Akademik

Rolle
Person (Theater); Part; Möbelrolle; Laufrolle; Fahrrolle; Zweck; Aufgabe; Funktion; Laufrad; Trommel; Spule; Walze; Zylinder; Kusselkopp (umgangssprachlich); Salto; Purzelbaum; Flickflack; Überschlag

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Rol|le ['rɔlə], die; -, -n:
1.
a) Gestalt, die ein Künstler, eine Künstlerin im Theater oder im Film verkörpert:
er spielt, singt die Rolle des Königs; diese Rolle ist ihr geradezu auf den Leib geschneidert.
Syn.: Figur, Partie.
Zus.: Doppelrolle, Hauptrolle, Nebenrolle, Statistenrolle, Titelrolle.
b) Stellung, Funktion, [erwartetes] Verhalten innerhalb der Gesellschaft:
anerzogene Rollen; die Rolle der Frau; die Rollen tauschen; seiner Rolle als Vermittler nicht gewachsen sein.
Zus.: Führungsrolle, Vermittlerrolle, Vorreiterrolle.
2. Rad, Kugel oder Walze, worauf etwas rollt oder gleitet:
ein Tisch, Sessel auf Rollen; das Seil läuft über Rollen.
3. etwas, was so zusammengerollt ist, dass es einer Walze gleicht; etwas Walzenförmiges oder walzenförmig Aufgerolltes:
eine Rolle Klopapier, Klebeband; drei Rollen Bindfaden, Draht.
Zus.: Biskuitrolle, Drahtrolle, Garnrolle, Handtuchrolle, Kabelrolle, Papierrolle, Tapetenrolle, Teigrolle, Zwirnrolle.
4. Drehung um die quer zum Körper verlaufende Achse als Übung beim Turnen am Boden, Barren, Reck o. Ä.:
eine Rolle vorwärts, rückwärts.
Syn.: Purzelbaum.

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Rọl|le 〈f. 19
1. drehbarer, langgestreckter, massiver Körper mit rundem Querschnitt, Walze
2. drehbare Scheibe mit Rille am (senkrechten) Rand für das aufzuwickelnde od. entlanglaufende Seil, z. B. bei Flaschenzügen
3. etwas, das gerollt u. auf dem etwas anderes fortbewegt werden kann
4. Stab mit scheibenförmigen Verdickungen an jedem Ende zum Aufwickeln von Garn o. Ä. (Zwirns\Rolle)
5. etwas Gewickeltes, Zusammengerolltes (Papier\Rolle, Geld\Rolle)
6. 〈regional〉 = Mangel1
7. Film; TV; Rundfunk; Theater
7.1 Sprechtext eines Schauspielers
7.2 von einem Schauspieler darzustellende Gestalt
8. 〈Soziol.〉 Gesamtheit der Verhaltensweisen, die von einer Person innerhalb der Gesellschaft erwartet werden (Mutter\Rolle, Vater\Rolle)
9. 〈Sp.〉 Turnübung: Überschlag, Purzelbaum auf dem Boden od. über den Kasten
10. 〈Mar.〉 Einteilung der Schiffsbesatzung zu verschiedenen Dienstarten
11. Kunstflugfigur mit Drehung um die Längsachse des Flugzeugs
12. 〈Bgb.〉 senkrechter od. steil geneigter Grubenbau, in dem Fördergut zur nächstunteren Förderstrecke abgestürzt wird; Sy Rollloch
● eine \Rolle Draht, Garn, Nähseide, Papier, Zwirn; eine \Rolle Geldstücke ● er hat seine \Rolle ausgespielt 〈fig.〉 er hat nichts mehr zu sagen; ich muss noch meine \Rolle lernen; er spielt die \Rolle des Heldenvaters; du hast deine \Rolle gut gespielt 〈a. fig.〉 deine Sache gut gemacht; sie will immer eine große \Rolle spielen 〈fig.〉 sie will immer die wichtigste Person sein; er hat bei der Sache keine rühmliche \Rolle gespielt 〈fig.〉 sich nicht rühmlich benommen; es spielt keine \Rolle, ob ... 〈fig.〉 es ist nicht wichtig; bei einer Sache eine \Rolle spielen 〈fig.〉 an einer Sache beteiligt sein; Geld spielt bei ihm keine \Rolle 〈fig.〉 ist nicht wichtig, da er reich ist; die \Rollen tauschen, vertauschen (im Theater od. im Leben); sie hat die \Rolle der jugendlichen Liebhaberin übernommen 〈Theat.〉 ● er hat bei dieser Sache eine armselige, erbärmliche, klägliche \Rolle gespielt 〈fig.〉 er hat dabei versagt; eine führende, entscheidende, verhängnisvolle \Rolle spielen, eine kleine, umfangreiche, unbedeutende, wichtige \Rolle; die tragende \Rolle in diesem Stück spielt ...; das spielt nur eine untergeordnete \Rolle; ein Stück mit verteilten \Rollen lesen ● Kinderbetten, Schiebewände auf \Rollen; aus der \Rolle fallen steckenbleiben (vom Schauspieler); 〈fig.〉 steckenbleiben (vom Schauspieler); nach anfänglichen Schwierigkeiten hat sie sich in ihre \Rolle gefunden 〈fig.〉 ist sie ihrer Aufgabe gerecht, mit ihrer Situation fertiggeworden; eine \Rolle über den Kasten; (total) von der \Rolle sein 〈umg.〉 irritiert, durcheinander sein, sich in schlechten Verfassung befinden [<mhd. rolle, rulle „kleines Rad, kleine Scheibe od. Walze“, dann „rollenförmiger Gegenstand“ <afrz. rol(l)e (nfrz. rôle) „Rolle, Liste, Register“ <mlat. rotulus, rotula „Rädchen“; Verkleinerungsform zu lat. rotta „Rad“]

