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indische Kunst
ịndische Kunst,
 
im weiteren Sinn die auf dem indischen Subkontinent mit den heutigen Staaten Indien, Pakistan, Bangladesh und Sri Lanka sowie teilweise in Afghanistan und Nepal in mehr als vier Jahrtausenden entstandene Kunst, die jeweils nach Landschaft, Kulturphase und Religionszugehörigkeit unterschiedene, doch meist miteinander verwandte Werke aufweist. In ihrer Gesamtheit wird die indische Kunst heute nach rd. 150 Jahren archäologischer und kunsthistorischer Erforschung zu den bedeutenden Komplexen der Weltkunst gezählt. Der überwiegende Teil der indischen Kunst ist religiös bestimmt. Als ihre herausragenden Leistungen gelten die Verbildlichung innigster Kontemplation (wie in den Buddhadarstellungen) sowie Bilder von Praktiken sinnlicher Entrückung, die jeweils die verschiedenen Stufen geistiger Versenkung auf dem Weg zur Erlösung vom Kreislauf des Entstehens und Vergehens darstellen (erotische Kunst). Verbunden mit der Ausbreitung des Buddhismus und des Hinduismus über Teile Zentral- und O- sowie Südostasiens beeinflusste die indische Kunst weitgehend die Kunst dieser Länder.
 
Die indische Kunst im engeren Sinn umfasst die archaischen bis klassischen (3. Jahrhundert v. Chr. bis 6. Jahrhundert n. Chr.) sowie die spätklassisch-mittelalterlichen Stile (7.-13. Jahrhundert) mit den Hauptwerken der buddhistischen, jainistischen und hinduistischen Kunst in vielfältigen regionalen Ausprägungen. An sie schließen sich seit dem 12./13. Jahrhundert die indoislamischen Perioden (ausgenommen Teile Südindiens sowie Sri Lanka und Nepal) mit ihrem Höhepunkt in der Mogulzeit an, gefolgt von der durch europäische Einflüsse geprägten Neuzeit.
 
 Architektur und Bildhauerkunst
 
Um 500 v. Chr. setzte sich die »nördliche schwarz polierte Ware«, eine Feinkeramik mit metallisch glänzendem Überzug, gegenüber älteren Formen durch (Indien, Geschichte). Zur religiösen Kunst sind die seit dem 4. Jahrhundert v. Chr. wohl aus den Volkskulten heraus entstandenen, anfangs handgeformten, später teils gemodelten Terrakottastatuetten meist weiblichen Geschlechts zu zählen. Ihre stilistischen Charakteristika (Schmuckapplikationen, Augenform) weisen auf das Entstehen lokaler Kunstschulen wie Mathura hin. Die ersten monumentalen plastischen und architektonischen Werke der indischen Kunst hinterließ der Mauryaherrscher Ashoka. Es sind die durch persisch-achaimenidische Künstler geschaffenen oder beeinflussten, hochpolierten monolithischen Ediktsäulen aus Cunarsandstein mit Glockenkapitellen und bekrönenden Tierfiguren höchster plastischer Reife (Löwenkapitell von Sarnath) sowie die mit der gleichen Politur versehenen Barabarhöhlen.
 
