So|zi|al|psy|cho|lo|gie 〈f. 19; unz.〉 Teil der Psychologie, der das Verhalten des Einzelnen gegenüber bzw. innerhalb der Gemeinschaft erforscht
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So|zi|al|psy|cho|lo|gie, die:
Teilgebiet sowohl der Soziologie als auch der Psychologie, das sich mit den Erlebnis- u. Verhaltensweisen unter dem Einfluss gesellschaftlicher Faktoren befasst.
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Sozialpsychologie,
Teildisziplin der empirisch-wissenschaftlichen Psychologie, die sich mit den sozialen Bedingungen und Konsequenzen des menschlichen Verhaltens befasst. Ähnlich wie die allgemeine Psychologie sucht die Sozialpsychologie nach Gesetzmäßigkeiten des Wahrnehmens, Denkens, Entscheidens, des Gedächtnisses, des motorischen und sprachlichen Verhaltens sowie der Motivation und Emotion. Während in der allgemeinen Psychologie jedoch möglichst neutrale, meist experimentell isolierte Bedingungen hergestellt werden, untersucht die Sozialpsychologie weitgehend die gleichen Aspekte menschlichen Verhaltens in ihrer teils komplexen Abhängigkeit von Einstellungen, Handlungszielen und Normen, Kultur-, Situations- und Persönlichkeitseinflüssen sowie Kommunikation und Interaktion in Gruppen. Demgemäß befasst sich sozialpsychologische Forschung nicht allein mit dem Verhalten von Individuen, sondern häufig auch mit größeren Untersuchungseinheiten (z. B. Paarbeziehungen, Familien, Geschlechtergruppen). Im Unterschied zur Soziologie werden jedoch zur theoretischen Erklärung meist intrapsych. Prozesse herangezogen. Ihrer Zielsetzung gemäß weist die Sozialpsychologie vielfältige interdisziplinäre Berührungen mit anderen Wissenschaften auf (z. B. Anthropologie, Linguistik, Verhaltensforschung, Sozialpsychiatrie, Ökonomie).
Die ideengeschichtlichen Ursprünge oder historisch frühere Ansätze sozialpsychologischen Denkens finden sich bereits im 19. Jahrhundert in der Massenpsychologie von G. Le Bon und in einflussreichen Arbeiten der Soziologen A. Comte und É. Durkheim. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts erschienen die ersten Lehrbücher für Sozialpsychologie des britischen Psychologen W. McDougall (»An introduction to social psychology«, 1908; deutsch »Grundlagen einer Sozialpsychologie«) und des amerikanischen Soziologen E. A. Ross (»Social psychology«, 1908). Etwa zur gleichen Zeit entstand in Deutschland die entwicklungstheoretisch orientierte vergleichende »Völkerpsychologie« von W. Wundt (10 Bände, 1900-20) und befasste sich S. Freud in mehreren Arbeiten mit dem Verhältnis des Individuums zu Kultur und Gesellschaft (»Totem und Tabu«, 1913; »Massenpsychologie und Ich-Analyse«, 1921). Die Sozialpsychologie ist in ihrer systematischen (d. h. durch Terminologie, Forschungsmethodik und Literatur vereinheitlichte) Form eine relativ junge Disziplin, die um 1930 v. a. mit der experimentellen Erforschung von Gruppenleistung und Gruppenstrukturen in den USA entstand. Einen prägenden Einfluss hatte dabei K. Lewin mit seinen Untersuchungen zur Feldabhängigkeit (d. h. dem sozialen und ökologischen Lebensraum) des menschlichen Verhaltens.
