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Alcatraz
I
Alcatraz
 
[ælkə'træz], kleine Felseninsel in der San Francisco Bay, Kalifornien (USA). - Von Spaniern entdeckt und Pelikaninsel (Isla de los Alcatraces) genannt; im 19. Jahrhundert errichtete die US-Armee ein Fort, das zeitweilig als Militärgefängnis diente. Bekannt wurde Alcatraz durch sein Zuchthaus (1934-63), das als eines der sichersten der Welt galt (unter den Häftlingen Al Capone). 1969-71 besetzten Indianer die Insel, die heute eine Touristenattraktion ist.
II
Alcatraz
 
Auf der kleinen Insel Alcatraz in der Bucht von San Francisco wurde in der Mitte des 19. Jahrhunderts ein Sperrfort der amerikanischen Armee errichtet, das Anfang des 20. Jahrhunderts seine strategische Bedeutung eingebüßt hatte und ab 1907 nur noch als Militärgefängnis diente. Berühmtheit erlangte Alcatraz wegen seines zivilen Hochsicherheitsgefängnisses (1934-1963), in dem unter anderen auch Al Capone inhaftiert war. Von 1969 bis 1971 besetzten Indianer die Insel, die seit 1972 zur Golden Gate National Recreation Area gehört und als Touristenattraktion fungiert.
 
 Die Geschichte von Alcatraz
 
Nur wenige Kilometer entfernt vom Golden Gate, der Einfahrt in die Bucht von San Francisco, liegt nördlich der kalifornischen Großstadt die karge, felsige und wasserlose Insel Alcatraz, bekannt geworden als »The Rock« (der Felsen). Rund neun Hektar umfassend und bis zu 45 Meter aus dem Wasser ragend, wird das aus weichem und brüchigem Sandstein bestehende Eiland immer wieder von stürmischen pazifischen Winden heimgesucht und ist nicht selten von kaltem Nebel umhüllt.
 
Im Jahre 1775 kartierte der spanische Leutnant Juan Manuel de Ayala die Bucht und fand dort die Insel, die nur von Pelikanen bewohnt war. Nach ihnen nannte er sie »La Isla de los Alcatraces«, die Insel der Pelikane. Sie war seit jeher unbewohnt, nur Indianer vom Stamm der Ohlone suchten sie gelegentlich auf. 1821 machte sich Mexiko von Spanien unabhängig und Alcatraz wurde mexikanisch. Als Folge des amerikanisch-mexikanischen Krieges (1846-1848) fiel Kalifornien an die USA und wurde 1850 deren 31. Bundesstaat. Alcatraz war immer noch unbesiedelt; die Lage der Insel in der Einfahrt zur Bucht von San Francisco eignete sich allerdings ideal für die Anlage eines Sperrforts, was dazu führte, dass die US-Regierung im selben Jahr Alcatraz zum Standort einer von mehreren geplanten Festungen an der Pazifikküste bestimmte.
 
1853 begann die Armee mit den Befestigungsarbeiten auf der mit extremen Witterungsbedingungen aufwartenden Felseninsel, 1854 stellte man die ersten elf Geschütze auf. Im selben Jahr wurde auf Alcatraz der erste Leuchtturm an der Westküste der USA fertig gestellt und in Betrieb genommen (der heutige stammt aus dem Jahr 1909). 1857 war Baubeginn der Zitadelle; Sally Port und das Guardhouse aus diesem Jahr verkörpern die ältesten Gebäude der Insel. 1859 bezog Captain Joseph Stewart mit 86 Männern der Kompanie H vom 3. US-Artillerieregiment auf Alcatraz Stellung. Während des Amerikanischen Bürgerkrieges (auch Sezessionskrieg genannt, 1861-1865) waren dort über 100 schwere Geschütze und mehr als 350 Soldaten der Nordstaatenarmee stationiert. Alcatraz wurde jedoch nie von den Konföderierten angegriffen. In der Folgezeit baute man es weiter als Festung aus. Seit 1861 diente Alcatraz auch als Militärgefängnis (bis zum Ende des Bürgerkrieges schwankte die Anzahl der Gefangenen, die meist unter erbärmlichen Bedingungen im Kellerraum des Wachhauses inhaftiert wurden, zwischen 15 und 50). Auf Alcatraz waren aber nicht nur Soldaten, sondern auch damals schon Zivilpersonen eingekerkert. Verschiedentlich internierte man dort Indianer, so 1895 neunzehn vom Stamm der Hopi. Die steigende Zahl der Insassen (461 im Jahre 1902) führte zur Errichtung weiterer Gefängnisgebäude. Nach dem verheerenden Erdbeben vom 18. April 1906, das große Teile San Franciscos in Schutt und Asche legte, schaffte man Hunderte von Zivilgefangenen zeitweilig nach Alcatraz.
 
