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Christologie
Chris|to|lo|gie 〈[ krıs-] f. 19; unz.〉 Lehre von der Person u. dem Werk Christi als des Gottmenschen [<Christus + grch. logos „Rede, Darstellung, Kunde“]

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Chris|to|lo|gie, die; -, -n [-logie] (Theol.):
Lehre der christlichen Theologie von der Person Christi.

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Christologie
 
[k-] die, -, die dogmatische Lehre von der Person Jesu Christi, wie sie im Neuen Testament angelegt und von der Kirche entfaltet worden ist. Im Gefolge der Trinitätslehre ergab sich für das altkirchliche Denken die Aufgabe zu beschreiben, wie Jesus Christus zugleich Gott und Mensch sein konnte.
 
Die Lehre entwickelte sich im Spannungsfeld entgegengesetzter Extreme. Die Ebioniten lehrten, Jesus sei bloß Mensch. Erst bei seiner Taufe habe er eine besondere Würde empfangen, indem der Christus auf ihn herabgestiegen sei (ähnlich der Adoptianismus und der Arianismus). Der Doketismus meinte: Jesus, der Erlöser, der Lichtbringer, könne nicht »Fleisch« sein. Was an ihm als menschliches Leben und Sterben wahrnehmbar ist, könne nur Schein sein. Das Göttliche »absorbiere« alles Menschliche. Die Großkirche hielt beide Auffassungen für häretisch. Ihr galt die göttliche und die menschliche Natur in Christus zu einer Einheit verbunden. Strittig war zunächst nur die begriffliche Erfassung dieser Glaubensaussage. Die antiochenische Schule suchte mit dem Gedanken der »Zusammenhaftung« der Naturen eine rational einsichtige Lösung. Sowohl das Göttliche als auch das Menschliche sollen ungeschmälert bleiben. Zwar lehrte man nicht zwei Söhne Gottes, jedoch war die Einheit nicht als substanzielle gedacht und somit die Tendenz zu einer »Trennungschristologie« angelegt (Nestorianismus). Die alexandrinische Schule (streitbarster Vertreter: Kyrill) sprach dagegen dem Menschsein Jesu keine eigene Wesenhaftigkeit zu. Dieses bleibt zwar unangetastet, wird aber von der Gottheit gleichsam umgriffen. Hier zeichnet sich ein doketisches Gefälle und eine Tendenz zum Monophysitismus ab.
 
Nach einer Reihe heftiger, auch (kirchen-)politisch geprägter Auseinandersetzungen (1. Phase: nestorianisch [428-433], 2. Phase: eutychianischer [448-451] Streit) kam es auf dem 4. ökumenischen Konzil in Chalkedon (451) zu einer Vermittlung. Die Beschlüsse der vorausgegangenen Konzile wurden aufgenommen und weitergeführt im sogenannten »Chalkedonense«, der wichtigsten Entscheidung im Rahmen kirchlicher Christologie überhaupt. Dieses Dogma behauptet sowohl die Einheit der Person Jesus Christus als auch seine Wesensgleichheit (Homousie) als Gott-Sohn mit dem Vater wie als Mensch mit den Menschen. Christus wird in zwei Naturen unvermischt, unverwandelt, ungetrennt und ungesondert erkannt. Mit den vier Negativbegriffen wurden Einseitigkeiten in beiden Richtungen ausgegrenzt. Das Sagbare blieb paradox. Gerade jene Offenheit brachte dem Symbol bleibende Anerkennung. Es eint bis heute die orthodoxe Ostkirche, die römisch-katholische und die evangelische Kirche.
 
Im MA wurde es von der Christologie her zum Gegenstand theologisch umfassender Auslegungsversuche, wie die Heilsbedeutung des Todes Jesu zu verstehen sei. Hier wie in den vorangegangenen Etappen der Lehrentwicklung zeigte sich, dass Christologie und Soteriologie in engem Zusammenhang stehen. Wie Christus verstanden wird und was als heilsam für den Menschen gilt, bedingt sich gegenseitig.
 