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Rọl|le , die; -, -n [mhd. rolle, rulle, urspr. = kleines Rad, kleine Scheibe od. Walze (in der Kanzleispr. = zusammengerolltes Schriftstück) < afrz. ro(l)le (= frz. rôle) = Rolle, Liste, Register < (spät)lat. rotulus, rotula = Rädchen; Rolle, Walze, Vkl. von: rota = Rad, Scheibe]:
1.
a) etw. Walzenförmiges, zu einer Walze (länglich mit rundem Querschnitt) Zusammengerolltes od. -gewickeltes:
eine R. Toilettenpapier, Raufasertapete, Garn, Drops;
eine R. verzinkter Draht/(geh.:) verzinkten Drahtes;
das Geld wird in -n verpackt;
den Faden von der R. abspulen;
b) Kugel, Walze, Rad, [mit einer Rille versehene] Scheibe, worauf etw. rollt od. gleitet:
ein Fernsehtisch, Teewagen auf -n;
das Seil des Flaschenzugs läuft über -n.
2. (landsch.) 2Mangel:
die Wäsche in die, zur R. geben;
jmdn. durch die R. drehen (2Mangel).
3.
a) (Turnen) Übung (am Boden, Barren, Schwebebalken o. Ä.), bei der der Körper vor- od. rückwärts um die eigene Querachse gedreht wird:
eine R. [vorwärts, rückwärts] machen, ausführen;
b) (Kunstfliegen) Figur, bei der sich das Flugzeug um seine Längsachse dreht:
eine R. fliegen.
4. (Radsport) leicht drehbare, hinten am Motorrad des Schrittmachers an einem Gestell befestigte Walze, die dem Radfahrer dichtes Mitfahren im Windschatten ermöglicht:
an der R. fahren;
von der R. sein, kommen (ugs.; nicht mehr mithalten können, den Anschluss verlieren);
jmdn. von der R. bringen (ugs.; dafür sorgen, dass jmd. nicht mehr mithalten kann).
5.
a) [nach dem urspr. auf Schriftrollen aufgezeichneten Probentext] von einem Schauspieler zu verkörpernde Gestalt:
eine wichtige, tragende, unbedeutende, kleine R.;
die R. der Julia ist ihr auf den Leib geschrieben;
diese R. ist falsch besetzt worden;
er hat in dem Film eine R. als Detektiv;
seine R. gut, schlecht spielen;
sie hat ihre R. (den Rollentext) schlecht gelernt;
ein Stück mit verteilten -n lesen;
Ü wir begnügen uns mit der R. des Zuschauers;
b) Stellung, [erwartetes] Verhalten innerhalb der Gesellschaft:
anerzogene -n;
die soziale R.;
die R. der Frau in Vergangenheit und Gegenwart;
die führende R. der Partei;
die -n in der Gesellschaft vertauschen;
er fühlte sich seiner R. als Vermittler nicht mehr gewachsen;
[gern] eine R. spielen mögen/wollen (großes Geltungsbedürfnis haben);
bei etw. eine R. spielen (an einer Sache in bestimmter Weise teilhaben, mitwirken);
[k]eine R. [für jmdn., etw./bei jmdm., einer Sache] spielen ([nicht] wichtig, [un]wesentlich [für jmdn., etw.] sein: das spielt doch keine R.!; die größte R. spielt für ihn, was die anderen dazu sagen; Geld spielt [bei ihr, dabei] keine R.);
aus der R. fallen (sich unpassend, ungehörig benehmen; vor anderen etw. sagen od. tun, was Missfallen erregt, weil es nicht dem erwarteten Verhalten entspricht; urspr. von einem Schauspieler, der die entsprechende Stelle in seiner Textrolle nicht findet);
sich in seine R. finden (geh.; sich mit seiner Lage u. Stellung abfinden, mit den gegebenen Verhältnissen fertigwerden);
sich in seiner R. gefallen (geh.; sich auf seine Stellung u. seinen Einfluss etw. einbilden);
sich in jmds. R. versetzen [können] (sich in jmds. Lage hineindenken [können]).

