eine der romanischen Sprachen. Sie wird in der Republik Italien von rd. 55 Mio. Sprechern verwendet. Daneben ist das Italienische eine der vier offiziellen Landessprachen der Schweiz. Italienische Mundarten werden gesprochen im Kanton Tessin und in einigen Talschaften Graubündens. Amtssprache ist das Italienische auch in San Marino und im Vatikanstaat. Italienisch wird außerhalb Italiens noch auf Korsika, in Teilen Istriens, in Dalmatien (im Rückgang), im Gebiet von Nizza und im Fürstentum Monaco gesprochen.
Mundarten
Die italienischen Mundarten lassen sich in drei Hauptgruppen einteilen: 1) die norditalienischen Dialekte nördlich einer Linie La Spezia-Rimini; 2) die zentralitalischen Dialekte südlich dieser Linie und nördlich der Linie Rom-Ancona; 3) die süditalienischen Dialekte südlich dieser letztgenannten Linie. Die norditalienischen Mundarten stehen bis auf die venetischen Varietäten den französischen Dialekten nahe; von daher erklärt sich auch die Bezeichnung galloitalischer Mundarten bei Annahme eines keltischen Substrats. Die Linie La Spezia-Rimini trennt die romanischen Sprachen in einen west- und einen ostromanischen Zweig. Die mittelitalienischen Mundarten zeichnen sich durch besonders konservative Züge in der Lautung aus, sie haben ihren Lautstand gegenüber dem Lateinischen am wenigsten verändert. Das Toskanische gab die Grundlage für die Herausbildung der italienischen Schriftsprache ab, allerdings darf man die toskanischen Mundarten nicht mit dem Standard gleichsetzen. Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern zeichnen sich die Dialekte in Italien noch durch eine beeindruckende Vitalität und Differenzierungsvielfalt untereinander aus.
Die ältesten Sprachdenkmäler sind alltags- beziehungsweise rechtssprachliche Gebrauchstexte, wie z. B. das »Veroneser Rätsel« (»Indovinello veronese«, um 800) oder die »Kampanischen Bezeugungsformeln« (»Placiti campani«, 960, 962 und 963) in Notarsakten; die volkssprachlichen Teile sind dort jeweils in die lateinischen Texte eingeschoben. Die älteste zusammenhängende Prosa findet sich in einem Pisaner Rechnungsbuch (»Conto navale pisano«, um 1080-1130). In Anlehnung an die provenzalische Troubadourdichtung bildeten im Mittelalter die einzelnen Regionen eigene schriftsprachliche Koinai aus, wobei viele provenzalische und lateinische Elemente Aufnahme fanden. So wurde am Hof Kaiser Friedrichs II. in Sizilien die Minnedichtung der Troubadours zunächst in sizilianischer Mundart nachgeahmt, vermischt mit lateinischen und provenzalischen Elementen. Durch die Übernahme dieser Lyrik in die Toskana und die damit verbundene Toskanisierung wurde diese Kunstsprache zur Grundlage für die italienische Dichtersprache, das Volgare illustre Dante Alighieris. Er fasste zu Anfang des 14. Jahrhunderts in seiner Abhandlung »De vulgari eloquentia« (entstanden nach 1305, gedruckt 1529) die Stellung der italienischen Schriftsprache gegenüber dem Latein zusammen und nahm erstmals eine Klassifikation der Dialekte vor, indem er östlich und westlich des Apennins jeweils sieben Dialekte annahm. Dank des hohen literarischen Ansehens der großen Florentiner Schriftsteller des 14. Jahrhunderts, Dante, G. Boccaccio und F. Petrarca, wurde das Toskanische zum Modell für die italienische Schriftsprache und setzte sich im 16. Jahrhundert als verbindliche Literatursprache durch, nicht zuletzt aufgrund von P. Bembos normsetzender Schrift »Prose della volgar lingua« (1525). Die sprachtheoretische Diskussion um die Norm wird bis heute unter dem Begriff der Questione della Lingua zusammengefasst. Dabei erfuhr das anfänglich toskanische Primat eine Einengung auf das Florentinische, wie es auch nach langen Polemiken von der 1582 zum Zwecke der Sprachreinigung gegründeten Accademia della Crusca verfochten wurde, die das Ansehen der großen Autoren als ausschlaggebend ansah, dabei jedoch vollständig die gesprochene Sprache vernachlässigte. Das von der Accademia della Crusca geschaffene Wörterbuch von 1612 (»Vocabolario degli accademici della Crusca«) ist eine Pionierleistung der Lexikographie. - Das 17. Jahrhundert lässt einen deutlichen Ausbau der Fachsprachen