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Volkswirtschaft: Ökonomische Ideengeschichte von der Antike bis ins 18. Jahrhundert
Volkswirtschaft: Ökonomische Ideengeschichte von der Antike bis ins 18. Jahrhundert
 
Das Nachdenken über volkswirtschaftliche Zusammenhänge reicht zurück bis mindestens in die Antike. Die Beschäftigung mit den ökonomischen Ideen zurückliegender Jahrhunderte ist aus verschiedenen Gründen lohnend: Durch die Einordnung in den historischen Zusammenhang der Entstehungszeit wird besser verständlich, wie es zu der jeweiligen Akzentuierung einer Theorie kam. Außerdem wird dabei deutlich, dass zentrale Aussagen der Volkswirtschaftslehre abhängig vom Entwicklungsstand der menschlichen Gesellschaft sind. Schließlich aber bietet die volkswirtschaftliche Dogmengeschichte einen reichen Fundus an Ideen, von denen manche heute wieder eine Renaissance erleben.
 
 Antike: Skepsis gegenüber Gewinnstreben
 
Die Aussagen der griechischen Philosophen mit ökonomischem Bezug entstanden vor dem Hintergrund einer landwirtschaftlich ausgerichteten Gesellschaft, in der die Bürger der Stadtstaaten eine herausragende Rolle im politischen und wirtschaftlichen Entscheidungsprozess spielten. Im Mittelmeerraum wurde bereits ein umfangreicher Fernhandel betrieben.
 
Platon verwirft in seinem Werk »Politeia« (Der Staat) jegliches Gewinnstreben, weil sich für ihn Eigennutz stets gegen das Gemeinwohl richtet. Aristoteles unterscheidet zwischen dem Gebrauchswert eines Gutes, der aus dessen Nützlichkeit resultiert, und dem Tauschwert, also der Bewertung eines Gutes in Geld oder in Relation zu anderen Gütern. Geld stellt für Aristoteles keinen Wert an sich dar, weshalb er den Zins als den Gewinn für das Verleihen von Geld ablehnt.
 
 Mittelalter: Gerechter Preis und kanonisches Zinsverbot
 
Die Wirtschaftsordnung des Mittelalters war durch die Grundherrschaft und durch eine im Hoch- und Spätmittelalter wachsende Bedeutung der Städte geprägt. Der Scholastiker Thomas von Aquin beschäftigte sich vor diesem Hintergrund auch mit ökonomischen Fragen, allerdings ging es ihm vor allem um die Verträglichkeit wirtschaftlicher Phänomene mit der christlichen Lehre. In seiner Erörterung des gerechten Preises fordert er die Berücksichtigung der in ein Gut geflossenen Arbeit. Die Abneigung der Antike gegenüber dem Zins übernimmt Thomas. Im Kirchenrecht wird dieses Verbot verankert (kanonisches Zinsverbot) mit der Folge, dass die Christen den Juden das Geschäft des Geldverleihens überlassen. Der Zins wurde erst im Zuge der Reformation durch Johannes Calvin neu bewertet. Der Reformator rechtfertigt den Zins mit der Überlegung, dass man durch Geld ein Stück Land kaufen kann, das dann einen Ertrag abwirft. Mit dieser positiven Bewertung des Kapitals für die wirtschaftliche Entwicklung wurden in der Reformation wichtige Grundlagen für die Herausbildung des neuzeitlichen Wirtschaftslebens gelegt.
 
 Der Merkantilismus
 
Die unter dem Begriff des Merkantilismus zusammengefassten Denkrichtungen entstanden vor dem Hintergrund großer Umbrüche. Bereits im Mittelalter hatte die Arbeitsteilung an Bedeutung gewonnen und der Umfang von Handel und Geldwirtschaft zugenommen. Parallel dazu entstanden in Europa absolutistische Nationalstaaten, deren Herrscher vor allem die Macht und den Reichtum des Staates zu mehren suchten. Ohne noch über eine konsistente Theorie zu verfügen, gelangen die merkantilistischen Denker vom 16. bis zum 18. Jahrhundert zu einer Reihe von markanten wirtschaftspolitischen Schlussfolgerungen. Das Gewerbe ist staatlich zu fördern. Die Handelspolitik soll auch mithilfe von protektionistischen Maßnahmen auf eine Maximierung des Handelsbilanzüberschusses abzielen. Durch diesen Ansatz soll ein möglichst großer Vorrat an Gold und Silber im Land angehäuft werden, weil dieser maßgeblich für den Reichtum eines Landes ist. Durch Förderung des Zuzugs und des natürlichen Wachstums soll die Bevölkerung stetig wachsen, um ein zunehmendes Maß an billiger Arbeitskraft zur Mehrung des Reichtums verfügbar zu haben. Bei einem hohen Maß an Übereinstimmung gab es nationale Spielarten des Merkantilismus: In England den Bullionismus, in Frankreich den Colbertismus und in Deutschland den Kameralismus.
 
 Die Physiokraten
 
Der Franzose François Quesnay ist der Begründer der physiokratischen Denkrichtung. Der Begriff Physiokratie (Herrschaft der Natur) weist bereits auf den zentralen Gedanken dieser Schule hin: Einzig die Landwirtschaft ist wertschöpfend, weil sie den Güterbestand vermehrt. Handwerker und Manufakturen verändern lediglich bereits vorhandene Rohstoffe. Dementsprechend fordert Quesnay, die Landwirtschaft besonders zu fördern. Einen bleibenden Beitrag zur Volkswirtschaftslehre hat Quesnay auf methodischem Gebiet geliefert. In seinem Hauptwerk »Tableau économique« entwirft er ein Drei-Sektoren-Modell zur Abbildung des gesamtwirtschaftlichen Kreislaufs, das als Vorläufer der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR) betrachtet werden kann.

Universal-Lexikon. 2012.