In der frühbuddhistischen/frühhinduistischen Periode entwickelten sich unter den Dynastien der Shunga von Magadha und Ujjain, der Mitra von Mathura und der frühen Satavahana von Andhra die archaischen Kunststile der buddhistischen Stupas von Bharhut (um 100-75 v. Chr.) und Pauni sowie des Stupa von Sanchi (Stupa 2, um 100 v. Chr.), der Höhlenbauten von Bhaja und Pitalkhora mit den frühesten Caityahallen und Viharas (Klöster), an deren Fassaden großformatige Felsreliefs vorwiegend mythologische Szenen schildern, und der ersten steinernen Kultbilder der hinduistischen Kunst (u. a. des Balarama in Mathura) sowie der Volksreligionen (Yakshas und Nagas). Während die buddhistische Reliefkunst religiöse Lehren und Legenden (Jatakas) vermittelte, jedoch auf die anthropomorphe Darstellung des Buddha verzichtete, standen im Hinduismus von Anfang an die Götterbilder mit ihren jeweils charakteristischen ikonographischen Attributen, Hand- und Armhaltungen (Mudra), Symboltieren (Vahana) oder Ähnliches im Zentrum künstlerischen Schaffens. Vermutlich dienten volkskultisch-hinduistische Tempelbauten aus vergänglichen Materialien oder auch offene Kultstätten der Beherbergung damaliger Kultbilder. Kennzeichen des archaischen Skulpturenstils sind blockhafte, doch vitale Körperformen, eckige Posen und flache Modellierungen der Gesichter sowie ein flacher Reliefschnitt. Kleidung und Schmuck der Figuren wurden detailliert dargestellt, Rankenwerk und Lotusrosetten bildeten die seither üblichen Dekorationselemente an Stupazäunen.
 
Die Satavahana- und Kshatrapaperiode vom Ende des 1. Jahrhunderts v. Chr. bis zum 1./2. Jahrhundert n. Chr. führte zur Entfaltung der spätarchaischen Felsenarchitektur und -plastik im N-Dekhan (z. B. Karla, Nasik und Kanheri), der Stupabauten im östlichen Andhra (Amaravati) und zur Etablierung des hinduistischen Bilderkults. Shiva und später auch Vishnu bildeten sich als Hauptgottheiten heraus. Es entstanden theologisch komplexe Kultbilder wie der fünfköpfige Shiva (Pancavaktra) von Bhita (Uttar Pradesh), das Linga mit Shivafigur von Gudimallam (Andhra Pradesh). Parallel zu dieser Entwicklung traten nun in der bisher anikonischen Kunst der Buddhisten und Jainas, die nur Symbole des verehrten Wesens kannte, um die Zeitenwende die ersten anthropomorphen Bilder des Buddha und des Mahavira, des Begründers der Jainareligion, auf Relieftafeln auf. Die für die gesamte weitere Kulturgeschichte Indiens bedeutsame Hinwendung zur Bilderverehrung wurde begleitet von einem weniger archaischen neuen plastischen Stil, der durch schwellende Körperformen gekennzeichnet ist. In Mathura bezeugen viele Fragmente von Skulpturen und Bauten, teils mit Stifterinschriften der Kshatrapa, den künstlerischen Aufschwung.
 
In der Kushanaperiode vom 2. bis 3. Jahrhundert n. Chr. kam der frühhinduistische, jainistische und buddhistische Bilderkult in den beiden Kunstzentren Mathura und Gandhara zur vollen Entfaltung. Gandhara, in der vorgebirgigen Grenzregion des indischen Nordwesten gelegen, brachte fast ausschließlich buddhistische Kunst hervor. Zur Ausstattung der Kultanlagen dienten in grauem Schiefer gearbeitete Kultbilder und Szenenreliefs der Buddhalegende sowie synkretistische Schutzgottheiten baktrisch-indischer Herkunft. V. a. an Ziegelbauten wurde die Technik der Stuck- und Lehmplastik und der Wandmalerei auf Verputz angewendet, die über Gandhara hinaus nach Afghanistan (Hadda, Termes) und in den folgenden Jahrhunderten unter Aufnahme iranisch-sassanidischer Einflüsse (Bamian, Fondukistan) nach Zentralasien gelangte. Die von der westlichen Antike geprägte Gandharakunst stellte innerhalb der indischen Kunst eine Sonderentwicklung dar. Sie hatte stilistisch keine weit reichenden Konsequenzen für die indische Kunst, wohl aber für die in der Folgezeit entstandene buddhistische Kunst Zentralasiens. In Mathura dagegen wurden aus dem rötlichen Sikrisandstein Kultbilder rein indischer Prägung im Dienste aller indischen Religionen hergestellt. Aus der Notwendigkeit zu ikonographischer Vielfalt und nach theologischen Vorschriften entstanden die teils mehrköpfigen und vielarmigen hinduistischen Götterbilder mit ihren charakteristischen Merkmalen sowie die in kanonischen Stand- (Sthanakamurti) und Sitzhaltungen (Asana) sowie Meditationsgesten (Mudras) dargestellten Bildwerke Buddhas und Mahaviras. Außerhalb des Kushanareiches traten Amaravati und Nagarjunikonda als Kunstzentren hervor und strahlten bis auf die buddhistische Kunst Sri Lankas aus.
 