1907 wurde Alcatraz das offizielle US-Militärgefängnis für den pazifischen Raum. Die inhaftierten Soldaten mussten Straßen und Gebäude errichten und von der benachbarten Insel Angel Island Erde heranschaffen, um Anpflanzungen auf dem öden Felsen von Alcatraz zu ermöglichen. Zwischen 1909 und 1912 entstand ein Gefängnisneubau mit insgesamt 600 Arrestzellen, eine Zeit lang das größte Stahlbetongebäude der Welt. 1915 wandelte man Alcatraz in eine militärische Disziplinaranstalt um, die stärker als bisher das Bemühen um Wiedereingliederung straffällig gewordener Soldaten (Schwerverbrecher ausgenommen) in die Armee verkörperte. Die Weltwirtschaftskrise hatte in den 1930er-Jahren jedoch eine erhebliche Kürzung des US-Militärbudgets zur Folge; daraufhin beschloss die Armee nach 80 Jahren Präsenz auf Alcatraz die Schließung ihrer dortigen Einrichtungen. Im Oktober 1933 wurde die Felseninsel dem Bundesamt für Gefängnisse (Federal Bureau of Prisons) zugeteilt, das dringend ein Hochsicherheitsgefängnis (v. a. für Schwerkriminelle der Postdepressions- und Prohibitionszeit) in abgeschiedener Lage suchte. Auf die Idee seines Direktors Sanford Bates hin entstand nun auf Alcatraz das sicherste Gefängnis der Welt.
 
 The Rock
 
Zwischen April und Juli 1934 wurde die Haftanstalt von Alcatraz umgebaut, modernisiert und mit verschiedenen zusätzlichen Sicherheitselementen ausgestattet (u. a. Einbau von Metalldetektoren, strategische Positionierung der Wachtürme, Installation von Tränengaskanistern an der Decke des Speisesaals). Der erste Gefängnisdirektor war von 1934 bis 1948 James A. Johnston. Das Zuchthaus bestand aus vier Zellenblocks. In den Blocks B und C gab es insgesamt 336 Zellen (usprünglich zwölf mehr, die aber beim Einbau von Treppenaufgängen entfielen). Der D-Block umfasste 42 Zellen (für verschiedene Stufen von Isolationshaft bei Regelverstößen und Verbrechen im Gefängnis; diese gefürchtete Strafe war für maximal 19 Tage hintereinander vorgesehen). Der A-Block hingegen wurde überwiegend als Materiallagerraum genutzt.
 
Die ersten Gefangenentransporte nach Alcatraz in das Hochsicherheitsgefängnis fanden im August 1934 statt: von McNeil Island in Washington State (11 Häftlinge), aus dem Bundesgefängnis von Atlanta (53) und aus Leavenworth in Kansas (102). Hierher kamen (abgesehen von den 32 aus dem früheren Militärgefängnis übernommenen »schweren Jungen«) nur besonders üble Schwerverbrecher, die man nicht in normalen Gefängnissen verwahren wollte, unter ihnen so bekannte Gestalten wie Al Capone, der von August 1934 bis Januar 1939 auf Alcatraz einsaß, und George »Machine Gun« Kelly, der nach seiner Einlieferung im September 1934 siebzehn Jahre auf der Insel inhaftiert war. Weitere berühmt-berüchtigte Insassen waren der von 1936 bis 1962 hier eingekerkerte Bankräuber und Kidnapper Alvin »Creepy« Karpis und der psychopathische Richard »Birdman« Stroud; dieser brachte nach 30-jährigem Aufenthalt im Gefängnis Leavenworth (wo der wegen Totschlags verurteilte Kriminelle 1916 einen Wachmann ermordete, aber auch zu einem bekannten Ornithologen wurde) die Zeit von 1942 bis 1959 auf »dem Felsen« zu, ungefähr sechs Jahre davon im D-Block, den Rest ab 1948 im Gefängniskrankenhaus. Aus seiner Feder stammen übrigens zwei von der Fachwelt geschätzte Bücher über Vogelkrankheiten.
 