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I
Rolle
 
[mittelhochdeutsch rolle, rulle, ursprünglich »kleines Rad«, »Walze«, über altfranzösisch rol(l)e von (m)lateinisch rotulus, rotula »Rädchen«, »Rolle«, »Walze«, zu lateinisch rota »Rad«, »Scheibe«],
 
 1) Bergbau: Rollloch.
 
 2) Maschinenbau: 1) Konstruktionselement in Wälzlagern; 2) kleines Laufrad oder kleine Laufwalze mit Rille oder Nut am Umfang zur Führung von Seilen oder Ketten.
 
 3) Mechanik: Körper in Form einer kreisrunden, um ihre Achse drehbaren Scheibe oder Walze. Die Rolle zählt zu den einfachen Maschinen. Während die feste Rolle nur zur Umkehrung einer Kraftrichtung dient (aufzuwendende Kraft F = Last L), benutzt man lose Rollen in Verbindung mit festen Rolle zur Verkleinerung der Kraft bei Vergrößerung ihres Weges; die aufzuwendende Arbeit bleibt konstant. (Flaschenzug)
 
 
 4) Schifffahrt: die Aufgabenverteilung für die Besatzung eines Schiffes für bestimmte wiederkehrende Arbeiten, z. B. Reinschiffrolle, Manöverrolle, Feuerlöschrolle, Sicherheitsrolle.
 
