahlkämpfen, Mitgliedschaft in politischen Parteien). Entsprechend wurden direkte und indirekte, konventionelle und unkonventionelle Formen der Partizipation unterschieden, deren Grenzen durch die Vorgabe der Legalität oder im Verzicht auf politisch beziehbares Handeln gesehen wurden. Inzwischen werden gerade auch die unkonventionellen und innovativen, ja teilweise auch die illegalen Möglichkeiten politischer oder gruppenspezifischer Beteiligung (z. B. Mitwirkung an Bürgerprotesten, Bürgerinitiativen, »wilde Streiks«, ziviler Ungehorsam) als Formen von Partizipation diskutiert.
Für diese Veränderungen spielt die Geschichte der Partizipationsforschung eine wichtige Rolle, die nach dem Zweiten Weltkrieg unter den Bedingungen des Ost-West-Konflikts zunächst im Zusammenhang der politischen Kulturforschung die Beteiligungsmöglichkeiten und -interessen der Bürger innerhalb der westlichen Demokratien erforschte und sich hierbei auf die Angebote konzentrierte, die die jeweiligen politischen Systeme boten (Wählen, Teilnahme an Wahlkampagnen, Parteimitgliedschaften, politische Kontakte, Nutzung von Massenmedien zur Meinungsbildung). Erst die Erscheinungen der studentischen Protestbewegung Ende der 1960er-Jahre, die Bürgerprotestbewegungen der 70er-Jahre (z. B. Ökologiebewegung) und nachhaltig die Forderungen nach stärkerer Repräsentation benachteiligter Bevölkerungsgruppen (z. B. Frauenbewegung, Forderung nach kommunalem Wahlrecht für Ausländer), die zunächst nur als Krisensymptome innerhalb der jeweiligen politischen Systeme wahrgenommen wurden, weiteten dann den Blick dafür, dass auch alternative Formen politische Meinungs- und Entscheidungsbildung als Partizipation angesehen werden können. War Partizipation zunächst eine der Funktionen des politischen Systems, so wurde sie bald als Ergänzung, ja als Erweiterung der Demokratie verstanden und konnte zudem als Innovation beziehungsweise als Korrektiv und Kontrast zu bestehenden Beteiligungsmodellen und Entscheidungsstrukturen aufgefasst werden.
Entsprechend variieren Modelle und Typologien der Partizipation zwischen eher politikwissenschaftlichen, gesellschaftsbezogenen oder verhaltensorientierten Ansätzen. So stellt U. von Alemann v. a. die Perspektive der Erweiterungsmöglichkeiten von Demokratie heraus: 1) die verfasste, institutionalisierte Erweiterung politischer Kontroll- und Einflussrechte, z. B. kommunale Bürgerentscheide; 2) die verfasste Erweiterung der Teilhabe an Entscheidungen in anderen gesellschaftlichen Bereichen, z. B. betriebliche Mitbestimmung; 3) die nicht verfasste, zum Teil spontane politisch-gesellschaftliche Beteiligung, z. B. Bürgerinitiativen; 4) die nicht verfasste Gegenmachtbildung, z. B. ziviler Ungehorsam. Dagegen nennt F. Vilmar fünf sich in ihren Wirkungen steigernde Stufen der Partizipation: Mitsprache, Mitwirkung, Mitbestimmung, Selbstbestimmung und Vetomacht; bei der letztgenannten Stufe fasst er v. a. Partizipationsformen im Bereich der Wirtschaft und der Betriebe ins Auge.
Im Verwaltungshandeln finden sich neben der Partizipationsform der Anhörung zur Beteiligung der von einer Entscheidung möglicherweise betroffenen Bürger zum Teil noch weitere, allerdings nicht überall realisierte Formen der Partizipation (Bürgerantrag, Bürgerbegehren) sowie die verfasste Beteiligung bestimmter Interessen- und Sachverständigengruppen (z. B. Rundfunk- und Fernsehräte, Ausländerbeiräte). Im Anschluss an die älteren Modelle, die direkte, konventionelle und unkonventionelle Formen der Partizipation unterschieden, hat H.-M. Uehlinger schließlich fünf Typen herausgearbeitet, die sich im Besonderen zur äquivalenten Erfassung konventioneller und unkonventioneller Partizipationsformen eignen und der vergleichenden Erforschung politischer Prozesse eine Grundlage bieten: 1) Staatsbürgerrolle (z. B. Wählen); 2) von der Besonderheit eines bestimmten Problems aus entwickelte Partizipationsformen; 3) Partizipation, die sich am Handeln von Parteien orientiert; 4) Beteiligung an illegalen Aktionen beziehungsweise an Formen zivilen Ungehorsams; 5) das Ausüben von Gewalt als Form einer Beteiligung an politischen Handeln, das zugleich dessen Rahmenbedingungen und Grundlagen sprengt.
