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Materialismus
Ma|te|ri|a|lis|mus [materi̯a'lɪsmʊs], der; -:
1. (oft abwertend) materielle (b), auf Besitz und Gewinn bedachte Einstellung dem Leben gegenüber:
blanker, reiner Materialismus; in allem, was er tut, wird sein schnöder Materialismus erkennbar.
Syn.: Habgier (emotional), Habsucht (emotional).
2. Weltanschauung, die nur das Stoffliche als wirklich existierend, als Grund und Substanz der gesamten Wirklichkeit anerkennt und Seele und Geist als bloße Funktionen des Stofflichen betrachtet /Ggs. Idealismus/: der marxistische historische Materialismus.

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Ma|te|ri|a|lịs|mus 〈m.; -; unz.; Philos.〉 Lehre, dass das Stoffliche das allein Wirkliche in der Welt u. alles Nichtstoffliche (Geist, Seele usw.) nur als seine Eigenschaft u. Wirkung aufzufassen sei

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Ma|te|ri|a|lịs|mus, der; - [frz. matérialisme]:
1. (oft abwertend)↑ materielle (2 b), auf Besitz u. Gewinn bedachte Einstellung dem Leben gegenüber:
blanker, reiner M.
2. philosophische Lehre, die alles Wirkliche als Materie interpretiert od. von ihr ableitet:
der englische M.

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Materialịsmus
 
der, -, jedes philosophische Gedankengebäude, welches alles Ideelle (Geistiges, Seelisches, Denken, Psychisches, Bewusstsein) seiner Genese, Existenz, Geschichte sowie seinem Inhalt und Zweck nach als etwas ausgibt, das letztlich von Materiellem (also Nichtideellem) verursacht beziehungsweise bestimmt sei. Unter Voraussetzung dieser Grundthese betont eine Reihe von materialistischen Konzepten zugleich die große kulturelle und praktische Rolle des Ideellen.
 
Im Lauf der menschlichen Geschichte wurden materialistische Systeme mit unterschiedlichem Problembewusstsein, unterschiedlicher Beachtung der Wirklichkeit, mit verschiedenartiger Konsequenz, Konsistenz und Begründung vorgetragen. Insbesondere enthalten diese auch sehr differierende Aussagen darüber, was als Grundlage alles Wirklichen, als Materie also, zu gelten habe.
 
Materialistisches Gedankengebäude befinden sich im Gegensatz zu idealistischen Auffassungen. Für Letztere gibt es stets etwas Ideelles (Empfindungen, Seele, angeborene Ideen, Weltgeist, Gott usw.), das gegenüber der sonstigen Realität als autonom angesehen wird. Wichtige Gegenstände des Streites zwischen materialistischen und idealistischen Denkern waren beziehungsweise sind: die Entstehung des Menschen und seines Bewusstseins, das Verhältnis von Körper (Gehirn) und Bewusstsein, die Herkunft menschlicher Erkenntnisinhalte, der Zweck und die historische Bewegung menschlichen Erkennens, die für die Geschichte der Menschheit letztlich entscheidende Triebkraft u. a. Konsequent materialistisches Denken ist stets auch atheistisch. Es kann jedoch spätestens seit dem 19. Jahrhundert nicht mehr auf diesen Aspekt allein reduziert werden. Der atheistische Charakter materialistischen Denkens trat besonders dann hervor, wenn die religiöse Legitimation weltlicher Institutionen oder politischer Ziele fragwürdig wurde.
 
Materialistische Denkansätze begleiteten im antiken Griechenland bereits die Entstehungsphase der europäischen Philosophie. So ist für die Zeit des 7. bis 6. Jahrhunderts v. Chr. von der ionischen Naturphilosophie (Thales von Milet, Anaximenes u. a.) die Suche nach einem »Urstoff« überliefert, der als Wasser, Luft, Feuer usw. gedeutet wurde. In späteren vorchristlichen Jahrhunderten haben Demokrit, Epikur oder der römische Dichter Lukrez solche Ansätze weitergeführt und zu systematisieren versucht. Dabei wurden als Grundbausteine der gesamten Wirklichkeit (materielle) Atome behauptet - eine philosophische Hypothese, die auch weit später lebende Denker immer neu angeregt hat.
 