 5) Soziologie: soziale Rolle, 1) die Summe von Erwartungen an ein soziales Verhalten eines Menschen, der eine bestimmte soziale Position innehat; 2) ein gesellschaftlich bereitgestelltes Verhaltensmuster, das erlernt und von einer Person in einer bestimmten Situation gewählt und ausgeführt werden kann oder werden muss. Neben der Nähe zu alltagssprachlichen Wendungen (»eine Rolle spielen«, »aus der Rolle fallen«), die bereits darauf hinweisen, dass im Rollenspiel sowohl ein anthropologisches Vermögen als auch eine sozial definierte Fähigkeit angesprochen werden und dass der Einzelne nur bedingt frei über Formen und Verhaltensweisen im gesellschaftlichen Zusammenhang entscheiden kann, gibt es zwei weitere wichtige Motive für die weite Verbreitung, die der Rollenbegriff v. a. seit den 1950er-Jahren (von den USA ausgehend) gewonnen hat. Zum einen bietet die Analyse von Verhalten mithilfe des Rollenkonzepts die Möglichkeit, soziales Verhalten empirisch überprüfbar zu untersuchen. Zum anderen ermöglicht der Rollenbegriff als »Elementarkategorie« der soziologischen Theoriebildung die soziologische Erforschung der sozialen Beziehungen, ohne dass auf vor- oder außerwissenschaftlichen, metaphysischen Voraussetzungen zurückgegriffen werden muss. Die Rollensoziologie hat ein umfangreiches begriffliches Instrumentarium zur Erfassung unterschiedlicher Rollenerwartungen entwickelt. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass die den einzelnen Rollen zugrunde liegenden Verhaltensmuster weder angeboren sind noch den Individuen zur freien Auswahl zur Verfügung stehen; sie werden vielmehr im Prozess der Sozialisation erlernt. Den Lebensphasen der Kindheit und Jugend sowie der Familie kommen als Vermittlungsinstanzen von Rollenbildern besondere Aufgaben und wissenschaftliche Beachtung zu. Zunächst wird das Individuum in der primären Sozialisation mit Rollenerwartungen konfrontiert, die sich auf Merkmale beziehen, die ihm zugeteilt sind und denen es sich nicht entziehen kann. Zu diesen Primärrollen oder zugeschriebenen Rollen gehören Verhaltenserwartungen, die sich z. B. auf Alter, Geschlecht, Familienzusammenhang oder Schichtzugehörigkeit beziehen; demgegenüber stehen erworbene Rollen oder Sekundärrollen (z. B. Berufsrolle), deren Auswahl und Erfüllung stärker von den Entscheidungen der Individuen selbst abhängen. In diesem Zusammenhang wird zwischen fundamentalen Rollen, den von einem Individuum notwendigerweise zu erfüllenden Erwartungen (Familien-, Berufs-, Geschlechtsrolle), und peripheren Rollen (z. B. in der Freizeit) unterschieden. Alle Rollen einer Person können als Rollensatz (R. K. Merton) oder Rollenkonfiguration (E. K. Scheuch), die einzelnen Erwartungen an eine Rolle als deren Elemente angesprochen werden. Widerstreitende Erwartungen an unterschiedlichen Rollen eines Menschen (z. B. Hausfrau und Mutter) werden dann als Interrollenkonflikt, widerstreitende Elemente einer Rolle, z. B. unterschiedliche Erwartungen von Eltern und Schülern an das Verhalten der Lehrerin, als Intrarollenkonflikt bezeichnet. Dabei hat die zunehmende soziale Differenzierung moderner Gesellschaften auch bezüglich der Rolle zu vervielfachten Mustern und Erwartungen geführt, sodass die Einzelnen gegenüber den vielgestaltigen Anforderungen nur auf der Basis einer gewissen Rollendistanz oder durch selektiven Umgang mit den unterschiedlichen Erwartungen angemessen handeln können. Insgesamt ist der Prozess des sozialen Wandels in modernen pluralistischen Gesellschaften auch mit dem Wandel von so genannten »klassischen« Rollenmustern (z. B. der Frau, aber auch des Mannes) und der Herausbildung neuer gesellschaftlicher Rollenmuster (z. B. der Single) verbunden.
 