erkennen; v. a. die Naturwissenschaften gaben das Latein als übernationale Wissenschaftssprache auf, wie G. Galilei, der seine Schriften zunehmend in Italienisch abfasste. - Im 18. Jahrhundert forderte man im Gegensatz zur Accademia della Crusca eine Erweiterung des Wortschatzes durch Aufnahme von Ausdrücken aus anderen Mundarten sowie einen der gesprochenen Sprache näheren Satzbau. Den Neuerern (M. Cesarotti, V. Monti, G. B. Niccolini) traten die Puristen entgegen (A. Cesari). Zur Zeit der Aufklärung erstreckte sich die europäische Bedeutung des Italienischen insbesondere auf das Gebiet der Nationalökonomie (A. Genovesi), nachhaltige Wirkung errang es als internationale Musiksprache. - Erst im 19. Jahrhundert vollzog sich durch das Werk A. Manzonis die Wendung zu einer am gesprochenen Florentinisch orientierten Schriftsprache. Mit der politischen Einigung Italiens (1860/61) rückte die italienische Sprache zum Gegenstand der Polemik auf, was zu einem ersten langsamen Rückgang der Dialekte führte. Die italienische Sprache wurde nun erstmals in allen Schichten und Gegenden Italiens verbindliches Kommunikationsmittel. Seitdem ist eine rasche Vereinheitlichung des Italienischen zu beobachten, wobei in jüngster Zeit besonders die Massenmedien diesen Prozess beschleunigen.
Sprachbeschreibung
Die italienische Sprache ist besonders im Vergleich mit den westromanischen Sprachen wenig innovativ und steht dem Latein oftmals näher als diese. Im Gegensatz zu einigen westromanischen Sprachen (Französisch, Provenzalisch, Portugiesisch) kennt der italienische Vokalbestand keine Nasale, keine gerundeten Palatalvokale ([y], [ø], [œ]) und keinen Mittelzungenvokal unbestimmter Klangfarbe wie französisch [ə]. Das Italienische kennt auch keine Umlautwirkung, wohl aber die Diphthongierung von offenem e [ɛ] zu [i̯ɛ] und offenem o [ɔ] zu [u̯ɔ] in freier Silbe. Die beiden Qualitäten geschlossen und offen für e und o ([e] : [ɛ], [o] : [ɔ]) behaupten sich nur noch in der Toskana, sonst ist diese Unterscheidung faktisch geschwunden. Alle Vokale der unbetonten Silben behalten ihren vollen Lautwert, auch die Nachtonvokale bleiben erhalten (colore [ko'lo:re]). Der Wortakzent ist im Italienischen frei.
Im Konsonantenbestand wurden alle lateinische Auslautkonsonanten beseitigt, einschließlich des -s. Die stimmlosen Konsonanten -p-, -t-, -k- zwischen Vokalen und vor r (pepe, vita, fuoco, capra) wurden bewahrt. Die lateinisch Doppelkonsonanten wurden nicht vereinfacht (gatto, ferro); ihre Zahl wurde noch vermehrt durch Angleichung (septem > sette). Bedeutungsunterscheidend ist die Doppelkonsonanz: sono (»ich bin«) : sonno (»Schlaf«). Eine Neuerung ist ferner die Verwandlung von [l] zu [i] in Verbindungen mit p-, c-, f- (pieno, chiave, fiamma).
Zählungen der italienischen Phoneme reichen von mindestens 25 bis höchstens 53 Einheiten. Die meisten Phonologen gehen von rd. 30 Phonemen aus. Da die italienische Orthographie nicht historisch etymologisierend ausgerichtet ist (wie das Französische), sondern auf einer phonologisierenden Schreibung beruht, bei der meist ein Buchstabe einem Laut entspricht, bereitet sie kaum Schwierigkeiten.
In der Formenlehre weist das Italienische eine verhältnismäßig hohe Zahl unregelmäßiger Verben auf (rompere-ruppi-rotto). In der Syntax fällt eine relativ freie Wortstellung auf. Das Italienische verfügt über eine große Variationsbreite der »alterativen Suffixe« (-accio, -azzo, -one usw. für Augmentativa oder Pejorativa, -ino, -etto, -uccio usw. für Verkleinerungs- und Koseformen). Grammatisch und lexikalisch sind die Entwicklungen vom Alt- zum Neuitalienischen als geringfügig einzustufen. Der italienische Wortschatz ist gekennzeichnet durch die Bewahrung lateinischer Wörter (pecora »Schaf«, verro »Eber«). Als Folge zahlreicher Fremdherrschaften auf der Halbinsel ist er im Laufe der Geschichte mit vielen Wörtern aus dem Griechischen, Germanischen (u. a. aus der Sprache der Langobarden: zolla »Erdscholle«; guancia »Wange«; staffa »Steigbügel«), Arabischen, Französischen (madama »Madame«; giallo »gelb«; giardino »Garten«; pensiero »Gedanke«) und Spanischen durchsetzt worden.
