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Melanchthon
Melạnchthon,
 
Philipp, eigentlich P. Schwạrzert, reformatorischer Theologe, Humanist, * Bretten 16. 2. 1497, ✝ Wittenberg 19. 4. 1560; war seit 1514 Magister und Lehrer für alte Sprachen in Tübingen, seit 1518 auf Empfehlung seines Großonkels J. Reuchlin Professor der griechischen Sprache in Wittenberg. 1519 schloss sich Melanchthon der Reformation an und wurde der engste Mitarbeiter M. Luthers. Er begleitete ihn zur Leipziger Disputation (1519) und veröffentlichte 1521 die erste systematische Darstellung der reformatorischen Theologie (»Loci communes rerum theologicarum«; Neubearbeitungen 1535, 1543 und 1559). Im Jahr 1529 nahm er am Marburger Religionsgespräch teil und war auch an den Religionsgesprächen in Worms (1540) und Regensburg (1541) beteiligt. Sein Anliegen war dabei stets, die Reformen unter bewusstem Verzicht auf Gewalt durchzusetzen und die Einheit der abendländischen Kirche zu erhalten. Dem entsprach seine entgegenkommende Haltung auf dem Augsburger Reichstag (1530) sowie später gegenüber den Katholiken im Leipziger Interim (1548). Das auf Melanchthon zurückgehende Augsburgische Bekenntnis (1530), die Apologie der Augustana (1530/31) und die Schrift »Tractatus de potestate papae« (1537) zählen zu den grundlegenden Bekenntnisschriften der Reformation. In deren Konsolidierungsphase beeinflusste Melanchthon entscheidend die Organisation und Ausgestaltung des entstehenden evangelischen Kirchen- und Schulwesens (»Unterricht der Visitatoren«, 1527), wobei sein Verständnis der Rechtfertigungslehre und des Verhältnisses von Gesetz und Evangelium zum antinomistischen Streit mit J. Agricola führte. Bleibende Verdienste erlangte Melanchthon auch als Organisator des Hoch- und Lateinschulwesens, wofür er nach seinem Tod, gleichsam als Ehrentitel, »Praeceptor Germaniae« (Lehrer Deutschlands) genannt wurde.
 
Nach seinem anfänglich bedingungslosen Anschluss an Luther kam es im Lauf der Zusammenarbeit verstärkt auch zu Differenzen in Fragen der reformatorischen Theologie und der dauerhaften Sicherung der Ergebnisse der Reformation. In beiden Fragen war Melanchthon darauf bedacht, den christlichen mit dem humanistischen Denkansatz und die kirchliche Tradition mit der reformatorischen Neubesinnung zu verbinden. Der Wandel seiner theologischen Anschauungen zeigte sich besonders in seiner Deutung des Abendmahls sowie in seinem Verständnis des freien Willens und der guten Werke. Sein Bemühen um eine Verständigung mit den Katholiken während der Religionsgespräche in Worms und Regensburg blieb erfolglos. Die immer auf Ausgleich bedachte Haltung, wegen der er von Luther humorvoll »Bruder Leisetritt« genannt wurde und die ihm aus dem Lager der Reformatoren zum Teil heftige Kritik eintrug, behielt Melanchthon auch dann konsequent bei, als ihm nach Luthers Tod die Führungsrolle im Protestantismus zugefallen war. Dass es ihm in dieser Funktion nicht gelang, in den zwischen seinen Anhängern (Philippisten) und den Gnesiolutheranern nun aufgebrochenen und von beiden Seiten oft erbittert geführten Lehrstreitigkeiten um Luthers authentisches theologisches Erbe zu vermitteln (adiaphoristische Streitigkeiten), führte in seinen letzten Lebensjahren zunehmend zu innerer Enttäuschung und Verbitterung.
 
Ausgaben: Opera quae supersunt omnia, herausgegeben von C. G. Bretschneider und E. Bindseil, 28 Bände (1834-60, Nachdruck 1990); Supplementa Melanchthoniana, herausgegeben von O. Clemen u. a., 5 Bände (1910-26, Nachdruck 1968); Werke, herausgegeben von R. Stupperich, 9 Bände (1951-75); Melanchthons Briefwechsel. Kritische und kommentierte Gesamtausgabe, herausgegeben von H. Scheible, auf 76 Bände berechnet (1977 ff.); Loci Communes, herausgegeben von H. G. Pölmann (21997); Melanchthon deutsch, herausgegeben von M. Beyer u. a., 2 Bände (1997).
 
Literatur:
 
W. Hammer: Die M.-Forschung im Wandel der Jh., 3 Bde. (1967-81);
 S. Wiedenhofer: Formalstrukturen humanist. u. reformator. Theologie bei P. M., 2 Bde. (Bern 1976);
 H.-A. Stempel: M.s pädagog. Wirken (1979);
 W. Thüringer: Die M.-Hss. der Herzog-August-Bibliothek (1982);
 
Humanismus u. Wittenberger Reformation, hg. v. M. Beyer u. G. Wartenberg (1996);
 W. Maurer: Der junge M. zw. Humanismus u. Reformation, 2 Bde. (Neuausg. 1996);
 R. Stupperich: P. M. (1996);
 F. Pauli: Philipps. Ein Lehrer für Deutschland (21997);
 
P. M. Ein Wegbereiter der Ökumene, hg. v. J. Haustein (1997);
 H. Scheible: M. Eine Biogr. (1997);
 
Werk u. Rezeption P. M. in Univ. u. Schule bis ins 18. Jh., Herbergen der Christenheit: Sonder- II, hg. v. G. Wartenberg unter Mitarbeit v. M. Hein (1999);
 
Der Theologe M., hg. v. G. Frank (2000).
 

Universal-Lexikon. 2012.