Ty|po|lo|gie 〈f. 19〉 Lehre von den menschl. Typen hinsichtlich ihrer Lebensform, Konstitution, Weltanschauung u. a. [<Typ + grch. logos „Lehre, Kunde“]
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2. (bes. Psychol.) System von [psychologischen] Typen:
unterschiedliche -n der Wissenschaftler.
3. (bes. Psychol.) Gesamtheit typischer Merkmale:
die T. des Bankräubers.
4. (Theol.) Wissenschaft, Lehre von der Vorbildlichkeit alttestamentlicher Personen u. Ereignisse für das Neue Testament u. die christliche Kirche.
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Typologie
[zu Typ und griechisch lógos »Rede«, »Wort«, »Vernunft«] die, -/...'gi|en,
1) allgemein: die Lehre vom Typus; wissenschaftliche Beschreibung und Einteilung eines Gegenstandsbereichs nach Gruppen von einheitlichen Merkmalskomplexen.
2) biblische Exegese: die Auslegung biblischer Texte, wobei das Alte Testament christologisch (im Hinblick auf die Heilsbedeutung Jesu Christi) interpretiert beziehungsweise bestimmte Personen beziehungsweise Erzählungen aus Altem Testament und Neuem Testament als Typos (Typus 3) und Antitypos zueinander in Beziehung gesetzt werden. Aussagen des Alten Testaments erscheinen so als sinnträchtige, über den Literalsinn (Buchstabensinn) hinausgehende Vorausdarstellungen dessen, was im Neuen Testament beziehungsweise in Christus seine Entsprechung und Erfüllung findet. Eine solche (auf Christus bezogene) Deutung des Alten Testaments findet sich bereits im Neuen Testament selbst (z. B. 1. Korintherbrief 10, 1-13; Römerbrief 5, 12 ff.; Johannes 6; Hebräerbrief 7-8). Sie wurde als Auslegungsmethode aus dem hellenistischen Judentum übernommen und später besonders bei den Kirchenvätern und im Mittelalter gepflegt. Auch in der reformatorischen Auslegungstradition konnte sich trotz Ablehnung der Auffassung eines vielfachen Schriftsinns die Typologie als christologische Deutung erhalten. Erst seit dem Rationalismus (v. a. durch J. S. Semler) und der Entwicklung der historisch-kritischen Exegese wurde sie abgelehnt. (Exegese, Schriftsinn)
In der christlichen Kunst finden sich frühe Beispiele einer Typologie auf der Lipsanothek von Brescia, auf den Türen der römischen Kirche Santa Sabina (um 430) und der Cathedra des Erzbischofs Maximian von Ravenna (* 498, ✝ 556; um 550; Ravenna, Museo Arcivescovile). Reich an typologischen Bezügen sind Werke des Hochmittelalters, so v. a. die ursprünglich 1181 von Nikolaus von Verdun in Klosterneuburg als Umkleidung eines Ambo gestalteten emaillierten Kupfertafeln des »Verduner Altars«, erweitert um 1330 nach der Biblia pauperum und ihren typologischen Zyklen. Eine weitere Bilderbibel der Zeit war das »Speculum humanae salvationis«. In Frankreich ist bereits seit dem 13. Jahrhundert eine Form der nach typologischen Gesichtspunkten illustrierten Bibel (Bible moralisée) nachzuweisen. - In der byzantinischen Kunst, besonders der kirchlichen Wandmalerei, sind typologische Gegenüberstellungen üblich.
L. Goppelt: Typos. Die typolog. Deutung des A. T. im Neuen (1939, Nachdr. 1990);
H.-J. Spitz: Die Metaphorik des geistigen Schriftsinns (1972);
P. Jentzmik: Zu Möglichkeiten u. Grenzen typolog. Exegese in mittelalterl. Predigt u. Dichtung (1973);
A. T. u. christl. Glaube, hg. v. I. Baldermann u. a. (1991).
3) Biologie: die vergleichende Morphologie.
4) Psychologie: Typenlehre, der Versuch der systematischen Gliederung und Beschreibung von psychischen oder psychophysischen Erscheinungen und zugehörigen charakterlichen Merkmalen und Verhaltensmustern. Entsprechend der für einen Typus als bestimmend angesehenen Aspekte lassen sich typologische Entwürfe unterscheiden, die entweder von einzelnen Merkmalen oder von umfassenden Bestimmungsmomenten morphologischer (anatomischer), funktioneller (physiologischer und psychischer) oder geistig-weltanschaulicher Art ausgehen.