Guptaperiode
 
(320 n. Chr. bis Ende des 5. Jahrhunderts n. Chr.): Unter der Herrschaft der Gupta führte die Verfeinerung des spätkushanischen Skulpturenstils um die Mitte des 4. Jahrhunderts zur »klassischen« indischen Kunst. In Mathura und Sarnath gelang die Gestaltung des Buddhabildes mit vollendetem Ausdruck innerer Sammlung. Weiche Modellierung und ausgewogene Proportionen kennzeichnen auch die hinduistischen Werke wie z. B. die Darstellungen des asketischen Shiva oder der vielfältigen Erscheinungsformen des Vishnu. Der Bildreichtum wurde v. a. durch die Entfaltung der Tempelbaukunst gefördert. An Ziegeltempeln (Bhitargaon, Ahicchatra) sowie den ersten, noch klein dimensionierten Steintempeln (Marhia, Bhumara, Nachna Kuthara) wurden zunehmend Kultfiguren und Szenenreliefs angebracht. Einen Höhepunkt der Guptaarchitektur und -plastik bildet der Tempel von Deogarh, der auf die folgende Ausbildung des für den Tempelstil Nordindiens (Nagarastil) typischen kurvilinearen Tempelturms (Shikhara) verweist.
 
Südlich des Guptareiches entstanden im Dekhan seit dem 5.-6. Jahrhundert die buddhistischen Höhlenbauten von Ajanta mit den bedeutenden Wandmalereien.
 
Mittelalterliche Perioden (6.-13. Jahrhundert):
 
Unter den mittelalterlichen Dynastien Nordindiens, deren bedeutendste die Gurjara-Pratihara und Candella waren, wurden im ausgehenden 1. Jahrtausend die kanonische hinduistische Ikonographie sowie die Tempelarchitektur im Nagarastil voll ausgebildet. In Khajuraho entstanden die von schlanken Shikharas überragten und aus mehreren an die Cella gereihten Mandapas komponierten Tempel, deren hohe Sockel und Außenwände mit figurenreichen erotischen Reliefs überzogen sind. Wie in den teils vorausgehenden Tempeln Rajasthans (Osian, Kiradu, Nagda u. a.) zeichnete sich die abgetreppte Gliederung der Grundrisse in Risaliten bis in die Turmspitzen ab. Gemäß dem komplexen hinduistischen Pantheon wurde der Bautyp des Pancayatana bevorzugt. Unter der Solankidynastie bildeten sich im 10. bis 13. Jahrhundert neben hinduistischen Tempeln wie Modhera die seither ständig erweiterten jainistischen Pilgerstädte Gujarats (Abu, Girnar, Satrunjaya), deren zahlreiche marmorne Tempel von Relieffiguren und Ornamenten in höchster Detailliertheit bedeckt sind. Die Gestaltung der Körper und Gesichter verlor in der mittelalterlichen indischen Kunst ihre frühere organische Vitalität und verfiel in Schematismus und manierierte Posen. In Bengalen setzte sich der im 9./10. Jahrhundert begonnene detailreiche Stil der Palakunst in den shivaitisch-tantrischen Plastiken der Senadynastie bis zum Anfang des 13. Jahrhunderts fort.
 
Im Dekhan entstanden in den Hauptstädten der Calukya (Badami, Aihole und Pattadakal) vom 6. bis 8. Jahrhundert neben reich reliefierten hinduistischen Felsentempeln Gruppen von steinernen Freibautempeln, die teils dem Nagarastil in sich entwickelndem Stadium, teils dem Dravidastil angehören. Im N-Dekhan fand die Höhlenarchitektur und -plastik in Elura und Elephanta ihre Vollendung.
 
