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Chemnitz
Karl-Marx-Stadt (veraltet)

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Chem|nitz ['kɛm… ]:
Stadt in Sachsen.

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I
Chẹmnitz
 
[k-],
 
 1) -90 Karl-Mạrx-Stadt, kreisfreie Stadt im Erzgebirgsvorland, Sachsen, am Nordrand des Erzgebirges, in waldreicher Umgebung an der Chemnitz, 309 m über dem Meeresspiegel, 263 200 Einwohner; Verwaltungssitz des Regierungsbezirks Chemnitz; wissenschaftliches, geistig-kulturelles und wirtschaftliches Zentrum in der am dichtesten besiedelten Region von Sachsen mit TU Chemnitz-Zwickau (1836 als Hochschule gegründet), zwei Fraunhofer-Institute (für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik sowie für Zuverlässigkeit und Mikrointegration), Technologie-Centrum Chemnitz, Städtische Kunstsammlungen (u. a. mit bedeutender Werksammlung K. Schmidt-Rottluffs, Textil-, Kunstgewerbe-, Plakat- und Tapetensammlung), Naturkundemuseum mit »Versteinertem Wald« (verkieselte Baumstämme), Schlossberg- und Sächsisches Industriemuseum, Deutsches Spielemuseum. Die wichtigsten Industriezweige sind Maschinen- (besonders Textilmaschinen), Motoren-, Fahrradbau, Fertigung hydraulischer Anlagen, elektrotechnische, Metallwaren- und Textilindustrie.
 
Stadtbild:
 
Der altstädtische Kern wurde 1945 durch Luftangriffe weitgehend zerstört. Beim Wiederaufbau wurden nur wenige alte Bauwerke, wie Altes Rathaus (15.-17. Jahrhundert, mit reich gestaltetem Portal von 1559), Roter Turm (mittelalterliche Eigenbefestigung, 12.-15. Jahrhundert) und Ensemble am Theaterplatz, wiederhergestellt. Neben der Errichtung neuer Wohngebiete und Industrieanlagen spielte die Gestaltung des Stadtzentrums eine wesentliche Rolle. Die Straße der Nationen (1957-66) und der ehemalige Karl-Marx-Platz (Bebauung in mehreren Etappen 1957-79) mit Stadthalle, Hotelhochhaus und staatlichen Verwaltungsbauten sowie dem Karl-Marx-Monument (von L. Kerbel, 1971 eingeweiht) wurden als Beispiele »sozialistischen Städtebaus« unter Denkmalschutz gestellt. - Im Norden des Stadtkerns befindet sich die Schlosskirche (15./16. Jahrhundert, unter Einbeziehung von Bauteilen des romanischen Vorgängerbaus), die ehemalige Klosterkirche einer 1136 gegründeten Benediktinerabtei (Reste der Anlage erhalten). Sie beherbergt bedeutende Kunstschätze, u. a. von H. Witten das Astwerkportal (1503-05, 1525 von Franz Maidburg vollendet; heute an der südlichen Innenwand der Kirche) und die Geißelsäule (1515) sowie von Lucas Cranach dem Älteren und seiner Werkstatt Altartafeln. Mitte des 19. Jahrhunderts waren die Stadtmauer und -tore niedergerissen worden, die Stadt entwickelte sich zur sächsischen Industriemetropole (»Rußchemnitz«). Es entstanden Arbeiterwohnviertel, zum Teil in strenger Karreebebauung, und im Norden und Westen der Stadt Villenviertel mit Bauten u. a. von H. van de Velde. Geschlossene Gründerzeitviertel sind auf dem Sonnenberg und dem Kaßberg erhalten. Um 1900 wurden im Zentrum bedeutende Gebäude errichtet: das Neue Rathaus (1907-11; von Richard Möbius, im Innern ein Wandbild von M. Klinger); die Jugendstilfassade (1911-12) der mittelalterlichen Jacobikirche; das Ensemble am Theaterplatz mit Opernhaus und König-Albert-Museum (1906-09; von Möbius); die Warenhäuser Tietz (1912/13; von W. Kreis) und Schocken (1928-30; von E. Mendelsohn) sowie der Saalbau der Kreuzkirche (1936) von O. Bartning. - Im Stadtteil Ebersdorf spätgotische ehemalige Stiftskirche (Anfang 15. Jahrhundert) mit wertvoller Ausstattung, u. a. Schnitzaltar (1513) und Kruzifix (1513) von H. Witten. In modernen Architekturformen entstand die neue Synagoge (2002 eingeweiht; Architekt: Alfred Jacoby).
 
