Wie|der|auf|ar|bei|tung 〈f. 20; unz.〉 = Wiederaufbereitung
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Wie|der|auf|ar|bei|tung: svw. ↑ Aufarbeitung.
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Wie|der|auf|ar|bei|tung, die; -, -en:
Wiederaufbereitung.
Dazu:
Wie|der|auf|ar|bei|tungs|an|la|ge, die.
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Wieder|aufarbeitung,
Wieder|aufbereitung, englisch Reprocessing [rɪ'prəʊsesɪȖ], Kerntechnik: Teil des Brennstoffkreislaufs und des zurzeit in Deutschland neben der direkten Endlagerung gesetzlich zugelassenen zweiten Entsorgungswegs für bestrahlte Brennelemente (Entsorgung). Ziel der Wiederaufarbeitung ist es, verwertbare Stoffe, insbesondere Uran (U) und Plutonium (Pu), durch mechanische und chemische Zerlegung verbrauchter Brennelemente zurückzugewinnen, die radioaktiven Abfälle (v. a. die hochradioaktiven Spaltprodukte und die restlichen Transurane) abzutrennen und so einzuschließen, dass sie in ein Endlager überführt werden können. Die Menge und das Volumen der in ein Endlager zu verbringenden Stoffe wird dadurch im Vergleich zur direkten Endlagerung stark reduziert.
Die Wiederaufarbeitung ist insofern von volks- und energiewirtschaftlicher Bedeutung, als die aus den bestrahlten Brennelementen zurückgewonnenen Kernbrennstoffe Uran und Plutonium erneut zur Energiegewinnung eingesetzt werden können. Während der etwa drei- bis vierjährigen Einsatzzeit in den heutigen Leichtwasserreaktoren (LWR) entsteht durch Kernspaltung und Neutroneneingang aus 100 % Uran (z. B. 96,7 % U 238 und 3,3 % U 235) eine Mischung aus etwa 95,5 % Uran (0,44 % U 236, 0,76 % U 235, 94,3 % U 238), 0,9 % Plutonium (davon wiederum rd. 65 % spaltbares Pu) und 3,5 % hochradioaktiven Spaltprodukten. Durch Wiederanreicherung des Urans (Urananreicherung) und durch Verarbeitung der zurückgewonnenen Kernbrennstoffe zu neuen Uran- oder Uran-Plutonium-Mischoxid-Brennelementen (MOX-Brennelemente) könnten während der Lebensdauer eines LWR-Kernkraftwerks rd. 25-35 % des Primärenergieträgers Natururan gespart sowie der Anfall des hochgiftigen Plutoniums mit seinen langlebigen radioaktiven Isotopen um rd. 50 bis 75 % reduziert werden. Beim Einsatz von schnellen Brütern ist die Wiederaufarbeitung verbrauchter Brennelemente zur Plutoniumrückführung zwingend erforderlich.
Eine Wiederaufarbeitungsanlage (WAA) ist eine chemische Anlage, ausgelegt nach den Regeln und Richtlinien zur Gewährleistung der Kritikalitätssicherheit, zur Vermeidung und Bekämpfung von Bränden, zur Verhinderung von Explosionen, zum Schutz gegen Einwirkungen von außen (EVA), zum Arbeitsschutz und zur Minimierung der Strahlenbelastung des Personals bei Betrieb und Instandhaltung sowie zur Kernmaterialüberwachung und Prozessoptimierung. Der Prozess der Wiederaufarbeitung läuft nach folgendem Schema ab: 1) In der Eingangsstufe werden die Brennelemente zerlegt und zerkleinert; anschließend wird der Brennstoff in siedender Salpetersäure aufgelöst. Die Hüllen und Strukturteile aus Zircaloy und Edelstahl bleiben zurück und werden nach Reinigung der Abfallbehandlung zugeführt. Beim Zerlege- und Lösevorgang frei werdende Gase und Aerosole werden in eine Abgasreinigungsstrecke geleitet. 2) Bei der Extraktion werden im Purex-Verfahren die wieder verwendungsfähigen Brennstoffe Uran und Plutonium von den hochradioaktiven Spaltprodukten und restlichen Transuranen (Americium, Curium u. a.) getrennt. 3) Schließlich werden in der Endstufe Uran und Plutonium für den Transport beziehungsweise für die Weiterverarbeitung aufbereitet und alle radioaktiven Abfälle für die Endlagerung beziehungsweise eine längerfristige Zwischenlagerung konditioniert.