Für die Entstehung des Rollenkonzepts zeichnen zwei sozialwissenschaftliche Denktraditionen verantwortlich: zum einen die der strukturell-funktionalen Theorie (T. Parsons), nach der soziale Systeme durch die Verteilung von Rollen, die mithilfe von Sozialisationsinstanzen, Internalisierung und Sanktionen den Individuen übertragen beziehungsweise von ihnen eingefordert werden, die Funktionsfähigkeit der jeweiligen Gesellschaft sicherzustellen bestrebt sind; zum anderen der symbolische Interaktionismus, der im Anschluss an G. H. Mead einen eher deskriptiven Rollenbegriff vertritt. Danach werden Rollen zwischen Individuen in einem Interaktionszusammenhang ausgehandelt und im Prozess der Sozialisation erlernt (so lernen Kinder geschlechtsspezifisches und kulturspezifisches Verhalten, das sie auch als Erwachsene ausführen können, in vielen Gesellschaften im Rahmen der Familie).
 
Literatur:
 
R. Dahrendorf: Homo sociologicus (151977);
 J. Habermas: Notizen zum Begriff der R.-Kompetenz, in: J. Habermas: Kultur u. Kritik (21977);
 
Soziale R. Ein soziolog. Studien- u. Arbeitsbuch, hg. v. M. Griese u. a. (1977);
 H. Joas: Die gegenwärtige Lage der soziolog. R.-Theorie (31978);
 G. H. Mead: Geist, Identität u. Gesellschaft aus der Sicht des Sozialbehaviorismus (a. d. Engl., 51983);
 N. Luhmann: Soziale Systeme (1984);
 H.-P. Bahrdt: Schlüsselbegriffe der Soziologie (31987);
 G. Eisermann: R. u. Maske (1991);
 C. Feldmann-Neubert: Frauenleitbild im Wandel 1948-1988. Von der Familienorientierung zur Doppelrolle (1991).
 
 6) Sport: 1) im Kunstflug eine Figur mit einmaligem Drehen des Flugzeugs um die Längsachse; 2) beim Kunstturnen, v. a. beim Bodenturnen, eine ganze Drehung vor- oder rückwärts um die Breitenachse des Körpers, Beine angehockt, Oberkörper nach vorn gebeugt. Eine Rolle vorwärts aus weitem, hohem Ansprung des gestreckten Körpers bei geschlossenen Beinen bezeichnet man als Hechtrolle. Am Barren wird die Rolle auch mit gestrecktem Körper geturnt, auf dem Schwebebalken zählt die frei geturnte Rolle vorwärts zu den Höchstschwierigkeiten.
 
 7) Theater, Film, Fernsehen: 1) von einem Schauspieler darzustellende Gestalt; 2) der dem einzelnen Darsteller zugeteilte Text. Früher zum Memorieren getrennt aufgezeichnet, heute jedoch meist aus den vollständigen Texten erarbeitet. Die Rollenfächer entstanden aus den Charaktermasken der Commedia dell'Arte und ergaben sich aus Kriterien wie Alters-, Geschlechts- und Gesellschaftszugehörigkeit. Weitere Einteilungen erfolgten nach Haupt- und Neben- (beziehungsweise Episoden-)Rollen, aber auch nach dramatischen Gattungen (z. B. komische und tragische Rollen). Unter dem wachsenden Einfluss der Regie hat das Rollenfach seine Bedeutung als Eignungskriterium weitgehend verloren.
 
Literatur:
 
H. Doerry: Das R.-Fach im dt. Theaterbetrieb des 19. Jh. (1926).
 
II
Rolle
 
[rɔl],
 
 1) Bezirkshauptort im Kanton Waadt, Schweiz, 378 m über dem Meeresspiegel, am Nordwestufer des Genfer Sees, 3 900 Einwohner; Weinbau, Fremdenverkehr.
 
 
 2) Bezirk im Kanton Waadt, Schweiz, am Nordwestufer des Genfer Sees nordöstlich von Nyon, 77 km2, 10 900 Einwohner; umfasst einen Teil des Weinbaugebietes La Côte mit zum Teil berühmten Weinorten (z. B. Luins).
 
III
Rolle,
 
die Summe von Erwartungen an das soziale Verhalten eines Menschen, der eine bestimmte soziale Position innehat.
 