Zu den ältesten Versuchen morphologischer Typenbeschreibung rechnet die antike Temperamentenlehre (Temperament) mit ihrer Gliederung der Persönlichkeitsunterschiede nach vier Typen: Choleriker, Phlegmatiker (Phlegma), Sanguiniker, Melancholiker (Melancholie). Große Bedeutung erreichte in der Neuzeit die teils hieran anknüpfende, aber auf eine naturwissenschaftliche Begründung zielende Konstitutionstypologie (Konstitutionstypen). E. Kretschmer geht dabei von beobachtbaren Kriterien (Körperbau, Krankheitsneigung) aus und ordnet ihnen bestimmte Formen des Temperaments, Charakters und Verhaltens zu; er unterscheidet als Körperbautypen Leptosome, Pykniker, Athletiker, mit den Temperamenten der Schizothymie, Zyklothymie und dem viskösen Temperament; W. H. Sheldon entwarf eine ähnliche Dreiteilung (Somatotypus), die ausgehend von somatischen Grundkomponenten ektomorphe, endomorphe und mesomorphe Typen annimmt und ihnen die psychischen Grundfaktoren der Zerebrotonie, Viszerotonie und Somatotonie zuordnet. Carl Huter (* 1861, ✝ 1912) versuchte eine Typologie auf der Grundlage der Physiognomik, die auch alle anderen morphologischen Typenbeschreibungen beeinflusste.
Funktionstypologische Systeme
gehen entweder von Art und Grad des Zusammenwirkens der psychischen Funktionen aus, wie die Integrationstypologie von E. R. Jaensch, der nach Art und Richtung der Integration sechs Typen unterschied (darunter B-Typus und T-Typus), oder von bestimmten Erlebnisweisen des Subjekts, wie bei den Einstellungs- und Funktionstypen von C. G. Jung (Erlebnisstruktur der Extraversion und Introversion; Denk-, Empfindungs-, Fühl-, Intuitionstypus zur Beschreibung der vier seelischen Grundfunktionen), den Aufmerksamkeitstypen von Gerhard Pfahler (* 1897, ✝ 1976), den Vorstellungstypen von J. M. Charcot (akustischer, motorischer und visueller Typus), wie auch den Wort- und Sachvorstellungstypen von E. Meumann. - Als herausragender Vertreter einer philosophisch-weltanschaulicher Typologie erlangte neben W. Dilthey mit seiner geisteswissenschaftlich-historischen Unterscheidung von »Weltanschauungstypen« als mögliche Sinndeutungen der Welt v. a. E. Spranger Bedeutung; er beschrieb in den »Lebensformen« die Idealtypen möglicher Lebenshaltungen und unterschied den ästhetischen Typus, den theoretischen, ökonomischen, sozialen und den religiösen Typus.
Die klassischen Typologien haben im Wesentlichen nur noch historische Bedeutung. Da sie viele subjektive Momente beinhalten (z. B. Art der Typenbeschreibung und -diagnose, theoretische u. a. Ausrichtungen des Untersuchers), sind zunehmend quantitative Verfahren zur Standardisierung typologischer Analysen eingeführt worden; jedoch gingen einzelne der früher ermittelten Grundeigenschaften (z. B. Introversion, Extraversion, Neurotizismus) in die moderne empirische, faktorenanalytische Persönlichkeitsforschung ein (R. B. Cattell, J. P. Guilford, H. J. Eysenck).
5) Vorgeschichtsforschung: das Aufstellen einer Abfolge von Typen bei Kulturgütern (z. B. Faustkeilformen); die typologische Methode hat sich seit 1871 (Hans Hildebrand, * 1842, ✝ 1913; O. Montelius; G. de Mortillet) als unentbehrliche Hilfsmittel für die chronologische Gliederung bewährt. Das Erkennen von Entwicklungstendenzen ermöglichte bei vielen Kulturgütern die Aufstellung von Typenserien, die deren Typogenese spiegeln. Aber nur der Vergleich vieler Typenserien, unter Berücksichtigung von Fundumständen und Typenkombinationen, kann den Beweis erbringen, dass der Formenwandel weitgehend nach evolutionistischen Mechanismen verläuft. Die Vorgeschichtsforschung bedient sich der Typologie deshalb nur noch in statistisch gesichertem Rahmen und in Verbindung mit anderen chronologischen Hilfsmitteln, besonders der Stratigraphie 2).
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Ty|po|lo|gie, die; -, -n [↑-logie]: 1. (bes. Psych.) <o. Pl.> Wissenschaft, Lehre von den [psychologischen] Typen (1 b); Typenlehre. 2. (bes. Psych.) System von [psychologischen] Typen: die -n beider Wissenschaftler unterscheiden sich erheblich voneinander. 3. (bes. Psych.) Gesamtheit typischer Merkmale: Über die „T. des Bankräubers“ gab Terrahe folgenden Exkurs (Welt 27. 4. 77, 1). 4. (Theol.) Wissenschaft, Lehre von der Vorbildlichkeit alttestamentlicher Personen u. Ereignisse für das Neue Testament u. die christliche Kirche.
Universal-Lexikon. 2012.