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elterliche Sorge
elterliche Sorge,
 
das Recht und die Pflicht der Eltern, für das minderjährige Kind zu sorgen (§§ 1626 ff. BGB). Die elterliche Sorge umfasst die Personen- und die Vermögenssorge. Bis zur Neuregelung des elterlichen Sorgerechts durch Gesetz vom 18. 7. 1979 (in Kraft seit 1. 1. 1980) sprach das Gesetz von elterlicher Gewalt.
 
Die Personensorge umfasst die Pflicht und das Recht der Eltern, für das leibliche, sittliche, geistige und seelische Kindeswohl zu sorgen. Hierzu gehören u. a. die Sorge für die unmittelbaren materiellen Bedürfnisse (Nahrung, Wohnung, Kleidung), die Pflege und Aufsicht über das heranwachsende Kind, seine Erziehung, namentlich die Wahl von Schule und Ausbildung, wobei auf die Eignung und Neigung des Kindes Rücksicht zu nehmen ist, die religiöse Kindeserziehung und die Bestimmung seines Aufenthaltes. Zur Personensorge gehört auch das Recht, in gewissem Umfang »angemessene Zuchtmittel« einzusetzen, unzulässig sind jedoch entwürdigende Erziehungsmaßnahmen, z. B. Einsperren im Dunkeln, Prügel (§ 1631). Die Vermögenssorge umfasst das Recht und die Pflicht der Eltern, das Vermögen des Kindes zu verwalten. Bestimmte Geschäfte, z. B. Grundstücksgeschäfte, die das Kindesvermögen betreffen, bedürfen der Genehmigung durch das Familiengericht. Die Haftung von Minderjährigen für Verbindlichkeiten, die die Eltern im Rahmen ihrer gesetzlichen Vertretung für sie begründet haben oder die durch Erbfall entstanden sind, ist auf das bei Eintritt der Volljährigkeit des Kindes vorhandene Vermögen beschränkt (Minderjährigenhaftungsbeschränkung, § 1629 a BGB, in Kraft seit 1. 1. 1999). Die Eltern wiederum haben für die bei Ausübung der elterlichen Sorge eintretenden Schäden dem Kind gegenüber zu haften (§ 1664). Allerdings haben sie nur für die Sorgfalt einzustehen, die sie in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegen; von der Haftung wegen grober Fahrlässigkeit sind sie jedoch nicht befreit. Die elterliche Sorge begründet nicht nur ein familienrechtliches Rechtsverhältnis, sondern bildet auch ein absolutes Recht (sonstiges Recht im Sinne von § 823 BGB), das gegen Dritte wirkt; sie genießt ferner den Schutz des Art. 6 GG (Eltern). Das Recht der elterlichen Sorge beginnt mit der Geburt des Kindes; bereits vorher kann unter bestimmten Voraussetzungen ein Pfleger bestellt werden (§ 1912 BGB). Es ist grundsätzlich unverzichtbar, unvererblich und unübertragbar, kann aber in seiner Ausübung beschränkt werden, z. B. bei Übergabe des Kindes in Familienpflege (§ 1630). Das Sorgerecht kann einem oder beiden Elternteilen durch das Familiengericht ganz oder teilweise entzogen werden, wenn das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes durch missbräuchliche Ausübung der elterlichen Sorge, Vernachlässigung des Kindes, unverschuldetes Versagen der Eltern oder das Verhalten eines Dritten gefährdet ist und die Eltern weder willens noch in der Lage sind, der Gefahr abzuhelfen (§ 1666 BGB). Das Gericht kann eine anderweitige Unterbringung anordnen oder einen Pfleger oder Vormund bestellen. Die Unterbringung des Kindes, die mit einer Freiheitsentziehung verbunden ist (z. B. Unterbringung eines Drogensüchtigen in einer Entziehungsanstalt), bedarf der Genehmigung des Familiengerichts. Der Tatbestand des Missbrauchs der elterlichen Sorge ist von großer praktischer Bedeutung. Das Gericht kann hier von Amts wegen, d. h. ohne entsprechenden Antrag, eingreifen, doch setzt dies seine Kenntnis voraus, die es in der Regel nicht hat. Hält das Jugendamt zur Abwendung einer Gefährdung des Wohls des Kindes oder Jugendlichen das Tätigwerden des Gerichts für erforderlich, so hat es das Gericht anzurufen (§ 50 Absatz 3 Sozialgesetzbuch VIII, Kinder- und Jugendhilfe). Doch auch das Jugendamt ist auf die Hilfe derjenigen angewiesen, die um die Misshandlung oder den Missbrauch von Kindern durch ihre Eltern wissen. Man schätzt, dass in Deutschland jährlich etwa 100 Kinder als Folge solcher Einwirkungen sterben; etwa 30 000 Fälle von Kindesmisshandlung werden pro Jahr amtlich erfasst.
 