IV
Rolle,
 
ein gesellschaftlich bereitgestelltes Verhaltensmuster, das erlernt und von einer Person in einer bestimmten Situation gewählt und ausgeführt werden kann beziehungsweise werden muss. Neben der Nähe zu alltagssprachlichen Wendungen (»eine Rolle spielen«, »aus der Rolle fallen«), die bereits darauf hinweisen, dass im Rollenspiel sowohl ein anthropologisches Vermögen als auch eine sozial definierte Fähigkeit angesprochen werden und dass der Einzelne nur bedingt frei über Formen und Verhaltensweisen im gesellschaftlichen Zusammenhang entscheiden kann, gibt es zwei weitere wichtige Motive für die weite Verbreitung, die der Rollenbegriff v. a. seit den 1950er-Jahren, von den USA ausgehend, gewonnen hat. Zum einen bietet die Analyse von Verhalten mithilfe des Rollenkonzepts die Möglichkeit, soziales Verhalten empirisch zu untersuchen. Zum anderen ermöglicht der Rollenbegriff als »Elementarkategorie« der soziologischen Theoriebildung die Erforschung der sozialen Bedingungen, ohne dass auf vor- oder außerwissenschaftliche, metaphysische Voraussetzungen zurückgegriffen werden muss.
 
Die Rollensoziologie hat ein umfangreiches begriffliches Instrumentarium zur Erfassung unterschiedlicher Rollenerwartungen entwickelt. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass die den einzelnen Rollen zugrunde liegenden Verhaltensmuster weder angeboren sind noch den Individuen zur freien Auswahl zur Verfügung stehen; sie werden vielmehr im Prozess der Sozialisation gelernt. Den Lebensphasen der Kindheit und Jugend sowie der Familie kommen als Vermittlungsinstanzen von Rollenbildern besondere Aufgaben und wissenschaftliche Beachtung zu.
 
Zunächst wird das Individuum in der primären Sozialisation mit Rollenerwartungen konfrontiert, die sich auf Merkmale beziehen, die ihm zugeteilt sind und denen es sich nicht entziehen kann. Zu diesen Primärrollen gehören Verhaltenserwartungen, die sich z. B. auf Alter, Geschlecht, Familienzusammenhang oder Schichtzugehörigkeit beziehen; dem stehen erworbene oder Sekundärrollen (z. B. Berufsrollen) gegenüber, deren Auswahl und Erfüllung stärker von den Entscheidungen der Individuen selbst abhängen. In diesem Zusammenhang wird zwischen fundamentalen Rollen, den vom Individuum notwendigerweise zu erfüllenden Erwartungen (Familien-, Berufs-, Geschlechtsrollen), und peripheren Rollen (z. B. in der Freizeit) unterschieden. Alle Rollen einer Person können als Rollensatz (R. K. Merton) oder Rollenkonfiguration (E. K. Scheuch), die einzelnen Erwartungen an eine Rolle als deren Elemente bezeichnet werden. Widerstreitende Erwartungen an unterschiedliche Rollen eines Menschen (z. B. Hausfrau und Mutter) werden dann als Inter-Rollenkonflikt, widerstreitende Elemente einer Rolle (z. B. unterschiedliche Erwartungen von Eltern und Schülern an das Verhalten der Lehrerin) als Intra-Rollenkonflikt bezeichnet. Dabei hat die wachsende soziale Differenzierung moderner Gesellschaften auch bezüglich der Rolle zu vervielfachten Mustern und Erwartungen geführt, sodass die Einzelnen gegenüber den vielgestaltigen Anforderungen nur auf der Basis einer gewissen Rollendistanz oder durch selektiven Umgang mit den unterschiedlichen Erwartungen angemessen handeln können.
 