Nach Orissa im südöstlichen Indien gelangte der Nagaratempelstil von den Calukya über das Andhragebiet. Dabei wurden gewisse Einflüsse des südlichen Stils übernommen wie es die in Etagen aufsteigenden Pyramidendächer über den an die Cellaturmbauten (Deul) angeschlossenen Jagamohanas (Mandapas) der Tempel in Bhubaneswar verdeutlichen. Den Abschluss und Höhepunkt des Orissastils bildet der im 13. Jahrhundert als Tempelwagen (Ratha) gestaltete Sonnentempel in Konarak.
 
In Südindien begann mit der hinduistischen Höhlenarchitektur und dem aus deren Gesimsform herleitbaren Dravidatempelstil der Pallava seit dem 7. Jahrhundert (Tiruchirapalli, Mahabalipuram, Kanchipuram) eine kontinuierliche Stilentwicklung, die von der Pandyadynastie (monolithischer Felsentempel in Kalugumalai) übernommen und von den Cola seit dem 10.-11. Jahrhundert mit den großen Tempeln in Thanjavur, Gangaikondacolapuram und Darasaram weitergeführt wurde. Kennzeichnend für den Dravidastil wurde die horizontale Gliederung des Vimanaturms über der quadratischen Cella, der eine Pfeilerhalle vorgelagert war. Die Außenwände oberhalb der Sockelzone mit Relieffries wurden durch pilastergesäumte Figurennischen gegliedert. Die Torbauten (Gopura) der mehrfach erweiterten, ummauerten Tempelanlagen wuchsen unter den Cola und v. a. seit dem 12. Jahrhundert unter den Pandya und den spätdravidischen Nayak im 13. Jahrhundert in Höhe und Anzahl (Chidambaram, Madurai, Srirangam). Die südindische Plastik unterlag seit der Zeit der Pallava, die neben der Steinplastik (Felsreliefs von Mahabalipuram) die Bronzekunst mit grazilen, lebensnahen Kultfiguren auf einen Höhepunkt brachten, und der ihrem Stil folgenden Cola (Tempelfiguren aus Granit, Natarajabronzen) zunehmender Erstarrung. Als Sonderentwicklung sind die von detailreichen Reliefs überzogenen Tempel der Hoysaladynastie in Halebid, Belur und Somnathpur aus dem 12.-14. Jahrhundert zu nennen. Den Abschluss der originären Kunstentwicklung bilden die Paläste und Tempel der den muslimischen Eroberern trotzenden Könige von Vijayanagar im 16. Jahrhundert.
 
In der indoislamischen Periode (seit dem 12./13. Jahrhundert) entstanden nach dem Vorbild der persischen Buchmalerei eine islamische Miniaturmalerei sowie eine in der Frühzeit stark von indischen Architekten bestimmte Monumentalkunst. Die ersten Moscheen wurden aus Spolien hinduistischen oder jainistischen Tempel, z. B. in Ajmer und Delhi, errichtet. Auch die einheimische indische Kunst geriet zunehmend unter den Einfluss der von mehreren Dynastien nach Indien gebrachten islamischen Tradition. So wurden z. B. die Paläste der Mogulkaiser zum Vorbild hinduistischer Palastarchitektur. Der islamische Spitzbogen verdrängte den indischen Kielbogen. Anstelle der indischen Kragsteinkuppeln wurden indische Tempel mit von den islamischen Eroberern nach Indien gebrachten »echten« Kuppeln bedeckt.
 
In der Mogulzeit begann unter Akbar die monumentale Festungs-, Palast-, Mausoleums- und Gartenarchitektur, die sich durch Verwendung kostbarer Baumaterialien (roter Sandstein, weißer Marmor) auszeichnet (1556-1605 Bauten in Fatehpur-Sikri, Forts in Agra und Lahore, Mausoleum Humayuns in Delhi). Sie wurde von seinen Nachfolgern Jahangir (1605-27; Mausoleum Akbars in Sikandra bei Agra, Mausoleum Itimad-ud-Daulas in Agra), Shah Jahan (1628-59; Mausoleum Jahangirs bei Lahore, Perlmoschee und Palastbauten im Fort von Agra, »Rote Burg« und Jama Masjid in Delhi, Taj Mahal), der v. a. die elegant konturierten Zackenbögen populär machte, und Aurangseb (Badshahi Masjid in Lahore, Mausoleum der Rabia Daurani) fortgeführt. Die elf von 1707 bis 1858 regierenden Mogulkaiser setzten die Bautradition mit weniger kostbaren Materialien fort.
 