Im Mittelalter war materialistisches Denken insbesondere mit dem Nominalismus (z. B. im 14. Jahrhundert Wilhelm von Ockham) verbunden, der sich gegen eine unabhängige Daseinsweise von Allgemeinbegriffen (»Universalien«) wandte, d. h. gegen die Behauptung, solche Begriffe könnten vor den Dingen und Zusammenhängen existieren, auf die sie sich inhaltlich beziehen. Zu Beginn der Neuzeit wurden philosophische Konzepte vorgetragen, die materialistischem wie idealistischem Denken gleichermaßen gerecht werden wollten. R. Descartes ging im 17. Jahrhundert von zwei voneinander unabhängigen Substanzen aus, der materiellen und der geistigen. Theoretischen Schwierigkeiten seines Dualismus begegnete er u. a. damit, dass er die Existenz angeborener Ideen (etwa der Gottesidee) behauptete. Schüler Descartes' (z. B. N. Malebranche) bildeten seine Position u. a. zum »psychophysischen Parallelismus« fort. (Leib-Seele-Problem)
 
Konsequenter bekannten sich dagegen im 18. Jahrhundert viele bedeutende französische Denker zu materialistischen Positionen (J. O. de La Mettrie, D. Diderot, C. A. Helvétius, P. H. T. d'Holbach, P. J. G. Cabanis u. a.). Angeregt insbesondere durch J. Locke, B. de Spinoza u. a. suchten sie auch in philosophischen Teilbereichen wie der Erkenntnistheorie oder der Ethik materialistischen Prinzipien detailliert nachzugehen. Auch ist die berühmte, u. a. von Diderot initiierte und geleitete »Encyclopédie« (1751-80) spürbar durch einen materialistischen Geist mitgeprägt worden. Dabei wuchs auch das Bestreben, materialistisches und naturwissenschaftliches Denken eng miteinander zu verknüpfen, wobei besonders von der Physik I. Newtons ausgegangen wurde.
 
Mit dem Aufschwung der biologischen Wissenschaften im 19. Jahrhundert wurden diese zur bevorzugten Begründungsbasis materialistischen Denkens. Das trifft seit der Mitte des 19. Jahrhunderts besonders für die Biologen oder Mediziner C. Vogt, J. Moleschott, L. Büchner und später auch für E. Haeckel zu. Vogt, damals Zoologe an der Universität Gießen, erklärte 1847 in seinen »Physiologischen Briefen für Gebildete aller Stände«, dass, »um mich einigermaßen grob hier auszudrücken,. .. die Gedanken in demselben Verhältnis etwa zu dem Gehirne stehen wie die Galle zu der Leber oder der Urin zu den Nieren«. Äußerungen solcher Art lösten unter Gelehrten einen regelrechten »Materialismusstreit« aus, der besonders heftig 1854 auf der Göttinger Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte ausgetragen wurde. Seit der Veröffentlichung der darwinschen Evolutionstheorie 1859 dominierte diese als Grundlage materialistischen Denkens. Das fand v. a. in zahlreichen Schriften Haeckels Ausdruck. Philosophisch beriefen sich diese materialistisch gesinnten Wissenschaftler besonders auf L. Feuerbach.
 
Von Feuerbach beeinflusst war auch der von K. Marx und F. Engels begründete historische und dialektische Materialismus (Marxismus). Stärker noch knüpfte dieser aber ideengeschichtlich an das dialektische Denken im Idealismus G. W. F. Hegels an. Der marxistische Materialismus stellt in der Geschichte des materialistischen Denkens theoretisch wie praktisch einen deutlichen Einschnitt dar. Praktisch will er der proletarischen Bewegung eine gedankliche Basis bieten, theoretisch unternimmt er es, ganze Gesellschaftssysteme und den Verlauf der Menschheitsgeschichte überhaupt materialistisch zu begreifen. Mit der Arbeit (Praxis) als überlegter, zielbewusster materieller Tätigkeit sei auch die Menschheit entstanden und mit ihr historisch fortgeschritten. Die »materialistische Geschichtsauffassung« sucht so die Gesamtheit der in einer Gesellschaft lebendigen Ideen, das »gesellschaftliche Bewusstsein«, aus dem praktisch-materiellen Leben menschlicher Sozietäten zu begreifen. Die Ursachen für Erfolge und Fortschritte, aber auch für Missstände und Verirrungen menschlichen Bewusstseins seien letztlich dort zu suchen.
 