Insgesamt verbüßten 1 545 Gefangene im Hochsicherheitsgefängnis auf Alcatraz ihre Strafe (die 1576 Häftlingsnummern gehen darauf zurück, dass mehr als 30 Sträflinge bei ihrer Rückkehr nach Alcatraz eine neue Nummer erhielten). Durchschnittlich waren 260 Gefangene gleichzeitig dort eingesperrt (die höchste Zahl betrug 302 und die niedrigste 222); auf drei Gefangene kam ca. ein Wärter. Nicht alle überlebten ihre Haft auf der Insel: Acht Insassen wurden von Mitgefangenen ermordet, fünf begingen Selbstmord und fünfzehn erlagen einer Krankheit.
 
Die meisten der Wachen lebten mit ihren Familien auf Alcatraz (im Gebäudekomlex 64), etwa 300 Menschen, darunter 60-80 Kinder, die von einer Fähre zur Schule nach San Francisco gebracht wurden.
 
Die fensterlosen, 2,74 mal 1,52 Meter kleinen Haftzellen waren ausnahmslos Einzelzellen mit Frontseiten aus massivem Stahlgitter. Das Mobiliar bestand aus einer Pritsche, einem Klapptisch, einem Regal, einem Wasch- und einem Toilettenbecken. Im Gegensatz zu dieser kargen Ausrüstung war das Essen auf Alcatraz das beste aller amerikanischen Gefängnisse. Es sollte dazu dienen, die Gefangenen träge und ruhig zu halten. Trotzdem gab es einige Fluchtversuche und im Mai 1946 eine dreitägige Häftlingsrevolte mit fünf Toten. Im Durchschnitt dauerte die Haft auf Alcatraz acht Jahre; fast alle Gefangenen wurden danach in andere Strafanstalten überführt. Während ihrer Haftzeit bekamen die Insassen keine Zeitung, konnten nicht Radio hören und 80 % von ihnen erhielten auch keinen Besuch. Wenn Besuch kam, trennte ihn eine kugelsichere schalldichte Glaswand von dem Häftling. Die Gespräche mussten über ein Telefon geführt werden, an dem Polizeibeamten mithörten. Für gute Führung gab es Privilegien: Arbeit in den Gefängniswerkstätten, Bücher, Freigänge im Hof und Besuchserlaubnisse.
 
 Flucht von Alcatraz
 
36 Häftlinge unternahmen von hier einen Fluchtversuch. Der erste fand am 27. April 1936 statt, endete aber tödlich für den durch einen Wachmann gestellten Joseph Bowers. Insgesamt sieben Gefangene wurden bei Ausbruchsversuchen erschossen bzw. getötet, zwei ertranken und die meisten anderen fasste man nach kurzer Zeit wieder. Von Fünfen fehlt jedoch jede Spur. Man nimmt an, dass sie im kalten Wasser mit den starken Strömungen der Bucht von San Francisco ertrunken sind; vielleicht ist ihnen aber auch die schier unmögliche Flucht gelungen. Der bekannteste Versuch war der vom 11. Juni 1962. Drei Häftlinge (Frank Morris und die Brüder John und Clarence Anglin) kratzten langsam mit Löffeln und ähnlichem improvisiertem Werkzeug Löcher in ihre Zellwände. Sie tarnten ihre Arbeit sehr sorgfältig und verstauten ihr Werkzeug in dem Versorgungsschacht hinter den Zellwänden. Aus allerhand Materialien bastelten sie Kopfmodelle, um die Wärter bei der allabendlichen Zählung der auf ihrer Pritsche liegenden Gefangenen zu täuschen. Die nächtlichen Grabungsarbeiten blieben unentdeckt und waren erfolgreich. Die drei Ausbrecher kletterten durch den Versorgungsschacht zu einer Lüftungsöffnung auf das Dach des Gefängnisses. Von dort aus wandten sie sich unbemerkt nach Norden und verschwanden im Wasser. Die Geschichte dieser spektakulären Flucht wurde später verfilmt.
 
 Das Ende der Gefängnisinsel
 
Am 21. März 1963 wurde das Gefängnis von Alcatraz geschlossen, nachdem Justizminister Robert F. Kennedy wegen der enorm hohen Unterhaltungskosten die Stilllegung verfügt hatte. Neben Brennstoffen und anderen Versorgungsgütern mussten ca. 500 000 Liter Süßwasser pro Woche auf die Insel transportiert werden. Die salzhaltige Luft förderte zudem den Verfall der Gebäude, und die Reparaturkosten waren nicht mehr tragbar; eine bevorstehende aufwändige Sanierung hatte man mit etwa fünf Millionen US-Dollar veranschlagt. Nachfolgende Versuche, Käufer für die Insel zu finden, u. a. um dort ein Casino zu errichten, schlugen fehl.
 
