Se|vil|la [se'vilja ]:
Stadt in Südspanien.
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Sevilla
[se'βiʎa],
1) Provinzhauptstadt in Südwestspanien, 10 m über dem Meeresspiegel, am Guadalquivir, 87 km vor dessen Mündung, 701 900 Einwohner; wirtschaftliches, kulturelles und politisches Zentrum Andalusiens mit Erzbischofssitz, Universität (gegründet 1502/05), verschiedene Hochschulen (Musik, Kunst, Architektur), Priesterseminar, ältester nautischer Schule der Erde (gegründet 1552), Archivo General de Indias, Bibliotheken und Museen. Die Wirtschaft umfasst Flugzeugwerke, Werft, Textil-, chemische, Nahrungsmittelindustrie, Maschinenbau, Porzellan-, Keramik-, Konserven-, Seifen-, Parfümindustrie und Korkverarbeitung. Der Handelshafen ist bei Flut für Seeschiffe bis 9 m Tiefgang zugänglich; Jachthafen, Fährverkehr zu den Kanarischen Inseln (über Cádiz); bedeutender Fremdenverkehr. Sevilla ist wichtiger Verkehrsknotenpunkt (u. a. Eisenbahnhochgeschwindigkeitstrasse über Córdoba nach Madrid; Autobahnen nach Cádiz, Huelva und Granada); internationaler Flughafen San Pablo 11 km nordöstlich, Flughafen Tablada im Südwesten. 9 km nordwestlich liegen die Reste des römischen Italica (Funde im archäologischen Museum von Sevilla). Berühmte Veranstaltungen in Sevilla sind Semana Santa (Karwoche, seit dem 16. Jahrhundert), Feria de Abril (Messe, seit dem 19. Jahrhundert) sowie Wallfahrten (besonders Romería del Rocío, im Mai). 1992 war Sevilla Austragungsort der Weltausstellung »EXPO 92«.
Aus maurischer Zeit blieben von der ehemaligen Hauptmoschee v. a. das Minarett (»La Giralda«, 1184-96, mit almohad. Baudekor; oberstes Geschoss und Laterne 16. Jahrhundert) und der Orangenbaumhof (Patio de los Naranjos, 12. Jahrhundert) erhalten. Die spätgotische fünfschiffige Kathedrale, die 1402 an der Stelle der maurischen Moschee begonnen wurde, ist eine der größten Kirchen des Abendlandes (reiche Ausstattung: u. a. Königsgrabmäler in der plateresken Capilla Real, 1551-75; Glasfenster und weitere Kunstwerke in Sakristei und Kapitelsaal). Der ursprünglich almohadische Alcázar (erhalten blieb der Innenhof »Patio del Yeso«) wurde im 14. Jahrhundert im Mudéjarstil umgebaut; die unter Karl V. angelegten Gärten gehören zu den besten Leistungen mudéjarischer Künstler in Spanien. Die UNESCO erklärte die Kathedrale und den Alcázar sowie das Archivo General de Indias zum Weltkulturerbe. Zahlreiche Kirchen Sevillas wurden im 17. Jahrhundert im Inneren barockisiert und reich dekoriert. Unter den Profanbauten ragt die 1520 im Mudéjarstil fertig gestellte Casa Pilatos (Palast der Herzöge von Medinaceli) heraus, die als Vorbild der andalusischen Paläste gilt (Innenhof mit zweistöckigen Arkaden und Azulejos), sowie die ehemalige Börse, die Casa Lonja (erbaut 1583-98), in der sich heute das Archivo General de Indias befindet, das umfassendste Archiv der Kolonialgeschichte, v. a. zur Eroberung Amerikas. Im Stadtteil Santa Cruz (in arabischer Zeit das Judenviertel) liegt der barocke Hospitalbau de los Venerables Sacerdotes (1675); aus der Mitte des 17. Jahrhunderts stammt das Hospital de la Caridad. Am Flussufer der Torre del Oro, ein maurischer Befestigungsturm (1220), der mit dem Alcázar verbunden war. Im Süden der Stadt der Park María Luisa mit Bauten, die zur Ibero-Amerikanischen Ausstellung 1929/30 errichtet wurden, u. a. Palacio Central an der halbkreisförmigen Plaza de España. Südlich der Altstadt die ehemalige Fabrica de Tabacos (18. Jahrhundert, heute Teil der Universität).