Für die Entstehung des Rollenkonzepts zeichnen zwei sozialwissenschaftliche Denktraditionen verantwortlich: Nach der strukturfunktionalen Theorie (T. Parsons sind soziale Systeme bestrebt, durch die Verteilung von Rollen, die mithilfe von Sozialisationsinstanzen, Internalisierung und Sanktionen den Individuen übertragen beziehungsweise von ihnen eingefordert werden, die Funktionsfähigkeit der jeweiligen Gesellschaft sicherzustellen. Der symbolische Interaktionismus vertritt dagegen im Anschluss an G. H. Mead einen eher deskriptiven (beschreibenden) Rollenbegriff. Danach werden Rollen zwischen Individuen in einem Interaktionszusammenhang ausgehandelt und im Prozess der Sozialisation erlernt. So lernen Kinder geschlechtsspezifisches und kulturspezifisches Verhalten, das sie auch als Erwachsene ausführen können, in vielen Gesellschaften im Rahmen der Familie. Während hier Rollenlernen auch als »Leiden an der Gesellschaft« in Erscheinung treten kann, sieht die philosophische und soziologische Anthropologie in der Fähigkeit zum Rollenspiel einen Hinweis auf die grundlegend gesellschaftlich geprägte »Natur« des Menschen und darüber hinaus die Chance, dass der Mensch im Spiel der Rolle zu sich selbst, also auch zur Selbsterkenntnis, gelangen könne.
 