 Die Besetzung
 
Am 9. März 1964 brachten fünf Sioux erstmals für wenige Stunden die Insel in ihre Gewalt. Am 9. November 1969 kam es zu einer weiteren eintägigen Besetzung durch die von dem Mohawk Richard Oakes geführte Gruppe von Indianern (Studenten bzw. Städter), die dies im Namen der »Indians of All Tribes« taten. Wenige Tage später, am 20. November 1969, begann eine 19-monatige Okkupation von Alcatraz, an der anfangs rund 100 Indianer teilnahmen (darunter wieder Oakes). Sie beriefen sich auf einen Vertrag von 1868, der besagte, dass alles bundesstaatliche Land, das nicht mehr genutzt wird, wieder in das Eigentum der Indianer übergeht. Ihr Plan war die Errichtung eines kulturellen und spirituellen Bildungszentrums auf der Insel, des Weiteren einer indianischen Universität und eines Museums. Schon zu Beginn des Jahres 1970 bröckelte jedoch die Gruppe der Besetzer; die indianischen Studenten verließen die Insel wieder, es rückten Indianer aus den Reservationen nach und schließlich mischten sich auch Leute aus der Hippie-Szene San Franciscos darunter.
 
Die Regierung benutzte alle bürokratischen Tricks, um die Indianer von Alcatraz zu verdrängen. 1970 wurde die Strom- und Wasserversorgung unterbrochen. Als am späten Abend des 1. Juni 1970 ein Feuer auf der Insel ausbrach und Zerstörungen anrichtete, gab die Regierung den Indianern die Schuld dafür, diese machten hingegen angeblich eingeschleuste Undercover-Saboteure dafür verantwortlich. Am 11. Juni 1971 beendeten nach Alcatraz entsandte Bundesmarshals zusammen mit der Küstenwache die Besetzung und evakuierten die letzten dort noch Ausharrenden. Der alte Leuchtturm von 1909 musste letztendlich als Begründung dafür herhalten, dass Alcatraz noch bundesstaatlich genutzt wurde. Wenn die Indianer auch ihr Ziel nicht erreicht hatten, wurde die Besetzung von Alcatraz doch ein Symbol für den Widerstand und für die Hoffnungen der indianischen Ureinwohner und lenkte die Aufmerksamkeit der amerikanischen Öffentlichkeit auf dieses Thema. Das rote »Indians Welcome«-Graffito am Dock von Alcatraz erinnert daran.
 
 Der Nationalpark
 
1972 wurde Alcatraz ein Teil der Golden Gate National Recreation Area und somit Teil eines Nationalparks der USA; 1973 öffnete man die Insel für die Allgemeinheit. Die Gebäude auf Alcatraz wurden restauriert und den inzwischen rund eine Million Besuchern pro Jahr zugänglich gemacht. Die Insel erreicht man mit einer Fähre, die von Fisherman's Wharf (Pier 41) in San Francisco ablegt, nach einer etwa halbstündigen Überfahrt. Auf Alcatraz können der Zellenblock, der Speisesaal und verschiedene andere Anlagen besichtigt werden, daneben ein kleines Museum mit kurzer Dokumentarfilm-Vorführung.
 
 Alcatraz im Film
 
John Frankenheimer drehte im Jahre 1962 den Film »Birdman of Alcatraz« (deutscher Verleihtitel »Der Gefangene von Alcatraz«) mit Burt Lancaster in der Hauptrolle. Als Vorbild diente die Biografie des Robert Stroud, der 54 seiner 73 Lebensjahre in Gefängnissen verbrachte und dabei zum Vogelexperten wurde, ironischerweise aber - trotz seines populären Beinamens und des in diese Richtung assoziierenden Filmtitels - tatsächlich seiner Passion auf Alcatraz nicht mehr nachging.
 
Die Flucht der drei Gefangenen vom 11. Juni 1963 wurde im Jahr 1979 mit Clint Eastwood in der Hauptrolle unter dem Titel »Flucht von Alcatraz« durch Don Siegel verfilmt.
 
In vielen weiteren Filmen diente Alcatraz als spektakuläre Kulisse, beispielsweise in dem unter der Regie von Michael Bay entstandenen Streifen »The Rock« mit Sean Connery und Nicolas Cage aus dem Jahre 1996.

Universal-Lexikon. 2012.