Nach der Unabhängigkeit entstand in Indien eine eigenständige Architektur, die zum Teil internationale Formensprache aufnahm. Sie wird v. a. vertreten durch Balkrishna V. Doshi (* 1927) und Charles M. Correa (* 1930) mit Wohnbauten in Hyderabad beziehungsweise in Delhi sowie durch Uttar C. Jain (*1934) mit öffentlichen Gebäuden wie z. B. der Universität in Jodhpur. Daneben wurde das Wirken internationaler Architekten für die Entwicklung der indischen Architektur bedeutsam (u. a. Le Corbusier in Chandigarh und Ahmadabad, L. Kahn in Ahmadabad ).
 
 Malerei
 
Die ältesten erhaltenen indischen Malereien sind, von prähistorischen Felszeichnungen abgesehen, Wandmalereien in den Caityas von Ajanta. In ihnen treten innerhalb einer Komposition die Handlungsträger (Personen oder Tiere) mehrmals auf (sie setzten also beim Betrachter eine textliche Vertrautheit voraus). Waren die Personen in der Frühphase relativ klein, so wuchsen sie in der Spätphase (etwa 7. Jahrhundert) zu lebens- bis überlebensgroßen Gestalten an. Mit Ajanta vergleichbare Wandmalereien sind in hinduistischen und jainistischen Höhlenanlagen und Freibautempeln, wenn auch oft nur fragmentarisch, im gesamten indischen Subkontinent und in Sri Lanka nachgewiesen. Alten ikonographischen Texten und Farbresten an Skulpturen, Holz- und Elfenbeinschnitzereien zufolge wurden auch Kultfiguren bemalt. Die literarischen Vorlagen der Malerei auf transportablen Bildträgern (Palmblatt, Rinde) sind weitaus älter als die ältesten erhaltenen illustrierten Manuskripte, für deren Vergänglichkeit das in großen Teilen Indiens herrschende feuchtheiße Klima verantwortlich ist. Die ältesten bebilderten Handschriften sind wiederum buddhistischen Ursprungs (etwa 10.-11. Jahrhundert). Entsprechende jainistische Handschriften aus vergleichbarer Zeit sind weitaus seltener belegt. Jedoch entstanden nach Zerschlagung der letzten buddhistischen Dynastien im 13. Jahrhundert v. a. in Gujarat zahlreiche illustrierte jainistische Manuskripte. Ab dem Ende des 14. Jahrhunderts wurde das bis dahin übliche Palmblatt allmählich durch Papier abgelöst, was eine Veränderung des Höhen- und Seitenverhältnisses zur Folge hatte: Die Manuskriptblätter verloren ihr längliches Format. Im 15. Jahrhundert dominierten die Farben Blau, Rot und Gold. Von nun an ließen auch hinduistische Auftraggeber ihre Texte illustrieren. Etwa gleichzeitig mit dieser Entwicklung entstanden illustrierte islamische Handschriften in den einzelnen Sultanaten, wobei das Hochformat bevorzugt wurde. Stellenweise vermischten sich zu Beginn des 16. Jahrhunderts stilistische Elemente der jainistischen Miniatur- und der Sultanatsmalerei, was die Entwicklung der frühen Rajputmalerei nicht unbeeinflusst ließ. Etwa ab 1560 wurde unter Akbar die zunächst stark persisch geprägte Mogulmalerei begründet, die im Laufe der Zeit in Wechselwirkung mit der Rajputmalerei geriet. Seit dem 17. Jahrhundert entstanden an den Höfen kleinerer hinduistischer Herrscher zahlreicher Provinzwerkstätten verschiedener Malschulen der Rajputmalerei. Bis Mitte des 19. Jahrhunderts arbeiteten einheimische Maler noch vereinzelt für ihre Kolonialherren (naturkundliche Studien). Gegen Ende des 19. Jahrhunderts erlebte die indische Malerei eine »Renaissance« unter A. Tagore und weiteren bengalischen Malern, die Stilelemente der Wandmalereien Ajantas und der Miniaturen gelegentlich zum Vorbild nahmen und eine künstlerisch niveauvolle Kunstrichtung entwickelten, die von europäischen Einflüssen weitgehend unabhängig sein wollte. Die heutige indische Malerei passt sich vielfach internationalen Strömungen an.
 
Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie v. a. auch in den folgenden Artikeln:
 
Bronzekunst · buddhistische Kunst · Felsentempel · hinduistische Kunst · Höhlentempel · Holzbau · Holzbildhauerei · Intarsien · jainistische Kunst · Moschee · Palast · Porträt · Relief · Stupa · Tempel · Terrakotta · Wandmalerei
 
Literatur:
 
Indien. Bilder aus den Ajanta-Felstempeln, Einf. v. M. Singh (1954);
 D. Barrett u. B. Gray: Ind. Malerei (a. d. Engl., Genf 1963);
 H. G. Franz: Buddhist. Kunst Indiens (Leipzig 1965);
 H. G. Franz: Hinduist. u. islam. Kunst Indiens (ebd. 1967);
 A. Volwahsen: Indien. Bauten der Hindus, Buddhisten u. Jains (1968);
 Propyläen-Kunstgesch., Bd. 16: H. Härtel u. J. Auboyer: Indien u. Südostasien (1971);
 H. Plaeschke: Buddhist. Kunst. Das Erbe Indiens (Wien 1972);
 H. Plaeschke: u. I. Plaeschke: Hinduist. Kunst (Leipzig 1978);
 
Ind. Felsentempel u. Höhlenklöster, hg. v. dens. (ebd. 1982);
 dens.: Frühe ind. Plastik (ebd. 1988);
 K. u. C.-M. Fischer: Ind. Baukunst islam. Zeit (1976);
 G. Michell: Der Hindu-Tempel (a. d. Engl., 1979);
 S. L. Huntington: The art of ancient India (New York 1985);
 M. Görgens: Kleine Gesch. der i. K. (1986);
 J. C. Harle: The art and architecture of the Indian subcontinent (Harmondsworth 1986);
 
Indian sculpture, bearb. v. P. Pal, 2 Bde. (Berkeley, Calif., 1986-88);
 H. Rau: Stilgesch. der i. K., 2 Bde. (Graz 1986-87);
 C. Sivaramamurti: Indien. Kunst u. Kultur (a. d. Frz., 1987);
 
Shastric traditions in Indian arts, hg. v. A. L. Dallapiccola, 2 Bde. (Stuttgart 1989);
 
Palast der Götter. 1500 Jahre Kunst aus Indien, Beitrr. v. P. Asthana u. a., übers. v. M. Pfeiffer, Ausst.-Kat. Schloss Charlottenburg Berlin (1992);
 R. Strasser: Die Mitte Indiens Madhya Pradesh (1992);
 
India. Art and culture 1300-1900, bearb. v. S. C. Welch, Ausst.-Kat. Metropolitan Museum of Art, New York (München 4 1993);
 S. P. Huyler: Die Bilder Indiens. Die Kunst der Frauen im Land der Götter (a. d. Engl., 1994);
 M. Delahoutre: I. K. Ursprung u. Entwicklung (a. d. Frz., 1996).
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
Höhlenmalereien und Miniaturen in Indien
 
indische Plastik: Von den Ashoka-Säulen zur Gupta-Kunst
 
indisches Kunsthandwerk: Stoffe, Batik und Kleinkunst
 
Taj Mahal und Perlmoschee: Meisterwerke indoislamischer Architektur
 
Buddha-Bild
 

Universal-Lexikon. 2012.