Eine der sieben neuen Brücken über den Guadalquivir, der Puente de la Barqueta (1992), verbindet die Altstadt mit dem Gelände der Weltausstellung »EXPO 92« (Ausstellungsbauten von international bedeutenden Architekten) auf der Isla de la Cartuja (durch einen neuen Arm des Guadalquivir künstlich geschaffen), dem Gelände, auf dem sich auch das Kartäuserkloster (seit 1401, davor Franziskaner-Einsiedelei) María de las Cuevas befand (barg in der 1. Hälfte des 16. Jahrhunderts u. a. das Grab von C. Kolumbus), das nach der Säkularisation (1835) in Anknüpfung an die ursprüngliche Funktion des Geländes (Cuevas bezieht sich auf von den Arabern genutzte Tongruben) zur Keramikfabrik umgestaltet wurde (1982 stillgelegt; umfassend saniert und restauriert, jetzt Museum mit Restauratorenschule und Kunstinstitut). Im Zusammenhang mit der Weltausstellung fanden tief greifende städtebauliche Veränderungen statt; neben zahlreichen Wohnanlagen entstanden u. a. das 1991 eingeweihte Opernhaus (La Maestranza), der Bahnhof Santa Justa (1989-91) von Antonio Cruz und Antonio Ortiz, das Schifffahrtsmuseum (1988-92) von Guillermo Vázquez Consuegra sowie der neue Flughafen San Pablo (1987-91) nach Plänen von J. R. Moneo.
Neben den Kirchen Sevillas bietet das Museum der Schönen Künste im ehemaligen Kloster de la Merced eine Fülle von Werken spanischer Barockbildhauer (P. Roldán, A. Cano und v. a. J. Martínez Montañés), daneben auch eine Gemäldesammlung (B. E. Murillo, J. de Valdés Leal, F. de Zurbarán).
Sevilla, ursprünglich der phönikische Brückenort Sephala (»Niederung«) am letzten Übergang über den Guadalquivir, unter den Iberern Hispalis genannt, wurde 45 v. Chr. von Caesar erobert und war dann als Festung Colonia Iulia Romula Hauptstadt der römischen Provinz Baetica. 411 wurde Sevilla Hauptstadt des Wandalenreichs und war im 6. Jahrhundert zeitweise Hauptstadt des Westgotenreichs; Erzbischof Isidor von Sevilla bekämpfte von hier aus den Arianismus; 590 und 619 war Sevilla Tagungsort wichtiger Konzile. Mit der arabischen Eroberung 712 begann die lange Blütezeit des maurischen Ichbilija, das wirtschaftlich und kulturell bald mit Córdoba konkurrierte, 913 von den Omaijaden mit einer neuen, weitläufigen Mauer umgeben wurde, unter der Lokaldynastie der Abbadiden 1023-91 Taifahauptstadt war, dann als Hauptstadt des spanischen Almoravidenreichs (bis 1146) und des Almohadenreichs mit prächtigen Bauten ausgestattet wurde. 1248 wurde Sevilla von Ferdinand III. von Kastilien rückerobert. Weltpolitische Bedeutung erlangte die Stadt nach der Entdeckung Amerikas als zunächst einziger Umschlagplatz des Überseehandels; seit 1503 Sitz der Casa de la Contratación (staatliches Handelshaus), wurde Sevilla eine der reichsten Städte der damaligen Welt. In der Casa de la Moneda (Münzstätte) wurde fast das ganze Gold aus den amerikanischen Kolonien umgeschmolzen. Die Verlegung des staatlichen Handelsmonopols nach Cádiz (1717) und die allmähliche Versandung des Guadalquivirs führten zu einem Bedeutungsrückgang von Sevilla, doch war es am Ende des 18. Jahrhunderts mit rd. 96 000 Einwohnern noch immer eine der größten Städte Europas. Im 19. Jahrhundert erlebte Sevilla durch Kanalisierung (mit Schleusenbau) des Guadalquivir sowie durch Hafenausbau einen neuen Aufstieg und überstand die Invasion der Franzosen (1810), den Verlust der Überseekolonien (bis 1898) und den Spanischen Bürgerkrieg (1936-39) relativ unbeschadet.
2) Provinz in Niederandalusien, Südwestspanien, 14 001 km2, 1,71 Mio Einwohner; erstreckt sich vom Kamm der mittleren Sierra Morena nach Süden über das untere Guadalquivirbecken bis zu den westlichen Ausläufern der Betischen Kordilleren und umfasst den größten Teil der Marismas an der Guadalquivirmündung. Jahresniederschläge im Beckenbereich 500 mm, an den Gebirgsrändern 800 mm. Bedeutende Landwirtschaft. Im Trockenfeldbau (Getreide, Sonnenblumen, Baumwolle, Oliven, Weine) dominieren Großbetriebe, heute stark mechanisiert und nach modernsten betriebswirtschaftlichen Methoden zu 80 % von den Eigentümern (meist Kollektive, GmbHs, AGs) selbst bewirtschaftet; die landlosen Landarbeiter und Pächter leben in weit auseinander liegenden Stadtdörfern (20 000-40 000 Einwohner). In den Bewässerungsgebieten Kleinbesitz mit intensiver Nutzung (v. a. Wintergemüse für den Export); an der Küste bedeutender Fischfang (Sardinen, Thunfisch); wenig Industrie; starke Landflucht. Die Provinz Sevilla hat die höchste Arbeitslosen- und Analphabetenquote sowie die niedrigste Erwerbsquote Spaniens, die Sozialstruktur der ländlichen Gebiete ist durch das Fehlen der Mittelschicht gekennzeichnet.
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Se|vil|la [...'vɪlja]: Stadt in Südspanien.
Universal-Lexikon. 2012.