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Rọl|le, die; -, -n [mhd. rolle, rulle, urspr. = kleines Rad, kleine Scheibe od. Walze (in der Kanzleispr. = zusammengerolltes Schriftstück) < afrz. ro(l)le (= frz. rôle) = Rolle, Liste, Register < (spät)lat. rotulus, rotula = Rädchen; Rolle, Walze, Vkl. von: rota = Rad, Scheibe; 5 a: nach dem urspr. auf Schriftrollen aufgezeichneten Probentext]: 1. a) etw. Walzenförmiges, zu einer Walze (länglich mit rundem Querschnitt) Zusammengerolltes od. -gewickeltes: eine R. Toilettenpapier, Raufasertapete, Garn, Drops; eine R. verzinkter Draht/(geh.:) verzinkten Drahtes; Der Architekt brachte viele -n mit, Blaupausen (Lentz, Muckefuck 70); die abgespulte R. ersetzen; kann ich die R. (Garnrolle) haben, wenn das Garn alle ist?; aus dem Teig eine R. formen; das Geld wird in -n verpackt; Zeitungspapier in mannshohen -n; den Faden von der R. abspulen; ein Blatt zu einer R. zusammendrehen; b) Kugel, Walze, Rad, [mit einer Rille versehene] Scheibe, worauf etw. rollt od. gleitet: unter dem Sessel sitzen vier -n aus Stahl; ein Fernsehtisch, Teewagen auf -n; das Seil des Flaschenzugs läuft über -n; für einen Vorhang brauchen wir ungefähr 20 -n (Gardinenröllchen). 2. (landsch.) 2Mangel: die Wäsche in die, zur R. geben; *jmdn. durch die R. drehen 2(↑Mangel).3. a) (Turnen) Übung (am Boden, Barren, Schwebebalken o. Ä.), bei der der Körper vor- od. rückwärts um die eigene Querachse gedreht wird: eine R. [vorwärts, rückwärts] machen, ausführen; b) (Kunstfliegen) Figur, bei der sich das Flugzeug um seine Längsachse dreht: eine R. fliegen. 4. (Radsport) leicht drehbare, hinten am Motorrad des Schrittmachers an einem Gestell befestigte Walze, die dem Radfahrer dichtes Mitfahren im Windschatten ermöglicht: an der R. fahren; *von der R. sein, kommen (ugs.; nicht mehr mithalten können, den Anschluss verlieren); jmdn. von der R. bringen (ugs.; dafür sorgen, dass jmd. nicht mehr mithalten kann). 5. a) von einem Schauspieler zu verkörpernde Gestalt: eine wichtige, tragende, unbedeutende, kleine R.; die R. liegt ihm; die R. der Julia ist ihr auf den Leib geschrieben; diese R. ist falsch besetzt worden; er hat in dem Film eine R. als Detektiv; die R. des jugendlichen Liebhabers spielen; man übertrug ihm die R. des Hamlet, besetzte die R. des Hamlet mit ihm; seine R. gut, schlecht spielen; sie hat ihre R. (den Rollentext) schlecht gelernt; an einer R. (an der schauspielerischen Verkörperung einer Rolle) arbeiten, feilen; für welche R. bist du vorgesehen?; eine Besetzung für eine R. suchen, finden; er muss in diese schwierige R. erst hineinwachsen; die Schauspielerin war eins mit ihrer R., konnte sich mit ihrer R. völlig identifizieren; ein Stück mit verteilten -n lesen; Ü wir begnügen uns mit der R. des Zuschauers; das Schicksal hatte ihm eine andere R. zugedacht; b) Stellung, [erwartetes] Verhalten innerhalb der Gesellschaft: anerzogene -n; die soziale R.; die R. der Frau in Vergangenheit und Gegenwart; die führende R. der Partei; eine öffentliche R. übernehmen; die -n in der Gesellschaft vertauschen; er fühlte sich seiner R. als Vermittler nicht mehr gewachsen; wie fühlst du dich in deiner neuen R., in der R. des Chefs?; ..., dass ein Mensch erst durch das Etikett „Behinderter“ in seine R. gedrängt wurde, die er dann gezwungenermaßen annimmt (Zivildienst 2, 1986, 11); *[gern] eine R. spielen mögen/wollen (großes Geltungsbedürfnis haben); bei etw. eine R. spielen (an einer Sache in bestimmter Weise teilhaben, mitwirken); [k]eine R. [für jmdn., etw./bei jmdm., einer Sache] spielen ([nicht] wichtig, [un]wesentlich [für jmdn., etw.] sein): das spielt doch keine R.!; es spielt kaum eine Rolle, ob er auch kommt; die größte R. spielt für ihn, was die anderen dazu sagen; Geld spielt [bei ihr, dabei] keine R.; In allen Büchern, die er später schrieb, spielt die Esserei eine beträchtliche R. (Loest, Pistole 69); seine R. ausgespielt haben (seine Stellung, sein Ansehen verlieren); aus der R. fallen (sich unpassend, ungehörig benehmen; vor anderen etw. sagen od. tun, was Missfallen erregt, weil es nicht dem erwarteten Verhalten entspricht; urspr. von einem Schauspieler, der die entsprechende Stelle in seiner Textrolle nicht findet); sich in seine R. finden (geh.; sich mit seiner Lage u. Stellung abfinden, mit den gegebenen Verhältnissen fertig werden); sich in seiner R. gefallen (geh.; sich auf seine Stellung u. seinen Einfluss etw. einbilden); sich in jmds. R. versetzen [können] (sich in jmds. Lage hineindenken [können]). 6. (Bergmannsspr.) Rollloch. 7. *jmdn. auf der R. haben (ugs.; jmdn. auf dem Kieker haben; viell. zu „Rolle“ in der veralteten Bedeutung „Verzeichnis, Liste“ od. bezogen auf die Rolle am Flaschenzug): Schon lange hatte die Stasi den unbequemen Kirchenmann auf der R., er war überfällig (Spiegel 39, 1983, 44). 8. *auf die R. gehen (ugs.; eine Zechtour o. Ä. machen; vgl. „auf die Walz gehen“[Walze 8]): Abends geh'n sie auf die R. (Spiegel 2, 1991, 100); auf der R. sein (ugs.; auf einer Zechtour o. Ä. sein): Mit 51 Jahren hat Rau geheiratet, und das ändert eine ganze Menge für einen, der samstags gern „auf der Rolle“ war (Spiegel 19, 1990, 69). 9. (Seemannsspr.) Plan für die Verteilung bestimmter wiederkehrender Arbeiten an die Besatzung eines Schiffes.

Universal-Lexikon. 2012.