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Kastilien
Kas|ti|li|en; -s:
historisches Reich in Spanien.

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Kastili|en,
 
spanisch Castilla [kas'tiʎa; iberoromanisch castellos über arabisch Qastilya »Land der Burgen«], das zentrale, weiträumige, gebirgsumrahmte Hochland Spaniens, die leicht westwärts geneigten Tafelflächen (Mesetas) im Bereich der Iberischen Masse und deren tertiärer Beckenfüllungen; getrennt durch das Kastilische Scheidegebirge (Sistema Central, Cordillera Central) in Altkastilien (N-Meseta) im Norden und Neukastilien im Süden — Altkastilien (Region Kastilien-León [Castilla y León]), umfasst die Provinzen Ávila, Burgos, León, Palencia Salamanca, Segovia, Soria, Valladolid und Zamora mit 94 224 km2 und 2,57 Mio. Einwohnern, und Neukastilien (Castilla la Nueva) mit den Regionen Kastilien-La Mancha (Castilla-La Mancha; mit den Provinzen Albacete, Ciudad Real, Cuenca, Guadalajara und Toledo; 79 462 km2, 1,7 Mio. Einwohner) und Comunidad de Madrid mit 8 028 km2 und 5,085 Mio. Einwohnern. Kastilien hat eine relativ geringe Bevölkerungsdichte (Kastilien-León 27,3 Einwohner/km2, Kastilien-La Mancha 21,4 Einwohner/km2), nur in Madrid steigt sie auf 633,4 Einwohner/km2; Abwanderungsgebiete sind seit langem die südlichen Provinzen von Altkastilien und die östlichen und südlichen Provinzen von Neukastilien, Zuzugsgebiete sind die Ballungsräume von Madrid und Valladolid.
 
In Altkastilien ist die heutige Siedlungs- und Flurstruktur (Städte-, Burgennetz; Klein-, Mittelbesitz) in den Grundzügen durch die hier nur langsam und unter Ruhephasen voranschreitende Reconquista mit entsprechender Wiederbevölkerung bestimmt worden. Die Industrialisierung hat erst wenige Zentren herausgebildet: Valladolid, Burgos, León, Medina del Campo, Béjar. Auch in Neukastilien sind die Grundzüge der heutigen Siedlungs- und Flurstruktur (weitständige Großdörfer, dominierender Großgrundbesitz) durch die Reconquista bestimmt worden, die hier aber rascher und großräumiger vorankam. Mit Ausnahme des Ballungsraums von Madrid ist der Industrialisierungsgrad Neukastiliens noch geringer als der Altkastiliens: Im Norden haben sich Aránjuez und Toledo, im Zentrum Alcázar de San Juan und Manzanares (Entlastungsstandorte für Madrid) und im Süden Puertollano und Almadén als industrielle Entwicklungskerne gebildet.
 
Geschichte:
 
Der Name Kastilien kam um 800 für die im Osten an das Königreich León anschließende Landschaft zu Füßen des Kantabrischen Gebirges auf, die vom Ebrotal her verwundbar und - zur Abwehr der Araber, die 711 das Westgotenreich von Toledo erobert und fast das gesamte Gebiet des heutigen Kastilien besetzt hatten - mit vielen Kastellen bestückt war. Hier herrschten seit dem späten 8. Jahrhundert Grafen, die von den Königen von Asturien und León eingesetzt wurden. Erst Graf Ferdinand González gelang es um 930, mehrere kleinere Grafschaften zur Großgrafschaft Kastilien zusammenzufassen; Hauptstadt wurde Burgos. Sancho III., der Große, von Navarra, der 1029 Kastilien (als Erbe seiner Gattin) in Besitz nahm, übertrug im gleichen Jahr den Grafentitel seinem Sohn Ferdinand (I., dem Großen), der bei der Reichsteilung nach dem Tod des Vaters (1035) die Grafschaft erhielt und - 1037/38 König von León und Burgos geworden - diese erstmals mit León vereinigte. Ferdinands Sohn Alfons VI. einte 1072 das nach dem Tod des Vaters (1065) geteilte Reich erneut, eroberte 1085 das maurische Teilreich Toledo (das spätere Neukastilien) und verlegte die Residenz in die Stadt Toledo. Kastilien wurde zum mächtigsten Reich der Reconquista, und manche Herrscher - angefangen bei Ferdinand I. - nahmen den Kaisertitel an, der ihren Führungsanspruch gegenüber den anderen christlichen Reichen bekräftigen sollte. 1212 brach Alfons VIII. (unterstützt von Navarra und Aragonien) durch seinen Sieg bei Las Navas de Tolosa (bei La Carolina, nördlich von Jaén) die Macht des Almohadenreiches. Ferdinand III., der Kastilien und León 1230 endgültig zu einem Reich vereinigte, errang mit der Eroberung von Córdoba (1236), Murcia (1243) und Sevilla (1248) die größten Erfolge der Reconquista.
 
Gleichzeitig mit seinem politisch-territorialen Aufstieg gewann Kastilien auch die kulturelle Vorherrschaft unter den christlichen Reichen; unter Alfons X., dem Weisen (1252-84), der selbst dichtete, galt der kastilische Hof als kultureller Mittelpunkt der Iberischen Halbinsel, und aus dem Kastilischen entwickelte sich die spanische Literatursprache, das Castellano. Im späten 13. und 14. Jahrhundert erschütterten mit Adelsaufständen verbundene dynastische Streitigkeiten das Reich; sie erreichten 1364-69 ihren Höhepunkt. Der Versuch Johanns I., das seit 1140 unabhängige Portugal zu annektieren, scheiterte 1385 mit der Niederlage bei Aljubarrota (Extremadura, Portugal). 1403 kamen jedoch die Kanarischen Inseln an Kastilien, und 1412 gelangte mit Ferdinand I. das kastilische Haus Trastámara in Aragonien auf den Thron. 1469 heiratete die kastilische Thronfolgerin Isabella (I.) den Thronerben von Aragonien, Ferdinand (II.), der nach ihrer Thronbesteigung Mitkönig und Mitregent in Kastilien wurde (1474/75). Das Königspaar behauptete sich im Kastilischen Erbfolgekrieg (1474-79). Obwohl Kastilien und Aragonien ihr staatsrechtliches Eigenleben behielten, schufen die Katholischen Könige ein neuzeitliches Staatswesen, aus dem Spanien erwuchs (Spanien, Geschichte). Sie begründeten das spanische Kolonialreich, vollendeten durch die Eroberung Granadas (1492) die Reconquista und erwarben 1512 Navarra für die Krone Kastiliens, das spanische Kernland blieb. - Die beiden kastilischen Provinzen erhielten 1983 ein Autonomiestatut.
 
Literatur:
 
J. Valdeón Baruque: El reino de Castilla en la Edad Media (Bilbao 1968);
 J. Pérez de Urbel: El condado de Castilla, 3 Bde. (Madrid 1969-70);
 M. Delibes: Castilla, lo castellano y los castellanos (Barcelona 61982).
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
Spanien und die Reconquista: Eine Großmacht entsteht
 

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Kas|ti|li|en; -s: historisches Reich in Spanien.

Universal-Lexikon. 2012.