Akademik

Rubens
Rubens,
 
1) Heinrich, Physiker, * Wiesbaden 30. 3. 1865, ✝ Berlin 17. 7. 1922; ab 1896 Professor in Berlin; arbeitete über die Infrarotstrahlung, v. a. über ihre Erzeugung (Reststrahlmethode, 1896/97), ihre Messung (u. a. mit dem von ihm entwickelten Mikroradiometer) und ihre Eigenschaften (u. a. Nachweis ihrer elektromagnetischen Natur). Mit Ferdinand Kurlbaum (* 1857, ✝ 1927) zeigte Rubens 1900 die Ungültigkeit der wienschen Strahlungsformel bei großen Wellenlängen auf und gab damit einen Anstoß zur Aufstellung des planckschen Strahlungsgesetzes. Auch nach ihm benannt ist das rubenssche Flammenrohr zur Sichtbarmachung stehender Schallwellen.
 
 2) [flämisch 'ry-], Peter Paul, flämischer Maler, * Siegen 28. 6. 1577, ✝ Antwerpen 30. 5. 1640; Sohn eines Antwerpener Juristen, der als Reformierter nach Deutschland geflohen war (1568) und sich 1570 mit seiner Familie in Siegen niederließ. 1578 übersiedelte er nach Köln. Nach dem Tod des Vaters (1587) zog die Familie, die inzwischen zum katholischen Glauben zurückgekehrt war, wieder nach Antwerpen (1589). Rubens' Lehrer in der Malerei waren A. van Noort, T. Verhaecht und v. a. der Romanist O. van Veen. 1600 ging er nach Italien. Er trat in den Dienst des Herzogs Vincenzo Gonzaga in Mantua, der ihn mit Aufträgen in Rom und Spanien (1603) betraute. Danach arbeitete er in Rom und Genua. 1608 war Rubens wieder in Antwerpen, wo er 1609 Isabella Brant (* 1591, ✝ 1626) heiratete, Hofmaler des spanischen Statthalterpaares wurde und seine Werkstatt gründete. Hier baute er 1611-18 ein Palais im Stil der italienischen Spätrenaissance (heute Gedenkstätte). Rubens war auch am französischen, englischen und spanischen Hof tätig und mehrmals als Diplomat auf Reisen. Nach dem Tod seiner Frau heiratete er 1630 die 16-jährige Helene Fourment. Seit 1635 lebte er auf seinem Landschlösschen Steen bei Antwerpen. Sein Grab befindet sich in einer eigenen Kapelle in der Jakobskirche in Antwerpen.
 
Werk:
 
Rubens malte religiöse, geschichtliche, mythologische, allegorische Bilder, auch Porträts und Landschaften. Unerschöpflich war der Reichtum seiner Erfindung, die aus flämischen, italienischen und antiken Anregungen und Motiven eine neue Bildwelt erstehen ließ und sowohl religiöse als auch weltliche Themen mit leidenschaftlichem Leben erfüllte. Aus seiner Werkstatt gingen etwa 3 000 Gemälde hervor, von denen etwa 600 von ihm selbst gemalt oder überarbeitet worden sind. Seine Rötel-, Kreide- oder Tuschzeichnungen und Ölskizzen zeugen von einer spontanen, dynamischen Ausdruckskraft. Entscheidend für seine Entwicklung war der Aufenthalt in Italien, wo er neben der Malerei des römischen Frühbarock (Caravaggio, A. und A. Carracci) und der Renaissance (Tizian, Leonardo da Vinci, Michelangelo u. a.) auch antike Bildwerke studierte und seine ersten Altarwerke (für Kirchen in Mantua, Rom, Genua) und Porträts (»Bildnis der Marchesa Brigida Spinola Doria«, 1605-06; Washington, District of Columbia, National Gallery of Art) malte. Nach der Rückkehr in die Heimat begann sich aus der Fülle der italienischen Eindrücke sein persönlicher Stil zu entfalten. In seiner Werkstatt beschäftigte er viele Gehilfen und Schüler (1616/17-20 A. van Dyck), auch selbstständige Meister, die in seinen Bildern Tiere, Stillleben, Landschaften malten (F. Snijders, J. Bruegel der Ältere, J. Wildens u. a.).
 
Zu den nach seiner Heimkehr entstandenen Hauptwerken gehören die großen Aufträge für Kirchen und öffentliche Gebäude in Antwerpen, Brüssel und Mecheln wie »Anbetung der Könige« (um 1609; Madrid, Prado), Kreuzaufrichtungsaltar (1610-11; Antwerpen, Kathedrale), Kreuzabnahmealtar (1612-14; ebenda), »Wunderbarer Fischzug« (1618-20; Mecheln, Onze-Lieve-Vrouw-over-de-Dijle), »Anbetung der Könige« (1618-20; Antwerpen, Koninklijk Museum voor Schoone Kunsten). Für Kurfürst Maximilian I. von Bayern führte Rubens u. a. Jagdbilder (um 1615/16; München, Alte Pinakothek) und für Genueser Patrizier 1617 den Gemäldezyklus »Geschichte des Konsuls Decius Mus« (Vaduz, Sammlung Fürst Liechtenstein; unter Mitwirkung von van Dyck als Vorlage für Wandteppiche geschaffen) aus. 1619-20 arbeitete Rubens an der Ausstattung der Antwerpener Jesuitenkirche (zwei Altartafeln, Wien, Kunsthistorisches Museum; 39 Deckenbilder, 1718 verbrannt). Hauptauftrag der 1620er-Jahre war der 21 Gemälde umfassende Medici-Zyklus mit Szenen aus dem Leben Heinrichs IV. und Marias von Medici (1622-25; Paris, Louvre; Skizzen in München, Alte Pinakothek), ein Höhepunkt politisch-historischer Allegorie.
 
In seinem letzten Lebensjahrzehnt führte Rubens noch einige Großaufträge aus, wie die Deckengemälde im Banqueting House in London (1634), den dreiflügeligen Ildefonso-Altar (um 1630-32; Wien, Kunsthistorisches Museum), die Entwürfe zu den Festdekorationen für den Einzug Erzherzog Ferdinands in Antwerpen (1635; Skizzen zu den zehn Hauptwänden zum Teil erhalten in Sankt Petersburg, Eremitage, Wien, Kunsthistorisches Museum, Dresden, Gemäldegalerie) und die Ausstattung des Jagdschlosses Torre de la Parada bei Madrid (1636-38; heute u. a. in Madrid, Prado, Brüssel, Musées Royaux des Beaux-Arts). Das Schaffen der 1630er-Jahre wird jedoch bestimmt von intimen Themen wie Familienporträts und Landschaftsbildern. Der Farbauftrag ist flüssig und zunehmend dünner mit häufig sprühender Lichtführung. Die Bilder vermitteln den Eindruck großer Spontaneität. Hauptwerke dieser Zeit sind: »Der Liebesgarten« (um 1633; Madrid, Prado), »Die Kirmes« (um 1635; Paris, Louvre), »Landschaft mit Blick auf Schloss Steen« (1636; London, National Gallery), »Das Pelzchen« (um 1635-40; Wien, Kunsthistorisches Museum), »Helene Fourment und ihre beiden Kinder« (um 1636-37; Paris, Louvre), »Die drei Grazien« (um 1636-38; Madrid, Prado). - Der Einfluss seiner Kunst wirkte sich in ganz Europa aus, auch durch grafische Wiedergaben, die von ihm selbst geschulte Stecher und Holzschneider schufen (Rubensstecher). Seine architektonischen Studien veröffentlichte er in dem Werk »Palazzi di Genova«, 2 Bände (1622, Nachdruck 1969)..
 
Literatur:
 
Corpus Rubenianum, hg. v. L. Burchard, auf zahlr. Bde. ber. (Brüssel 1968 ff.);
 F. Baudouin: Pietro Pauolo R. (a. d. Niederländ., 1977);
 R. Liess: Die Kunst des R. (1977);
 
P. P. R., 1577-1640, bearb. v. G. Bott, Ausst.-Kat., 2 Bde. (1977);
 H. Kauffmann: P. P. R. (21978);
 
R., hg. v. E. Hubala (1979);
 J. Held: The oil sketches of P. P. R., 2 Bde. (Princeton, N. J., 1980);
 
P. P. R., Werk u. Nachruhm, hg. vom Zentral-Inst. für Kunstgesch. (1981);
 
R. and his world, hg. v. R. A. Hulst (Antwerpen 1985);
 C. White: P. P. R., Leben u. Kunst (a. d. Engl., 1988);
 M.-A. Lescourret: R. (Paris 1990);
 F. Billeter: Zur künstler. Auseinandersetzung innerhalb des Rubenskreises (1993);
 O. von Simson: P. P. R. (1577-1640). Humanist, Maler u. Diplomat (1996).
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
Rubens und seine Schüler
 

Universal-Lexikon. 2012.