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Lügendetektor
Polygraf; Polygraph

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Lü|gen|de|tek|tor 〈m. 23; irreführende Bez. für〉 Polygraf

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Lü|gen|de|tek|tor, der:
Detektor (1), mit dem unwillkürliche körperliche Reaktionen eines Befragten registriert werden, die möglicherweise Rückschlüsse auf den Wahrheitsgehalt gemachter Aussagen zulassen.

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I
Lügendetektor
 
Ein Lügendetektor oder Polygraph (Mehrkanalschreiber) misst, wie sich Atmung, Blutdruck, Hautwiderstand und Puls eines Probanden bei der Befragung durch einen speziell ausgebildeten Psychologen verändern, und dient so zur Beurteilung des Wahrheitsgehalts der Antworten. Das Gerät wurde von den Psychologen Carl Gustav Jung und Max Wertheimer konzipiert. Sein Einsatz als Beweismittel im gerichtlichen Verfahren ist in den USA erlaubt, aber in Deutschland im Strafverfahren nach einem Spruch des Bundesgerichtshofs von 1954 ausgeschlossen. Die Diskussion um diese Grundsatzentscheidung ist in jüngerer Zeit erneut in Gang gekommen, da Polygraphen in Deutschland immer häufiger bei familien- und vormundschaftsrechtlichen Auseinandersetzungen Einsatz finden.
 
 Technisch-wissenschaftlicher Hintergrund
 
Ein Polygraph ist ein Gerät zur Messung und Aufzeichnung psychophysiologischer Vorgänge, das heißt von körperlichen Prozessen, die der willentlichen Kontrolle des Untersuchten weitgehend entzogen sind, die aber entscheidend von seiner psychischen Belastung abhängen. In erster Linie sind dies Blutdruck, Puls- und Atemfrequenz sowie Schweißabsonderung, seltener wird die Pupillengröße herangezogen. Zur Pulsmessung werden meist die Herzströme (EKG, Elektrokardiogramm) aufgezeichnet, die Hautfeuchtigkeit wird anhand des Hautwiderstands gemessen. Einige Systeme analysieren alternativ auch die Sprechstimme des Probanden. Dem Beschuldigten werden während der Messung Fragen gestellt, deren Inhalt vom angewendeten Testverfahren abhängt. Eine wichtige Rolle spielen bei allen Verfahren neutrale Kontrollfragen, anhand deren die psychische Grundbelastung während der Untersuchung gemessen wird. Man geht davon aus, dass ein Täter, der seine Tat leugnet, auf tatbezogene Fragen anders reagiert als ein Nichttäter, bei dem das Messergebnis hier dem der Kontrollfragen entspricht. Die Fragen werden mehrmals in unterschiedlicher Reihenfolge gestellt. Aus einem Vergleich der unterschiedlichen Ausschläge der Messkurven soll auf die Täterschaft des Beschuldigten geschlossen werden können. Die Zuverlässigkeit der Beurteilung wird bei etwa 95 % angesiedelt (bei einer einzelnen Person). Eine psychophysiologische Tatbestandsdiagnostik ist nur technisch möglich, wenn der Beschuldigte zu einer solchen Untersuchung bereit ist, da sie ein hohes Maß an Kooperationsbereitschaft erfordert.
 
 Geschichte und Einsatz des Polygraphen
 
Den Gedanken, psychophysiologische Vorgänge als Indikatoren für den Wahrheitsgehalt von Beschuldigtenaussagen zu nutzen, entwickelten Ende des 19. Jahrhunderts unabhängig voneinander die beiden Psychologen M. Wertheimer und C. G. Jung. In die Vereinigten Staaten gelangte dieses Konzept, als der Freiburger Ordinarius für Psychologie, Hugo Münsterberg, im Jahr 1897 an die Harvard University in Cambridge (Ma.) berufen wurde. Münsterbergs Interesse galt der experimentellen Aussagepsychologie, speziell der forensischen Psychologie. Die Zusammenfassung seiner Forschungsergebnisse, sein Buch »On the Witness Stand« von 1908, fand große Beachtung in der nordamerikanischen Fachwelt. Im Jahr 1921 baute John Larson den ersten Polygraphen. Polygraphen entwickelten sich bei der US-amerikanischen Kriminalpolizei rasch zu gebräuchlichen Instrumenten der Verbrechensaufklärung und für den Unschuldsbeweis.
 
Heute ist der Polygraphentest in 36 Bundesstaaten als Beweismittel zugelassen, wenn Angeklagter und Staatsanwalt damit einverstanden sind. In New Mexico genügt es bereits, wenn nur eine der beiden Seiten den Test fordert. Der Supreme Court bestimmte jedoch, dass diese Tests vor Militärgerichten der amerikanischen Armee nicht verwendet werden dürfen, da wissenschaftliche Zweifel an ihrer Zuverlässigkeit bestünden.
 
Nach dem Zweiten Weltkrieg (1944/45) setzten die Amerikaner den Polygraphen in Deutschland bei der Vernehmung der als Kriegsverbrecher Verdächtigten ein. Bei der bundesdeutschen Gerichtsbarkeit stieß diese Methode auf große Skepsis. Der Erste Strafsenat des Bundesgerichtshofs erklärte die Verwertung von Polygraph-Untersuchungsergebnissen im Strafverfahren durch Urteil vom 16. 11. 1954 für unzulässig. Zur Begründung hieß es, die Anwendung polygraphischer Untersuchungsmethoden greife in die Intimsphäre des Beschuldigten ein und verletze seine Menschenwürde sowie die Freiheit der Willensentscheidung: Wenn diese Testmethode zugelassen würde, erhöhe eine Testverweigerung den Tatverdacht. Auch in Österreich und der Schweiz ist der Einsatz des Polygraphen im gerichtlichen Ermittlungsverfahren nicht erlaubt.
 
Das Bundesverfassungsgericht hat in einem Beschluss vom 15. 10. 1997 die Möglichkeit offen gelassen, polygraphische Gutachten im Strafverfahren zu verwerten. Der Bundesgerichtshof entschied in seinem Urteil vom 17. 12. 1998 wiederum, dass die psychophysiologische Aussagebegutachtung (Lügendetektorverfahren) als Beweismittel im Strafverfahren völlig ungeeignet sei. In der Begründung wird auf die mangelhafte wissenschaftliche Absicherung der Methode und die Unbrauchbarkeit der statistischen Untersuchungsergebnisse verwiesen. Dennoch wird in der Strafrechtswissenschaft immer häufiger die Meinung vertreten, dass die Verwertung eines auf Wunsch des Beschuldigten durchgeführten Tests bedeutsam oder sogar geboten sei. Verschiedene Familien- und Vormundschaftsgerichte hatten keine Bedenken, den Lügendetektor bei den dort zur Verhandlung stehenden zivilrechtlichen Streitfällen einzusetzen.
 
Ob eine eventuelle Erhöhung der Zuverlässigkeit dieser Geräte durch technische Verbesserung und Nutzung weiterer physiologischer Parameter (Elektroenzephalogramm [EEG], Augenbewegungen, Muskeltonus) zu einer höheren Akzeptanz seitens der deutschen Strafgerichte führen wird, bleibt abzuwarten.
II
Lügendetektor,
 
in der Kriminalistik verwendetes Gerät, das kontinuierlich ablesbare Aufzeichnungen über den Verlauf der Herzströme, der Atemfrequenz, des Blutdrucks und der Hautfeuchtigkeit (psychogalvanische Reaktion) einer gleichzeitig befragten Person macht. Der Lügendetektor soll die Erregung (charakterisiert durch Erhöhung von Blutdruck und Atemfrequenz, Erniedrigung des elektrischen Hautwiderstandes) anzeigen, die auftreten kann, wenn die befragte Person das Wissen um einen bestimmten Sachverhalt zu verbergen oder zu verfälschen sucht.
 
Die Sicherheit der mit dem Lügendetektor erzielten Befunde ist umstritten, da die gemessenen Werte offenbar auch weitgehend von der angewandten Verhörtechnik abhängen.
 
In Deutschland wie in Österreich und der Schweiz ist der Einsatz eines Lügendetektors bei juristischen Ermittlungsverfahren nicht erlaubt, weil damit gegen den Willen des Befragten in dessen Persönlichkeitskern eingedrungen und somit gegen die Menschenwürde verstoßen wird; neuerdings wird jedoch diskutiert, ob der Lügendetektor nicht zur Entlastung Beschuldigter auf deren Wunsch zugelassen werden sollte.
III
Lügendetektor,
 
in der Kriminalistik verwendetes Gerät, das kontinuierlich ablesbare Aufzeichnungen über den Verlauf der Herzströme, der Atemfrequenz, des Blutdrucks und der Hautfeuchtigkeit (psychogalvanische Reaktion) einer befragten Person macht. Der Lügendetektor soll die Erregung (charakterisiert durch Erhöhung von Blutdruck und Atemfrequenz, Erniedrigung des elektrischen Hautwiderstandes) anzeigen, die auftreten kann, wenn jemand versucht, das Wissen um einen bestimmten Sachverhalt zu verbergen oder zu verfälschen. Die Sicherheit der erzielten Befunde ist umstritten, da die gemessenen Werte offenbar auch von der Verhörtechnik abhängen. In Deutschland ist, wie in Österreich und in der Schweiz, die Verwendung eines Lügendetektors bei gerichtlichen Ermittlungsverfahren nicht erlaubt, weil sie gegen den Willen des Beschuldigten in den innersten Bezirk der Persönlichkeit eindringt und damit gegen die Menschenwürde verstößt.

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Lü|gen|de|tek|tor, der: Detektor (1), mit dem unwillkürliche körperliche Reaktionen eines Befragten registriert werden, die möglicherweise Rückschlüsse auf den Wahrheitsgehalt gemachter Aussagen zulassen.

Universal-Lexikon. 2012.