Das Recht der elterlichen Sorge endet durch Volljährigkeit, Tod des Kindes oder Adoption durch Dritte, jedoch nicht durch Heirat des Minderjährigen; in diesem Fall beschränkt es sich auf die Vertretung in persönlichen Angelegenheiten (§ 1633). Mit dem Tod des einen Elternteils geht es auf den überlebenden über, es sei denn, der verstorbene Elternteil besaß das alleinige Sorgerecht infolge von Ehescheidung oder Getrenntlebens.
 
Das Recht der elterlichen Sorge wurde durch das Kindschaftsrechtsreformgesetz vom 16. 12. 1997, in Kraft ab 1. 7. 1998, teilweise neu geregelt. Während der Ehe steht das Sorgerecht beiden Eltern gleichberechtigt zu. Bei Meinungsverschiedenheiten, besonders bei Fragen von erheblicher Bedeutung für das Kind (z. B. Schulbesuch), müssen sie versuchen, sich zu einigen. Gelingt dies nicht, kann das Familiengericht auf Antrag eines Elternteils einem Elternteil die Entscheidung übertragen. Die elterliche Sorge umfasst auch die rechtliche Vertretung des Kindes; diese ist jedoch ausgeschlossen u. a. bei Interessenkollisionen, z. B. bei Abschluss eines Gesellschaftsvertrages zwischen Eltern und Kind oder bei wichtigen Rechtsgeschäften, die das Kind betreffen, z. B. bei Verfügungen über Grundstücke. Ist ein Elternteil an der Ausübung der elterlichen Sorge verhindert (z. B. bei längerer Abwesenheit), ruht sein Sorgerecht, die Entscheidungsbefugnis im Rahmen der elterlichen Sorge liegt dann bei dem anderen Teil.
 
Im Falle von dauerndem Getrenntleben und von Scheidung geht das reformierte Recht von der fortbestehenden und gemeinsam praktizierten elterlichen Sorge aus, jedenfalls so lange, bis ein Elternteil das alleinige Sorgerecht beantragt, über das das Familiengericht entscheidet (§§ 1671 ff.). Maßstab für die Entscheidung des Gerichts ist allein das Wohl des Kindes. Das Kind selbst kann nach Erreichen des 14. Lebensjahres eigene Vorschläge zur Verteilung der elterlichen Sorge machen, die das Gericht anhören muss, an die es aber nicht gebunden ist. Sind die Eltern bei der Geburt des Kindes nicht miteinander verheiratet, steht die elterliche Sorge ihnen gemeinsam zu, wenn sie entsprechende öffentlich beurkundete »Sorgeerklärungen« abgeben oder einander heiraten. Sonst hat die Mutter das Sorgerecht (§§ 1626 a ff.), dem Vater steht das Umgangsrecht zu. Zur Unterstützung des Elternteils, dem die elterliche Sorge allein zusteht, wird auf Antrag das Jugendamt Beistand des Kindes für die Feststellung der Vaterschaft und die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen (§§ 1712 ff.). - Das Kindschaftsrecht des BGB gilt seit dem Beitritt (3. 10. 1990) auch in den neuen Ländern. Stand das Erziehungsrecht nach dem Familiengesetzbuch der DDR vor dem Beitritt dem Vater eines nichtehelichen Kindes oder einem anderen als der Mutter oder dem Vater des Kindes zu, so hat dieser lediglich die Rechtsstellung eines Vormunds (Art. 234 § 11 Einführungsgesetz zum BGB). Entscheidungen, Feststellungen oder Maßnahmen, die das Gericht oder eine Verwaltungsbehörde vor dem Wirksamwerden des Beitritts in Angelegenheiten der elterlichen Sorge getroffen hat, bleiben in Kraft.
 
