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Dessau
I
Dẹssau,
 
1) kreisfreie Stadt in Sachsen-Anhalt, 65 m über dem Meeresspiegel, an der Mündung der Mulde in die Elbe, inmitten der Dessau-Wörlitzer Garten-, Auen- und Parklandschaft (Weltkulturerbe), von drei Seiten vom Biosphärenreservat Mittlere Elbe umgeben, Verwaltungssitz des Regierungsbezirks Dessau, 85 000 Einwohner; Sitz der Kirchenleitung der Evangelischen Landeskirche Anhalts; Fachhochschule Anhalt, Anhalt. Theater, Anhalt. Gemäldegalerie (im Schloss Georgium), Stiftung Bauhaus mit Akademie, Sammlung und Werkstätten, das Design-Zentrum Sachsen-Anhalt, das Kurt-Weill-Zentrum und mehrere Museen. Der einstige großindustrielle Standort (Waggon-, Elektromotoren-, Gasgeräte-, Möbelbau, Brauerei) wird heute durch den Ausbau mittelständischer Industriebetriebe, von Handwerk und Gewerbe auf mehreren Gewerbeflächen (z. B. Dessauer Industriepark) geprägt. In Dessau befanden sich die nach dem Zweiten Weltkrieg demontierten Junkers Flugzeug- und Motorenwerke, auf ihrem Gelände der Flugplatz und im Aufbau das Dessauer Luftfahrtmuseum.
 
Stadtbild:
 
Der Stadtkern wurde 1945 durch Bombenangriffe fast völlig zerstört. Wiederhergestellt sind u. a. Johanniskirche (1688-93) und Georgenkirche (1712-17, 1818-21 erweitert). Der Wiederaufbau der Marienkirche (1506-23) ist im Gange. Das klassizistische Schloss Georgium (begonnen 1780) im Nordwesten der Stadt beherbergt die Gemäldegalerie (u. a. hervorragende Gemälde der Dürer-Zeit sowie der flämischen und niederländischen Schule, Handzeichnungen und Druckgrafik, Gemälde des 18.-20. Jahrhunderts). In Dessau weitere Schlösser: Schloss Mosigkau (1754-56, wohl nach Plänen von G. W. von Knobelsdorff), heute Museum mit Bildergalerie in Hängung des 18. Jahrhunderts (»Oranische Sammlung«), und Schloss Luisium (klassizistisch, 1774-78 von F. W. von Erdmannsdorff), heute Museum und Teil der Gemäldegalerie. Das Haideburger Jagdschloss (1782/83) gehört zu den frühesten Anlagen der Neugotik. In der Dorfkirche von Dessau-Mildensee befindet sich von L. Cranach der Jüngere das »Abendmahl« (1565) mit den Porträts der Reformatoren und der Fürsten von Anhalt. — Internationalen Ruf genießt das Bauhaus (Gebäude 1976-79 restauriert und seit 1976 »Wissenschaftlich-kulturelles Zentrum Bauhaus«; 1986 als Bildungs- und Forschungsstätte wieder eröffnet, seit 1994 ordentliche Stiftung). Von den nach Entwurf von W. Gropius 1925/26 errichteten drei Meisterhäusern der am Bauhaus tätigen Lehrer wurden bis 1994 das Feininger-Haus (erhaltene Doppelhaushälfte des Meisterhauses Feininger-Moholy-Nagy, heute Museum und Domizil des Kurt-Weill-Zentrums) und bis 2000 das Meisterhaus Kandinsky-Klee restauriert, die Restaurierung des Meisterhauses Muche-Schlemmer ist geplant. Die UNESCO nahm 1996 das Bauhausgebäude und die Meisterhäuser in die Liste des Weltkulturerbes auf. Zu weiteren Bauhausbauten gehören u. a. auch die Wohnsiedlung in Dessau-Törten von Gropius (1926-28) und Hannes Meyer (1928-30) sowie das Stahlhaus von G. Muche und R. Paulick, ein 1926-27 erbautes Siedlungshaus aus vorgefertigten Bauteilen (1993 restauriert). Bemerkenswerte Neubauten und Neugestaltungen im Stadtzentrum sind das »Fürst-Leopold-Carrée« und das Gebiet um den Romanjuk-Platz mit dem Rathaus-Center.
 
