Ju|gend|spra|che, die:
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Jugendsprache,
eine Gruppensprache. Sie ist Medium der Selbstdarstellung von Jugendlichen und dient einerseits der Identifikation und Kommunikation im Rahmen der Gruppe, andererseits der Abgrenzung von der Welt der Erwachsenen und damit auch von einer Standardsprache mit normativem Anspruch. Sie weist zwar keine grundsätzlich von der Hochsprache abweichende Struktur auf, doch artikuliert sich in ihr - auf unterschiedlichen sprachlichen Ebenen - ein Sichabheben von konventionalisierten Sprachmustern.
Besonders deutlich wird dies durch Neuprägungen sowie Umdeutungen vorhandenen Sprachmaterials (z. B. auf etwas abfahren »sich für etwas begeistern«, Beziehungskiste »Partnerbeziehung im weiteren Sinn«, Bock auf. .. »Lust auf. ..«). Als charakteristisch für den Wortschatz gelten u. a. Bildhaftigkeit und Metaphernreichtum (z. B. abgewrackt »völlig erschöpft«, die Fliege machen »weggehen«), Häufigkeit von Anglizismen und Amerikanismen (cool »überlegen«, »selbstbewusst«) - zum Teil aus dem Umfeld der Drogenszene (z. B. high als Bezeichnung für extrem positive Befindlichkeit, antörnen »in Stimmung bringen«) - und eine sprachlich übertreibende Ausdruckshaltung (z. B. geil, irre, wahnsinnig, unheimlich, super als Bezeichnung für »großartig«), die sich auch in der Wortbildung in Form zahlreicher Zusammensetzungen (z. B. affengeil »unübertrefflich«), häufiger Verwendung von Lautwörtern als Verstärkungspartikeln (z. B. boing, whow) wie in der Bevorzugung mehrfacher Prädikation (tierisch gut, echt brutal, total egal) zeigt und der Jugendsprache einen besonderen Affektgehalt verleiht.
Insgesamt ist die Jugendsprache gegenüber der Standardsprache durch besonders häufige Verwendung bestimmter sprachlicher Muster gekennzeichnet. Für die lautliche Struktur gelten besonders starke intonatorische Akzentuierung (z. B. des »a« in »Wahnsinn«) als charakteristisch. Auf syntaktischer Ebene sind Anakoluth (Bruch in der Satzkonstruktion und Wechsel im Formulierungsplan), Dehnungsphrasen (und so, oder so, oder was, na ja, irgendwie), Gliederungssignale (also) und nachgestellte Kontaktwörter (z. B. »das ist ein dicker Hammer, echt«) häufig. Als typisch für die Bereiche von Wortschatz und Wortbildung gelten neben den schon erwähnten Merkmalen u. a. Kurzwörter (z. B. Demo »Demonstration«), daneben - in neuer Wortbedeutung - häufige Präfixbildungen (z. B. abschnallen »völlig überrascht sein«, anmachen »sich [um ein Mädchen] bemühen«) und Suffixbildungen (oft auf -i, z. B. Softi »weicher Typ«). Begrenzte grammatische Regelverletzung zeigt sich in bestimmten Konversionen (wie der Verwendung von »echt« als Adverb, z. B. »echt stark«, oder von »null« als Adjektiv, z. B. null Ahnung oder null Bock haben). Auffällig ist ein besonders hoher Anteil an stehenden Redewendungen mit übertragener Bedeutung (z. B. ich glaub, mich tritt ein Pferd/knutscht ein Elch/streift ein Bus/mein Hamster bohnert als Ausdruck der Überraschung), die vielfältig variiert und zum Teil miteinander kombiniert werden können, der Jugendsprache aber auch eine gewisse Stereotypie verleihen. Spieler. Umgang mit Sprache sowie sprachliche Kreativität zeigt sich v. a. in den Graffitisprüchen, in denen - oft mittels logischen Paradoxien - ein bestimmtes Lebensgefühl, (Selbst-)Ironie und (Selbst-)Kritik, aber auch Provokation und politischer Protest oder reine Nonsensparolen formuliert werden (z. B. Du hast keine Chance, darum nutze sie!).
Die Jugendsprache unterliegt einem starken Wandel. Bestimmte Eigenarten der Jugendsprache gehen auch in die allgemeine Umgangssprache ein. Darüber hinaus bedient sich etwa die Werbesprache jugendsprachlicher Strukturen mit dem Ziel, eine entsprechende Verbrauchergruppe zu motivieren.
U. Hoppe: Von Anmache bis Zoff (1984);
Spricht die Jugend eine andere Sprache?, bearb. v. U. Pörksen u. a. (1984);
Sprüche - Sprachen - Sprachlosigkeit? Ursachen u. Folgen subkultureller Formen der Kommunikation am Beispiel der J., hg. v. K. Ermert (1985);
H. Henne: Jugend u. ihre Sprache (1986);
E. Schönfeld: Abgefahren - eingefahren. Ein Wb. der Jugend- u. Knastsprache (21986);
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Universal-Lexikon. 2012.