Scheler,
Max, Philosoph, * München 22. 8. 1874, ✝ Frankfurt am Main 19. 5. 1928; war Schüler von R. Eucken, zuerst Privatdozent, dann freier Schriftsteller, ab 1919 Professor in Köln, 1928 in Frankfurt am Main. Schelers Philosophie (und Soziologie) war vielseitig und wandlungsreich. Nachdem er sich während seines Studiums dem Neukantianismus zugewandt hatte, schloss er sich in seinen ersten Schriften der Phänomenologie E. Husserls an. Insbesondere in der von F. Nietzsche beeinflussten Abhandlung »Das Ressentiment im Aufbau der Moralen« (in: »Vom Umsturz der Werte«, 21919) wies Scheler Strukturen auf, durch die das emotionale Leben in der modernen Gesellschaft entscheidend geprägt ist. In einer deutlichen Absetzung von der formalen Ethik I. Kants entwickelte er zudem eine materiale Wertethik, in der die sittlichen Werte als unwandelbare, objektive Wesenheiten dargestellt und in einem hierarchischen System geordnet werden (»Der Formalismus in der Ethik und die materiale Wertethik«, 2 Teile, 1913-16). Der Mensch kann Scheler zufolge diese Werte in Freiheit durch intentionales Fühlen erfassen. Nachdem Scheler 1899 vom jüdischen zum katholischen Glauben übergetreten war, setzte er sich in der zweiten Phase seines Denkens v. a. für eine vom Katholizismus und der platonisch-augustinischen Liebesidee getragene Haltung ein, die eine religiöse Erneuerung hervorrufen will. In einer dritten Phase löste sich Scheler vom Katholizismus, und es traten zunächst kulturelle und soziologische Fragen in den Vordergrund, besonders die Probleme der Wissenssoziologie, die Scheler mitbegründet hat, des Relativismus und der allgemeinen soziologischen Bedingungen höherer Kultur. Scheler zeigte den inneren Zusammenhang zwischen den Arten des Wissens und dem Ethos sozialer Gruppen auf (»Die Wissensformen und die Gesellschaft«, 1926). Mit der Abhandlung »Die Stellung des Menschen im Kosmos« (1928), die einen Einblick in seine unvollendet gebliebene Anthropologie gibt, wurde Scheler neben H. Plessner zum Begründer der philosophischen Anthropologie im engeren Sinne. In ihr zeigte Scheler auf, dass der Mensch in den systematischen Stufenbau der Natur durch Gefühlsdrang, Instinkt, assoziatives Gedächtnis, praktische Intelligenz organisch eingebunden ist und sich nur graduell vom Tier unterscheidet. Erst durch den Geist, der ein neues, jedem Leben entgegengesetztes Prinzip darstelle, könne ein Wesensunterschied aufgezeigt werden, durch den der Mensch eine »Sonderstellung im Kosmos« erhalte.
Weitere Werke: Zur Phänomenologie und Theorie der Sympathiegefühle und von Liebe und Haß (1913, ab 51948 unter dem Titel Wesen und Formen der Sympathie); Philosophische Weltanschauung (1929).
Ausgaben: Gesammelte Werke, herausgegeben von M. Scheler und M. S. Frings, auf mehrere Bände berechnet (1-61968 folgende); Schriften zur Anthropologie, herausgegeben von M. Arndt (1994).
E. Blessing: Das Ewige im Menschen (1954);
M. S. Frings: M. S. (Pittsburgh, Pa., 1965);
M. Uchiyama: Das Wertwidrige in der Ethik M. S.s (1966);
B. Rutishauser: M. S.s Phänomenologie des Fühlens (Bern 1969);
J. H. Nota: M. S. Der Mensch u. seine Philosophie (a. d. Engl. u. Niederländ., 1995).
Universal-Lexikon. 2012.