1) Eingangsstufe: Die bestrahlten Brennelemente werden in speziellen Transportbehältern (CASTOR-Behälter) von den Kernkraftwerken beziehungsweise den zentralen oder dezentralen Zwischenlagern zur WAA transportiert, von Deutschland derzeit nach Cap de la Hague (Unternehmen: Cogema, Frankreich) und nach Sellafield (Unternehmen: BNFL, Großbritannien). Die anfallenden Brennelemente werden zunächst in einem Pufferlager an der WAA zwischengelagert. Nach einer Abklingzeit (drei bis sieben Jahre nach Entladung aus dem Kernreaktor), in der sich die Nachzerfallsleistung und die Strahlungsintensität auf die für die Aufarbeitung notwendigen Werte reduzieren, werden die Brennelemente der eigentlichen Wiederaufarbeitung zugeführt. Um den Brennstoff in Salpetersäure auflösen zu können, muss er freigelegt werden. Dies geschieht durch Zerschneiden der Brennelemente in kurze Stücke, wozu zwei Scherensysteme, Einzelstabschere und Bündelschere, entwickelt wurden. Der Auflösevorgang dauert vier bis sechs Stunden bei Prozesstemperaturen zwischen 90 und 110 ºC. Nach Wegfall der kritikalitätssicheren Brennelementgeometrie und der strukturellen Bauteile ist die Vermeidung einer unerwünschten Kettenreaktion von besonderer Bedeutung. Dazu dienen konstruktive Maßnahmen (kritisch-sichere Größe des Auflösers), Neutronen absorbierende Materialien (Borcarbid- oder Hafniumbleche) oder die Bestimmung der geeigneten Losgröße durch Messung des Restspaltstoffgehalts in den zu verarbeitenden Brennelementen mittels eines Neutronenzählers.
2) Extraktion: Das zur Abtrennung der Spaltprodukte von den Brennstoffen seit mehr als 30 Jahren eingesetzte Purex-Verfahren beruht auf dem Prinzip der Extraktion. Die salpetersaure Lösung (wässrige Phase) des Brennstoffs und der Spaltprodukte wird dabei in innigem Kontakt mit einer nichtmischbaren organischen Lösung (organische Phase, Tributylphosphat und Kerosin oder Dodekan) verwirbelt. Die Brennstoffe Uranylnitrat und Plutoniumnitrat lösen sich in der organischen Phase, wobei die Verteilungskoeffizienten des Urans und Plutoniums eine Funktion der Salpetersäurekonzentration sind, während die Spaltprodukte in dieser organischen Phase praktisch unlöslich sind. Durch mehrfaches Wiederholen des Prozesses von Extraktion und Waschen mit stark verdünnter Salpetersäure werden Uran und Plutonium voneinander getrennt und anschließend gereinigt.
3) Endstufe: Die im Abgas auftretenden Radionuklide Krypton (Kr 85), Tritium (H 3) und Kohlenstoff (C 14) werden bei der Wiederaufarbeitung, unter Einhaltung der Strahlenschutzbestimmungen, bisher nicht zurückgehalten. Jod (J 129) wird durch Wäsche und Filter ausgesondert, wobei im Forschungszentrum Karlsruhe GmbH Reinigungsgrade von mehr als 99 % erreicht wurden. Flüssige und feste Abfälle werden entsprechend ihrer Aktivitätsinventare in endlagerfähige Abfallgebinde verarbeitet. Die hochradioaktive Spaltproduktlösung (englisch high activity waste, HAW) wird in Borosilikatgläser eingebettet und in einen Stahlbehälter eingeschlossen. Hierfür sind zwei Verfahren entwickelt worden: das deutsche Pamela-Verfahren, das in Mol (Belgien) zur Verglasung der bei der belgischen EUROCHEMIC-Anlage anfallenden Spaltproduktlösungen verwendet wurde, und das französische AVM-Verfahren, das in den Anlagen der Cogema zum Einsatz kommt. MAW-Abfälle (von englisch middle activity waste) aus Hüllen und Strukturteilen sowie der so genannte »Feed-Klärschlamm« (in Salpetersäure schwer lösliche Bestandteile) werden vorzugsweise einzementiert beziehungsweise Letzterer auch bituminiert (Frankreich). LAW-Abfälle (von englisch low activity waste) werden teilweise zementiert, teilweise gesammelt und in endlagerfähige Behälter verpackt. Neuerdings werden wegen noch nicht vorhandener Endlager große Anstrengungen zur Reduktion der Volumina der in der WAA anfallenden Endlagergebinde unternommen, z. B. durch Verglasung der Feed-Klärschlämme, durch Verpressen der Hüllen und Strukturteile und durch sorgfältiges Sortieren und Verarbeiten der LAW-Abfälle.