Die materialistische Geschichtsauffassung hat besonders nach der Wende zum 20. Jahrhundert viele Theoretiker selbst dann beeinflusst und angeregt, wenn diese sie insgesamt ablehnten (z. B. M. Scheler, M. Weber, K. Mannheim, R. K. Merton, T. S. Kuhn). Erst recht wurde sie mit dem Wirken von Wissenschaftlern und Künstlern deutlich, die sich als Marxisten bekannten (z. B. E. Bloch, G. Lukács, A. Gramsci, B. Brecht).
 
Bereits W. I. Lenin suchte den marxistischen Materialismus politisch zu instrumentalisieren, indem er dessen jeweilige Auslegung eng mit aktuellen Polemiken innerhalb seiner Partei verband (»Materialismus und Empiriokritizismus«, 1909). Solche Indienstnahme materialistischen Denkens als Legitimationsbasis politischen Handelns führte zur theoretischen und methodischen Verkümmerung und damit zur Vulgarisierung des materialistischen Denkens im Sowjetmarxismus.
 
Außerhalb des Sowjetmarxismus sind materialistische Konzepte v. a. auf naturwissenschaftlichem Gebiet als philosophisches Interpretationsmuster vorgetragen worden. So vertrat der argentinische Physiker und Philosoph Mario Bunge (* 1919) - in Polemik u. a. mit dem Neurophysiologen J. C. Eccles - ein materialistisches Verständnis des Leib-Seele-Verhältnisses. Für die Psychologie erlangte die von Klaus Holzkamp (* 1927) um 1970 begründete geschichtsmaterialistische Schule (»kritische Psychologie«) Einfluss.
 
Literatur:
 
F. A. Lange: Gesch. des M. u. Kritik seiner Bedeutung in der Gegenwart, 2 Bde. (Neuausg. 1974);
 W. Post u. Alfred Schmidt: Was ist M.? (1975);
 F. Gregory: Scientific materialism in 19th century Germany (Dordrecht u. a. 1977);
 F. Engels: Ludwig Feuerbach u. der Ausgang der klass. dt. Philosophie (Berlin-Ost 171981);
 E. Bloch: Das M.-Problem, seine Gesch. u. Substanz (Neuausg. 1985);
 O. Bloch: Le matérialisme (Paris 1985);
 M. Overmann: Der Ursprung des frz. M. Die Kontinuität materialist. Denkens von der Antike bis zur Aufklärung (1993);
 R. Steigerwald: Abschied vom M.? M. u. moderne Wiss. (1994).
 

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Ma|te|ri|a|lịs|mus, der; - [frz. matérialisme]: 1. (oft abwertend) materielle (2 b), auf Besitz u. Gewinn bedachte Einstellung dem Leben gegenüber: blanker, reiner M.; in allem, was er tut, wird sein schnöder M. erkennbar; Wann immer Kulturkritik über M. klagt, befördert sie den Glauben, die Sünde sei der Wunsch der Menschen nach Konsumgütern (Adorno, Prismen 14). 2. philosophische Lehre, die alles Wirkliche als Materie interpretiert od. von ihr ableitet: der englische M.; der M. Darwins; dialektischer M. (Lehre des Marxismus, die das Verhältnis des Bewusstseins zur objektiven Realität, die allgemeinen Gesetzmäßigkeiten der Natur, der Gesellschaft u. des Denkens sowie der Stellung des Menschen in der Welt unter dem Blickwinkel der wechselseitigen Durchdringung von ↑Dialektik 2 u. ↑Materialismus 2 betrachtet); historischer M. (von Marx u. Engels begründete philosophische Lehre, Geschichtsauffassung, -philosophie, nach der die menschliche Geschichte von den ökonomischen Verhältnissen, also das Sein des Menschen nicht von seinem Bewusstsein, sondern von seinen gesellschaftlichen Verhältnissen bestimmt wird); ethischer M. (Materialismus, für den die Befriedigung materieller Bedürfnisse, das Streben nach materiellen Gütern u. dem eigenen Nutzen das eigentliche Ideal der Menschen sind).

Universal-Lexikon. 2012.