Geschichte:
 
Dessau geht vermutlich auf ein wendisches Dorf zurück, das im Zuge der zweiten deutschen Ostsiedlung gegen 1180 zu einer planmäßig angelegten Marktsiedlung (1213 erstmals als Marktflecken genannt) erweitert wurde, die zu einem nicht festlegbaren Zeitpunkt Magdeburger Stadtrecht erhielt (1298 als Stadt erwähnt). Seit Albrecht dem Bären (1134-70) gehörte Dessau zu den askanischen Ländern. Nach der anhaltinischen Teilung von 1603 war Dessau Hauptstadt und Residenz des Fürstentums Anhalt-Dessau; 1863 wurde es Hauptstadt des vereinigten Anhalt (bis 1918). In der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts wurde Dessau-Wörlitz als Wirkungsort eines vom anhaltinischen Hof angeregten, von humanistisch-aufklärerischen Kräften getragenen Kulturkreises bedeutsam.
 
 
Literatur:
 
E. Hirsch: D.-Wörlitz. »Zierde u. Inbegriff des XVIII. Jh.« (21988);
 
Die Bauhausbauten in D., Beitrr. v. C. Engelmann u. a. (1991);
 
D. im Gartenreich des Fürsten Franz von Anhalt-Dessau, Beitrr. v. E. Hirsch u. a. (1994).
 
 2) Regierungsbezirk in Sachsen-Anhalt, 4 280 km2, 552 400 Einwohner; umfasst die kreisfreie Stadt Dessau sowie die Landkreise Anhalt-Zerbst, Bernburg, Bitterfeld, Köthen und Wittenberg; Verwaltungssitz ist die kreisfreie Stadt Dessau.
 
II
Dẹssau,
 
Paul, Komponist und Dirigent, * Hamburg 19. 12. 1894, ✝ Berlin (Ost) 28. 6. 1979; war mit Ruth Berghaus verheiratet, studierte in Berlin und wurde hier 1925 Kapellmeister an der Städtischen Oper. 1933 emigrierte er nach Paris, wo seine Bekanntschaft mit R. Leibowitz zur Auseinandersetzung mit der Zwölftontechnik führte. Seit 1939 in New York, später in Hollywood, wurde er bekannt durch Vertonung von Texten B. Brechts, mit dem er eng befreundet war. 1948 nach Berlin (Ost) zurückgekehrt, wurde er 1959 zum Professor ernannt. Für seine politisch engagierte Musik erhielt Dessau in der DDR mehrere Staatspreise. Sein Stil, der auf freier Harmonik, Zwölftontechnik und akzentuierter Rhythmik basiert, ist wirkungsvoll durchsetzt mit Elementen der Popularmusik. Dessau komponierte Opern, u. a. »Die Verurteilung des Lukullus« (1951, nach B. Brecht; Neufassung 1968), »Puntila« (1966, nach Brecht), »Lanzelot« (1969), »Einstein« (1974), »Leonce und Lena« (1979, nach G. Büchner), Lehrstücke, Tanzszenen, Schauspielmusiken zu Werken von Brecht, Orchesterwerke, u. a. 1. Sinfonie (1926), 2. Sinfonie (1934, Neufassung 1962), Orchestermusik Nummer 3 »Lenin« (1970), Orchestermusik Nummer 4 (1973), Kammermusik, u. a. 7 Streichquartette (1932-75), Kantaten, Chöre, Lieder (»Die Thälmannkolonne«, 1936) sowie Musik zu Filmen; Schrift: »Notizen zu Noten« (1974).
 
Literatur:
 
P. D. Aus Gesprächen, hg. v. F. Hennenberg (Leipzig 1974; mit Bibliogr. u. Werke-Verz.);
 F. Hennenberg: P. D. (ebd. 21981).

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Dẹs|sau; -s: Stadt nahe der Mündung der Mulde in die Elbe.

Universal-Lexikon. 2012.