In Österreich sind die Vorschriften, die das Sorgerecht betreffen, im Wesentlichen im 3. Hauptstück des ABGB (§§ 137 ff.) enthalten. Ähnlich wie in Deutschland ist das elterliche Recht besonders, auch gegen Eingriffe Dritter, geschützt. Die Eltern haben für die Erziehung ihrer minderjährigen Kinder zu sorgen und ihr Wohl zu fördern. Dies umschließt auch das Recht zur Vermögensverwaltung und zur gesetzlichen Vertretung. Bei der Wahrnehmung dieser Aufgabe sind beide Elternteile gleichberechtigt und -verpflichtet. Fehlt das Einvernehmen über die Pflege, so ist der haushaltführende Teil zur Pflege verpflichtet. Im Falle längerer Abwesenheit oder des Todes eines Elternteiles geht das Sorgerecht auf den anderen über, oder es kann, wenn auch dieser nicht vorhanden ist, den Großeltern übertragen werden; hierbei ist das Kind, das älter als zehn Jahre ist, und erforderlichenfalls die Bezirksverwaltungsbehörde zu hören. Soweit Pflege und Erziehung es erfordern, können die Eltern den Aufenthalt des Kindes bestimmen. Das Kind kann selbstständig keinen Ausbildungsvertrag abschließen. Hat es aber den Eltern seine Meinung über seine Ausbildung erfolglos vorgetragen, kann es das Gericht anrufen (§ 147 ABGB). Die elterliche Sorge erlischt mit Eintritt der Volljährigkeit. Die Pflege und Erziehung eines nichtehelichen Kindes gebühren grundsätzlich der Mutter allein; die Eltern können aber beim Vormundschaftsgericht die gemeinsame Obsorge beantragen, wenn sie mit dem Kind in dauernder häuslicher Gemeinschaft leben.
 
Nach dem schweizerischen ZGB (Art. 296 ff.) unterstehen Kinder, solange sie unmündig sind, der elterlichen Sorge, die die Eltern während der Ehe gemeinsam ausüben. Wird der gemeinsame Haushalt aufgehoben oder die Ehe getrennt, kann der Richter die elterliche Sorge einem Ehegatten allein übertragen. Sind die Eltern nicht verheiratet, steht sie der Mutter zu. Pflegekinder stehen unter der elterlichen Sorge der leiblichen Eltern, die aber in deren Ausübung durch die Pflegeeltern vertreten werden, soweit dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich ist. Die elterliche Sorge gibt insbesondere das Recht und die Pflicht zur Erziehung, die auch die religiöse Erziehung einschließt. Ab dem 16. Lebensjahr entscheidet das Kind selbstständig über sein religiöses Bekenntnis. Bei Gefährdung des Kindeswohls kann die Vormundschaftsbehörde die elterliche Sorge aufheben. Die vormundschaftliche Aufsichtsbehörde oder die Vormundschaftsbehörde können unter bestimmten Voraussetzungen, auch auf Ersuchen der Eltern aus wichtigem Grund, die elterliche Sorge entziehen.
 
Literatur:
 
I. Mottl: Die Sorge der Eltern für ihre Kinder. Rechtsvergleichende Gegenüberstellung der österr. u. der dt. Rechtslage (1992);
 K.-P. Hansen: Das Recht der e. S. nach Trennung u. Scheidung (1993).

Universal-Lexikon. 2012.