Als Wertmaßstab hinsichtlich der Stellung der Bürger zu einem politischen System ist Partizipation grundlegend mit den Vorstellungen und der Geschichte der europäischen Aufklärung und Demokratietheorie verbunden und kann hier im Sinne K. Mannheims als Folge und Bearbeitungsmuster einer die Gesellschaften der europäischen Neuzeit durchziehenden und sie prägenden »Fundamentalpolitisierung« gesehen werden. In dem Maße, in dem innerhalb der genannten Entwicklungen der »westlichen« Gesellschaften seit 1945 zunächst die Orientierung an politischen Institutionen den Ausschlag gab und dann durch die stärkeren Initiativen von gesellschaftlichen Gruppen und z. B. neuen sozialen Bewegungen aufgeweicht wurde, hat sich das Interesse an Partizipation zunehmend auch den individuellen Voraussetzungen und Rahmenbedingungen von Partizipation zugewandt und damit zugleich weitere gesellschaftliche Handlungsbereiche in den Blick gebracht. Als Voraussetzungen von Partizipation und Partizipationschancen werden u. a. Sozialisation und Persönlichkeit, institutionelle Muster und Gegebenheiten, Formen und Möglichkeiten von Öffentlichkeit und Kommunikation sowie nicht zuletzt spezifischer Elemente der Herrschaftsstruktur herangezogen. Damit treten in der Untersuchung von Partizipation wie auch ihrer Formen und ihrer Bedeutung z. B. Alter, Geschlecht und Bildung als nachhaltig wirksame Faktoren in den Blick.
In der gegenwärtigen Diskussion wird Partizipation v. a. unter drei Aspekten gesehen: Zum einen haben der Systemumbruch in Mittel- und Osteuropa ab 1989/90 und die hieran sich anschließenden Prozesse gesellschaftlicher Transformation das Interesse auch auf die Beteiligungsmöglichkeiten und -chancen der einzelnen Bürger gelenkt und zugleich die Frage institutioneller Vorgaben und Absicherungen für Partizipation aufgeworfen. Hier ist u. a. festgestellt worden, dass die Möglichkeiten der Partizipation im Hinblick auf die Gestaltung der politischen Systeme - entgegen dem, was in der öffentlichen Wahrnehmung von Bedeutung war (z. B. Demonstrationen, Lichterketten, Streiks) - bisher eine bedeutend geringere Rolle gespielt haben als angenommen, während in wesentlichen Bereichen von einem Austausch der Eliten gesprochen werden muss. Ein zweites Diskussionsthema ergibt sich durch die z. B. in Wahlmüdigkeit und in stagnierenden Mitgliederzahlen politischer Parteien zum Ausdruck kommenden Erscheinungen eines wachsenden Verzichts der Bürger auf herkömmlichen Partizipationschancen und eines entsprechenden Desinteresses an den Partizipationsstrukturen der politischen Systeme in den demokratisch verfassten Gesellschaften des Westens. Dieser Befund wird aber drittens auch verstanden als Beleg für Partizipationsvorstellungen und Partizipationsmuster des traditionellen politischen Feldes auf andere gesellschaftliche Handlungsbereiche, z. B. Familie, Ehe, Schule, Arbeitswelt, Stadtteil, ethnische Gruppierungen (»Subpolitik«, U. Beck).
G. Zimpel: Der beschäftigte Mensch. Beitr. zur sozialen u. polit. P. (1970);
P., Demokratisierung, Mitbestimmung. Problemstellung u. Lit. in Politik, Wirtschaft, Bildung u. Wiss. Eine Einf., hg. v. U. von Alemann (21978);
S. Verba u. a.: Participation and political equality. A seven-nation comparison (Cambridge 1978, Nachdr. ebd. 1980);
K. R. Allerbeck: Polit. Ungleichheit. Ein Acht-Nationen-Vergleich (1980);
M. Schmitz: P. Überlegungen zu einer histor. Rekonstruktion des Begriffs, in: Bürgerbeteiligung u. kommunale Demokratie, hg. v. O. W. Gabriel (1983);
H.-D. Klingemann: Formen, Bestimmungsgründe u. Konsequenzen polit. Beteiligung. Ein Forschungsbericht (1985);
H.-M. Uehlinger: Polit. P. in der Bundesrepublik (1988);
P. Q. Hirst: Representative democracy and its limits (Oxford 1990);
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Par|ti|zi|pa|ti|on, die; -, -en [spätlat. participatio] (bildungsspr.): das Teilhaben, Teilnehmen, Beteiligtsein: Ihre (= der jungen Frauen) politische P. ist ... unbefriedigend (Rheinpfalz 19. 6. 93, 34).
Universal-Lexikon. 2012.