Theoriebildung:
Die gegenwärtige Sozialpsychologie umfasst in der Grundlagenforschung im Wesentlichen drei Gebiete: soziale Kognition, soziale Interaktion in Gruppen und die Wechselbeziehung von sozialen Situationen und Persönlichkeitsunterschieden. In der jüngeren Entwicklung sozialpsychologischer Theorien haben v. a. in den USA zunehmend kognitive Ansätze an Bedeutung gewonnen, die soziales Verhalten als Prozess der Informationsverarbeitung betrachten und durch Prinzipien des Wahrnehmens, Denkens, Urteilens und des Gedächtnisses erklären. Als »Attributionspsychologie« entwickelte sich ein umfangreiches Forschungsprogramm darüber, wie Menschen ihre eigenen und fremde Handlungen und Leistungen interpretieren und erklären und welche Auswirkungen diese »Attributionen« auf moralische Urteile, Konflikte, Emotionen, Rechtsprechung, Leistung und Gesundheit haben. In Europa wurde gegenüber den USA ein Schwerpunkt auf Theorien des Gruppenverhaltens gelegt, wobei in der Tradition von G. H. Mead die Wechselwirkung von Merkmalen der Persönlichkeit und der sozialen Situation v. a. in ihrer Auswirkung auf die Vorhersage des Verhaltens betont wird. Für die Theoriebildung und wissenschaftliche Systematisierung der Sozialpsychologie spielen daneben auch Erkenntnisse über die individuelle Motivation, gesellschaftliche Normen und strukturelle Gegebenheiten der sozialen Umwelt eine bestimmende Rolle.
Angewandte Sozialpsychologie:
Zu den ältesten Anwendungen sozialpsychologischer Forschung gehören die Leistung von Arbeitsgruppen als Funktion von Führungsstilen, die Sozialpsychologie von Augenzeugen vor Gericht sowie ethnische Stereotypien und Vorurteile. Nach dem Zweiten Weltkrieg standen besonders soziale und politische Einstellungen, argumentative Kommunikation, Gehorsam und Gruppenkonflikte im Mittelpunkt. Wichtige Anwendungen der Einstellungsforschung beziehen sich auf die Werbung, politische Meinungsbildung und soziale Werte. In den 1970er- und 80er-Jahren entwickelten sich weitere Schwerpunkte in der Konfliktforschung, im Gesundheitswesen, in der Umweltpsychologie, der Medienforschung und der Stressforschung. Aggressives und prosoziales Verhalten werden besonders in Abhängigkeit von sozialem Lernen und Vorbildern, Medienkonsum und emotionalen Reaktionen untersucht. Die Bereitschaft zu kooperativem Verhalten und Verständigung in Konfliktsituationen wird mithilfe experimenteller Spiele erforscht, die als Modelle realer Konflikte und Dilemmata dienen. Der Erwerb sozial und kulturell angepassten Verhaltens, die Sozialisation, bildet einen anderen zentralen Gegenstand der Sozialpsychologie ebenso wie die Entstehung und Auflösung von Ehe und Partnerschaft. Ein weites Anwendungsfeld für kognitive Sozialpsychologie stellt die Entscheidung im Kontext von Risiko oder Unsicherheit dar, beispielsweise Personal- oder Kaufentscheidungen, Rechtsprechung sowie politische und ökologische Entscheidungen. Im Mittelpunkt stehen hier die Leistungen und mehr noch die Fehlleistungen menschlicher Informationsverarbeitung, die das Denk- und Urteilsvermögen einschränken.
In der Überprüfung ihrer Theorien stützt sich die Sozialpsychologie v. a. auf die experimentelle Methode, wobei das Ziel darin liegt, beobachtete Phänomene möglichst ursächlich auf bestimmte Wirkfaktoren zurückführen zu können. Jedoch ist experimentelles Vorgehen in der angewandten Sozialpsychologie nicht zuletzt aus ethischen Gründen oftmals nicht möglich. Daneben werden systematische Beobachtung oder sprachliche Erhebungsmethoden benutzt wie Interviews, standardisierte Fragebogen, Persönlichkeits- und Einstellungstests oder Inhaltsanalysen von Texten, Tonband- oder Videoaufzeichnungen; zunehmend werden Videotechnik, Blickbewegungsanalysen, physiologische Messungen oder Computersimulation eingesetzt.
Handbook of social cognition, hg. v. R. S. Wyer u. a., 3 Bde. (Hillsdale, N. J., 1984);
S. Eine Einf., hg. v. W. Stroebe u. a. (a. d. Engl., 1990);
A. Thomas: Grundr. der S., 2 Bde. (1991-92);
U. Laucken: Individuum, Kultur, Gesellschaft. Eine Begriffsgesch. der S. (Bern 1994).
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So|zi|al|psy|cho|lo|gie, die: Teilgebiet sowohl der Soziologie als auch der Psychologie, das sich mit den Erlebnis- u. Verhaltensweisen unter dem Einfluss gesellschaftlicher Faktoren befasst.
Universal-Lexikon. 2012.