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Emigration
Abwanderung; Exodus; Auswanderung

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Emi|gra|ti|on [emigra'ts̮i̯o:n], die; -, -en:
1. Auswanderung (besonders aus politischen, wirtschaftlichen od. religiösen Gründen):
die Familie entschied sich zur Emigration.
2. fremdes Land als Zufluchtsgebiet von Emigranten:
in die Emigration gehen.

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Emi|gra|ti|on auch: Emig|ra|ti|on 〈f. 20das Emigrieren; Ggs Immigration; →a. Auswanderung [<lat. emigratio „Auswanderung“]

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Emi|g|ra|ti|on , die; -, -en [spätlat. emigratio = das Ausziehen, Wegziehen]:
1. das Emigrieren:
die rechtzeitige E. bewahrte ihn vor dem Tod;
innere E. (bildungsspr.; innerliche Abkehr von den Auseinandersetzungen mit den aktuellen wirtschaftlichen, politischen, religiösen u. ä. Vorgängen als Ausdruck der Opposition).
2. <o. Pl.> fremdes Land, Fremde als Schicksalsraum des Emigranten:
in die E. gehen.
3. <o. Pl.> Gesamtheit von Emigranten; Menschen in der Emigration (2):
die E. entfaltete zahlreiche Aktivitäten.

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Emigration
 
[zu lateinisch emigrare »auswandern«] die, -/-en, das freiwillige oder erzwungene Verlassen des Heimatlandes aus politischen oder weltanschaulichen Gründen. Rechtlich betrachtet ist Emigration ein Fall der Auswanderung. