Jacobi,
1) Carl Gustav Jacob, Mathematiker, * Potsdam 10. 12. 1804, ✝ Berlin 18. 2. 1851, Bruder von 5); habilitierte sich 1824 in Berlin, war 1826-43 im preußischen Königsberg tätig (ab 1830 als Ordinarius), wo er sich unter dem Einfluss von F. W. Bessel für angewandte Mathematik zu interessieren begann. 1834 richtete Jacobi mit F. E. Neumann das mathematisch-physikalische Seminar ein, das zu einem Zentrum der Mathematikerausbildung wurde und die preußische Universitätsreform nachhaltig beeinflusste. 1843 kehrte Jacobi nach Berlin zurück, wo er als Mitglied der Akademie wirkte.
Das wichtigste Arbeitsgebiet Jacobis war die Theorie der elliptischen Funktionen. Seine Ergebnisse fasste er in »Fundamenta nova theoriae functionum ellipticarum« (1829) zusammen; daneben Beiträge zu fast allen Gebieten der Analysis und zur Zahlentheorie. Mit seinen postum erschienenen »Vorlesungen über Dynamik. ..« (1866) entwickelte Jacobi den Ansatz von W. R. Hamilton weiter, was zur später so genannten Hamilton-Jacobi-Theorie führte. Jacobi hat wesentlich (neben C. F. Gauss und J. P. G. Dirichlet) dazu beigetragen, der deutschen Mathematik im frühen 19. Jahrhundert wieder Weltgeltung zu verschaffen.
2) Friedrich Heinrich, Schriftsteller und Philosoph, * Düsseldorf 25. 1. 1743, ✝ München 10. 3. 1819, Bruder von 3); war zunächst Kaufmann, dann Beamter, schließlich Professor der Philosophie und 1807-12 der erste Präsident der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in München. Jacobis Landsitz in Pempelfort bei Düsseldorf war lange Zeit ein Mittelpunkt des deutschen Geisteslebens (Begegnungen u. a. mit Goethe, C. M. Wieland, den Brüdern F. H. A. und K. W. von Humboldt und D. Diderot). Jacobi schrieb, in Auseinandersetzung mit dem Geniekult des jungen Goethe, die Briefromane »Aus Eduard Allwills Papieren« (Fragmente, erschienen 1775 in der Zeitschrift »Iris«, 1776 in »Der Teutsche Merkur«; vollständig erstmals 1781 unter dem Titel »Eduard Allwills Papiere«, in: »Vermischte Schriften«) und »Woldemar« (1779, überarbeitet 1796, 2 Bände). Auf B. de Spinozas Pantheismus gründet die Schrift »Über die Lehre des Spinoza in Briefen an den Herrn Moses Mendelssohn« (1785). Jacobi wendete sich kritisch gegen den Rationalismus der Aufklärung, die kantische Vernunftphilosophie und J. G. Fichtes Idealismus des Ich und Nicht-Ich des Selbstbewusstseins als absolutes Prinzip. Sein Denken stützte sich dagegen auf die Überlegenheit der unmittelbaren Empfindung gegenüber der Vernunft, die Erfahrung und Anerkennung der Wirklichkeit, wie sie ist, und die nicht von äußeren moralischen Gesetzen, sondern von der natürlichen Sittlichkeit geleitete Personalität des Menschen. Jacobi stand damit der religiösen Welt- und Lebensauffassung J. G. Hamanns, J. G. Herders und Jean Pauls nahe. Er verwendete als Erster den philosophischen Begriff des Nihilismus, mit dem er den kantischen und nachkantischen Idealismus charakterisieren wollte. Jacobis irrationalistische Gefühls- und Glaubensphilosophie antizipierte mit ihrem Anliegen, die Bedingungen menschlicher Existenz zu klären, wesentliche Elemente der durch die Philosophie S. Kierkegaards und die Existenzphilosophie geprägte geistesgeschichtlichen Entwicklung.
Weitere Werke: David Hume. Über den Glauben, oder Idealismus und Realismus (1787); Jacobi an Fichte (1799).
Ausgaben: Werke, herausgegeben von F. Roth u. a., 6 Bände (1812-25, Nachdruck 1980, 7 Bände); Die Hauptschriften zum Pantheismusstreit zwischen Jacobi u. Mendelsohn, herausgegeben von H. Scholz (1916); Briefwechsel. Historisch-kritische Gesamtausgabe, herausgegeben von M. Brüggen und anderen, auf 15 Bände berechnet (1981 folgende).
H. Nicolai: Goethe u. J. (1965);
F. H. J. Philosoph u. Literat der Goethezeit, hg. v. K. Hammacher (1971);
3) Johann Georg, Schriftsteller, * Düsseldorf 2. 9. 1740, ✝ Freiburg im Breisgau 4. 1. 1814, Bruder von 2); 1766 Professor für Philosophie in Halle (Saale); seit 1769 Kanonikus in Halberstadt; seit 1774 Herausgeber der Zeitschrift »Iris« (1803-13 unter dem Titel »Iris. Ein Taschenbuch für Frauenzimmer«), 1784 Professor für Ästhetik in Freiburg im Breisgau; konvertierte zum Katholizismus. Ein Spiegel des Zeitalters der Empfindsamkeit ist sein Briefwechsel mit J. W. L. Gleim. Jacobi stand unter dem Einfluss englischer und französischer Vorbilder und dichtete besonders im Stil der Anakreontik; von den Dichtern des Sturm und Drang wurde er verspottet.
Werke: Gedichte: Poetische Versuche (1764); Die Winterreise (1769); Als er von seinem Amor Abschied nahm (1770); Die Sommerreise (1770).
Prosa: Theatralische Schriften (1792).
4) Lotte, eigentlich Johanna Alexandra Jacobi, amerikanische Fotografin deutscher Herkunft, * Thorn 17. 8. 1896, ✝ Havenwood (New Hampshire) 6. 5. 1990; arbeitete nach ihrer Ausbildung an der Staatlichen Höheren Fachschule für Phototechnik in München (1925-27) im väterlichen Studio in Berlin. 1935 emigrierte sie in die USA, wo sie ein Atelier in New York eröffnete. Sie schuf Porträtaufnahmen bedeutender Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, auch Landschaftsaufnahmen und Photogramme (»photogenics«).
5) Moritz Hermann von (seit 1842), Physiker, * Potsdam 21. 9. 1801, ✝ Sankt Petersburg 11. 3. 1874, Bruder von 1); Professor in Dorpat (heute Tartu) und Mitglied der Akademie der Wissenschaften in Sankt Petersburg. Jacobi entwickelte 1837-39 die Galvanoplastik und erforschte deren technische Verwertbarkeit, baute 1834 einen größeren elektromagnetischen Motor und setzte sich für die Einführung des metrischen Maßsystems ein.
6) Wolfgang, Komponist, * Bergen auf Rügen 25. 10. 1894, ✝ München 15. 12. 1972; war 1922-33 Lehrer am Klindworth-Scharwenka-Konservatorium in Berlin, 1946-59 Professor für Komposition an der Musikhochschule in München. 1946 gründete Jacobi dort mit H. Mersmann das Studio für Neue Musik. Er schrieb Orchester- und Kammermusik, Chorwerke und Lieder.
Universal-Lexikon. 2012.