Geschichte:
 
Die 1136 gegründete und bis 1538 reichsunmittelbare Benediktinerabtei (1546 säkularisiert) erhielt 1143 das Privileg zur Gründung eines Fernhandelsmarkts (urkundliche Ersterwähnung), dessen Lage an der Kreuzung von Fernhandelsstraßen zur Gründung der Stadt Chemnitz in der Nähe des Benediktinerklosters führte (vermutlich nach 1170 erfolgt). Diese entwickelte sich im ersten Drittel des 13. Jahrhunderts zur planmäßig angelegten Stadt, zunächst als Reichsstadt (1216 als ein Zentrum des Pleißenlandes bezeichnet, 1290/91 urkundliche Bestätigung des Reichsstadtcharakters), seit 1308 endgültig unter der Herrschaft der Wettiner (1485 Albertinische Linie). Neben dem Fernhandel trugen das landesherrliche Bleichmonopol (1357) sowie Leinenweberei und durch oberdeutsches Kapital geförderte Barchentherstellung (ab 1532) zur wirtschaftlichen Entwicklung der Stadt bei. Durch den aufblühenden erzgebirg. Bergbau entstanden Anfang des 16. Jahrhunderts mehrere Montanbetriebe; 1531-55 lebte G. Agricola in Chemnitz (zeitweise auch Bürgermeister). Nach den Zerstörungen des Dreißigjährigen Krieges (1618-48) lebte die Leinenweberei rasch wieder auf, seit 1770 erfolgte die Gründung von Manufakturen. Die Aufstellung mechanischer Webstühle in den 1820er-Jahren leitete die industrielle Phase ein: Im Gefolge der Textilproduktion entwickelte sich Chemnitz zu einem Zentrum der Maschinenbauindustrie in Deutschland.; Chemnitz wurde zur ersten Fabrik- sowie zur zweiten Handelsstadt von Sachsen und erhielt den Namen »sächsisches Manchester«. Ab Mitte/Ende des 19. Jahrhunderts war Chemnitz eine Hochburg der organisierten Arbeiterbewegung, ab 1900 Sitz einer Kreishauptmannschaft (Regierungsbezirk); im Zweiten Weltkrieg, besonders am 5. 3. 1945, wurde die gesamte Innenstadt durch angloamerikanische Bombenangriffe zerstört. - Die 1953 in Karl-Marx-Stadt umbenannte Stadt war 1952-90 Verwaltungszentrum des gleichnamigen DDR-Bezirks; seit 1990 ist sie Verwaltungssitz eines Regierungsbezirks.
 
 
Literatur:
 
Karl-Marx-Stadt, hg. v. H. Bräuer u. a. (1988);
 
C. Ein Rundgang durch die Stadt, Beitr. v. U. Werner-Petsch u. a. (1992);
 
C., hg. v. W. Weidlich (1992);
 
Industriearchitektur in C. 1890-1930, bearb. v. T. Richter, Ausst.-Kat. VOXXX-Galerie, Chemnitz (1995);
 
C., Stadtrekonstruktion - restructuring of the city, bearb. v. E. Miralles u. P. Cook (1995).
 
 2) Regierungsbezirk in Sachsen, umfasst Vogtland, Westliche Erzgebirge und sein Vorland sowie Bereiche des Mittelsächsischen Hügellandes, 6 097 km2, 1,6 Mio. Einwohner; umfasst (1994) die kreisfreien Städte Chemnitz (Verwaltungssitz), Plauen und Zwickau sowie die Landkreise Annaberg, Aue-Schwarzenberg, Vogtlandkreis, Chemnitzer Land, Freiberg, Mittlerer Erzgebirgskreis, Mittweida, Stollberg und Zwickauer Land.
 
II
Chẹmnitz
 
[k-],
 
 1) Bogislaw Philipp von (seit 1648), Historiker und Publizist, * Stettin 9. 5. 1605, ✝ auf seinem Gut Hallstad (Schweden) 17. 5. 1678, Enkel von 2); seit 1644 schwedischer Reichshistoriograph. Sein unter dem Decknamen Hippolithus a Lapide veröffentlichter Abriss der deutschen Reichsverfassung verficht mit heftiger Polemik gegen das Haus Habsburg und dessen monarch. Ansprüche die Selbstständigkeit der Reichsstände und die Auffassung des Reichs als Fürstenaristokratie.
 
Werke: Hippolithus a Lapide: Dissertatio de ratione status in imperio nostro Romano-Germanico (1640, möglicherweise von 1642 oder 1643 zurückdatiert); Der königlich schwedische in Teutschland geführte Krieg, 2 Bände (1648-53, neu herausgegeben von F. A. DahlgrenDer königlich schwedische in Teutschland geführte Krieg, 6 Bände, 1855-59).
 
Literatur:
 
R. Hoke: Staatsräson u. Reichsverf. bei Hippolithus a Lapide; in: Staatsräson. Studien zur Gesch. eines polit. Begriffs, hg. v. R. Schnur (1975).
 
 2) Martin, lutherischer Theologe, * Treuenbrietzen 9. 11. 1522, ✝ Braunschweig 8. 4. 1586; studierte in Frankfurt/Oder und Wittenberg (bei P. Melanchthon), wurde 1550 Bibliothekar in Königsberg (Pr), 1554 Pfarrer und 1567 Superintendent in Braunschweig. Am Aufbau der Landeskirche von Braunschweig-Wolfenbüttel und an der Gründung der Universität Helmstedt (1576) beteiligt, arbeitete er führend an der Konkordienformel mit. In seiner theologischen Haltung ein Schüler Melanchthons, kehrte Chemnitz in der Abendmahlslehre zu M. Luther zurück. Dem Einfluss des Jesuitenordens trat er entgegen und verfasste eine kritische Darstellung des Konzils von Trient.
 

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Chem|nitz ['kɛm...]: Stadt in Sachsen.

Universal-Lexikon. 2012.