Die ersten WAA wurden für militärische Zwecke, d. h. zur Gewinnung von Waffenplutonium, gebaut. Bei den Überlegungen zur Wiederaufarbeitung für zivile Zwecke stand am Anfang der Brennstoffzyklus für die Brutreaktortechnik im Vordergrund. WAA zur Aufarbeitung von Brennstoff aus Leichtwasser- und Gas-Graphit-Reaktoren dienten zunächst der Produktion von Plutonium für die geplanten schnellen Brüter. Im deutschen Atomgesetz wurde zunächst ein Vorrang der wirtschaftlichen Wiederverwendung der Reststoffe festgelegt (1976); 1994 wurde jedoch nach einer Reihe von Untersuchungen die direkte Endlagerung bestrahlter Brennelemente als weiterer Entsorgungsweg zugelassen. Bis Anfang der 1970er-Jahre standen der Wiederaufarbeitung keine politische Widerstände im Weg. Eine deutsche Prototypanlage mit einem jährlichen Durchsatz bis zu 40 t wurde in Karlsruhe gebaut (Wiederaufarbeitungsanlage Karlsruhe, WAK, Inbetriebnahme 1971, seit 1991 stillgelegt), Trägergesellschafter waren die Unternehmen Bayer, Hoechst, Gelsenberg und NUKEM. Diese gründeten 1971 die KEWA (Kernbrennstoff-Wiederaufarbeitungs GmbH). 1975 zog sich die chemische Industrie aus der KEWA zurück, die weiteren Aktivitäten mussten die deutschen Energieversorgungsunternehmen (EVU) gemäß dem Verursacherprinzip selbst übernehmen. Über die spätere DWK (Deutsche Gesellschaft zur Wiederaufarbeitung von Kernbrennstoffen) planten sie das integrierte Entsorgungszentrum Gorleben mit einer WAA (Jahreskapazität 1 400 t). Nach einer umfangreichen Anhörung (Gorleben-Hearing) 1978/79 zeigte sich, dass die Anlage politisch nicht durchsetzbar war. Nach weiteren Standortdiskussionen wurde im Oktober 1982 eine kleinere Anlage (Jahreskapazität 350 t) in Wackersdorf (Landkreis Schwandorf) beantragt. Nach schwersten öffentlichen Protesten und zahlreichen Demonstrationen wurde das Projekt Wackersdorf trotz der inzwischen erfolgten Baufortschritte 1989 eingestellt und die Wiederaufarbeitung ins Ausland verlagert. Langfristige Verträge bestehen mit der französischen Cogema und der britischen BNFL, deren Anlage THORP (»thermal oxide reprocessing plant«) in Sellafield seit 1994 kommerziell betrieben wird. Zusätzlich wurden zwei Brennelementelager (Gorleben und Ahaus) zur längerfristigen Zwischenlagerung von bestrahlten Brennelementen errichtet. Das aus der Wiederaufarbeitung anfallende Plutonium wurde zunächst in einer Pilotanlage der Firma ALKEM (1988 von der Firma Siemens übernommen) in Hanau zu MOX-Brennelementen verarbeitet. Eine neue Anlage (Jahreskapazität rd. 100 t) wurde zu etwa 95 % fertig gestellt. Aufgrund des ausstiegsorientierten Gesetzesvollzugs der damaligen Landesregierung von Hessen und der damit verbundenen Betriebsbehinderungen und Verzögerungen im Genehmigungsverfahren für die neue Anlage gab Siemens 1995 die gesamte Brennelementfertigung (Uran- und MOX-Brennelemente) in Hanau auf.
Kritiker bemängeln, dass bei den laufenden WAA, z. B. der Anlage in Sellafield, erhebliche Mengen radioaktiver Stoffe, v. a. zusammen mit den Abwässern ins Meer, freigesetzt würden. Darüber hinaus sei die Rückgewinnung von Uran und Plutonium ökonomisch nicht sinnvoll und die Wiederaufarbeitung unter Entsorgungsgesichtspunkten wesentlich teurer als die direkte Endlagerung. Dem wird von Befürwortern entgegengehalten, nur durch Wiederaufarbeitung könnten der Rohstoff Uran effektiv genutzt, die Plutoniummengen reduziert und die insgesamt der Endlagerung zugeführten Stoffmengen (auch angesichts noch nicht vorhandener Lagerkapazitäten) minimiert werden. Der ökonomische Nutzen der Wiederaufarbeitung hängt eng mit dem Weltmarktpreis für Uran zusammen, über dessen Entwicklung gegensätzliche Prognosen gemacht werden, sowie mit den Kosten für die Anreicherung von Natururan.
Gemäß den Vereinbarungen zwischen der Bundesregierung und den EVU vom 14. 6. 2000 soll die Wiederaufarbeitung bestrahlter Brennelemente nur noch bis zum 30. 6. 2005 gestattet werden. Bis zu diesem Zeitpunkt sollen auch Transporte zur Wiederaufarbeitung zugelassen werden.
Nukleare Entsorgung (1981 ff., Schriftenreihe);
W. Bähr: Entsorgung in W.-Anlagen (1984);
D. H. Scheuing: Grenzüberschreitende atomare W. im Lichte des europ. Gemeinschaftsrechts (1991);
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
Brennelemente und Wiederaufbereitung
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Wie|der|auf|ar|bei|tung, die; -, -en: Wiederaufbereitung: Erst 100 000 Tonnen Altreifen rollen nach W. erneut über die Straße (natur 8, 1991, 61).
Universal-Lexikon. 2012.