In der frühen Neuzeit überwog immer mehr das Interesse am historischen Jesus. Die Aufklärung in ihrer frühen (Sozinianer) und späteren Gestalt (H. S. Reimarus) nährte damit ihre Skepsis gegen die kirchliche Christologie; Christus wird unter Absehung von aller metaphysischen Religion zum ersten zuverlässigen, praktischen Lehrer der Unsterblichkeit (G. E. Lessing). Die Leugnung der Geschichtlichkeit Jesu (A. Drews) bildete in der radikalen Kritik eine seltene Ausnahme.
 
In den orthodoxen Kirchen wird im Rahmen der Bildertheologie die Ikone Christi als die abschließende Vollendung der Christologie geehrt.
 
Der moderne Protestantismus ist in seiner positiven Bemühung um eine Neufassung verschiedener Wege gegangen. F. E. D. Schleiermacher setzte sich von einer rationalistischen Theologie, die in Jesus nur ein moralisches Vorbild sah, bewusst ab. Entgegen der Tradition lag ihm aber nichts an der personalen Identität Jesu mit Gott. Vielmehr ist Jesus für ihn urbildlich Mensch, eine schöpferische Neusetzung Gottes. Er erlöse, indem er den Menschen aus seiner Gottvergessenheit befreit und in die Kräftigkeit seines Gottesbewusstseins aufnimmt.
 
Die heilsgeschichtliche Theologie erklärte Jesus als Erfüllung der biblischen Verheißungen und als Mitte der Geschichte. Das Problem des historischen Jesus wurde auch so gelöst, dass man das Zeugnis vom biblischen Christus als die eigentliche Wahrheit, das historische Jesusbild als konstruiert verstand (M. Kähler) oder dass man das biblische Jesusbild bereits als früheste Form der Christologie der werdenden Kirche begriff. Die gegenwärtige Problematik der Christologie ist dadurch gekennzeichnet, dass man sie entweder als Rechenschaft des kritischen modernen Denkens über den Glauben an Jesus versteht (Jesus, der wahre geschichtliche Mensch; existenztheologische Deutung: R. Bultmann, F. Gogarten) oder als den Inbegriff christlicher Theologie überhaupt, sodass die Lehre von Gott, von der Schöpfung, vom Menschen wie auch die Ethik von der Christologie her entfaltet wird (K. Barth). Eine besondere Form der Christologie ergibt sich aus dem Verständnis Christi als Schlüssel zur Geschichte (Hendrik Berkhof [* 1914], W. Pannenberg). Kosmische Christologie schließlich will der Bedrohung und Verelendung der Erde eine Christologie der Natur entgegenstellen. Der kommende Christus werde die Verwandlung der Natur zur ewigen Kenntlichkeit als Gottes Schöpfung vollbringen. Diese Dimension sei mit einzubeziehen, wenn eine therapeutische Christologie das Christusheil für den Menschen der Gegenwart und in die Widersprüche der wissenschaftlich-technischen Zivilisation hinein auf heilende Weise darstellen will (J. Moltmann).
 
Literatur:
 
H. R. Balz: Method. Probleme der neutestamentl. C. (1967);
 C. Andresen: Die Kirchen der alten Christenheit (1971);
 K.-H. Ohlig: Fundamental-C. (1987);
 J. Moltmann: Der Weg Jesu Christi (1989);
 W. Pannenberg: Grundzüge der C. (71990);
 W. Kasper: Jesus der Christus (111992);
 J. Moltmann: Der gekreuzigte Gott (61993);
 P. Hünermann: Jesus Christus. Gottes Wort in der Zeit. Eine systemat. C. (1994).
 

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Chris|to|lo|gie, die; -, -n [↑-logie] (Theol.): Lehre der christlichen Theologie von der Person Christi.

Universal-Lexikon. 2012.