Varietäten
Mit dem gegenwärtigen Rückzug der Dialekte ist gleichzeitig eine Konsolidierung des Regionalitalienischen verbunden, ein Italienisch, das anhand der Intonation, der Lautung, der Wortwahl und der grammatischen Präferenzen die regionale Markierung des Italienischen vollzieht. So kennzeichnet ein intervokalisches -s- bei casa (»Haus«) und caso (»Fall«) in stimmhafter Form das Norditalienische, in konsequent stimmloser Form das Süditalienische, während das Toskanische mit casa [s] und caso [z] eine schwankende Zwischenstellung einnimmt. Das Regionalitalienische ist grundsätzlich keine stigmatisierte italienische Varietät, da sie nicht automatisch dem Normitalienischen entgegensteht. Demgegenüber wird das so genannte Italiano popolare als von Dialektsprechern gesprochenes defizitäres Italienisch als sozial niedrig stehende Varietät weitgehend gemieden. Gleichzeitig nimmt im gesprochenen Italienisch die Jargonisierung von nationalen Sondersprachen, wie bei der Jugendsprache u. a., stark zu (»Gergo«-Bildungen). Die italienische Sprache tendiert gegenwärtig zu einem Uso medio, einer mittleren, aber allen verständlichen Sprachebene, die das toskanische Normmodell zumindest im Gesprochenen relativiert. Der Norden gibt augenblicklich die Diglossie Hochsprache-Dialekt auf, während die Toskana als normgebende Region bestimmte nichtitalische Dialektzüge zur Bewahrung der sprachlichen Identität ausbaut: So breitet sich die so genannte Gorgia toscana als Spirantisierung von intervokalischen Verschlusslauten (amico [a'mi:ho] statt [a'mi:ko]) in jüngster Zeit als dialektale Markierung von Florenz auf die ganze Toskana aus. Süditalien hingegen kennt auch noch gegenwärtig eine extrem hohe dialektale Vitalität in allen Schichten. Hier liegt noch eine allgemeine Diglossiesituation vor, die allerdings immer mehr den Kontrast Hochsprache-Dialekt reduziert. Der Süden ahmt mit einer entsprechenden Verlangsamung die Vorreiterfunktion des Nordens nach.
Bibliographien und Allgemeines:
R. A. Hall: Bibliografia della linguistica italiana, 5 Bde. (Florenz 1-21958-80);
Ž. Muljačić: Introduzione allo studio della lingua italiana (Neuausg. Turin 1982);
G. Devoto: Profilo di storia linguistica italiana (Florenz 41964, Nachdr. ebd. 1983);
B. Migliorini: Storia della lingua italiana (ebd. 61983);
F. Bruni: L'italiano. Elementi di storia della lingua e della cultura (Turin 1984);
T. De Mauro: Storia linguistica dell'Italia unita (Neuausg. Rom 21984);
Altitalienisch: B. Wiese: Altital. Elementarbuch (21928);
Wörterbücher:
S. Battaglia: Grande dizionario della lingua italiana, auf mehrere Bde. ber. (Turin 1961 ff.);
M. Cortelazzo u. P. Zolli: Dizionario etimologico della lingua italiana, auf mehrere Bde. ber. (Bologna 1979 ff.);
Dizionario delle lingue italiana e tedesca, hg. v. V. Macchi, 2 Bde. (Florenz 21985);
Il Nuovo Zingarelli, hg. v. M. Dogliotti (Bologna 111986).
Grammatik und Wortschatz:
B. Migliorini: Lingua contemporanea (Florenz 41966);
Varietätenlinguistik des Italienischen, hg. v. G. Holtus u. a. (1983);
G. Berruto: Sociolinguistica dell'italiano contemporaneo (Rom 1987);
L. Serianni: Grammatica italiana (Turin 1988);
C. Schwarze: Gramm. der ital. Sprache (1988).
Mundarten:
M. Cortelazzo: Avviamento critico allo studio della dialettologia italiana (Neuausg. Pisa 1980);
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
Dante Alighieri: Göttliche Komödie - Der geistige Kosmos des Mittelalters
sizilianische Dichterschule und Dolce stil nuovo
Universal-Lexikon. 2012.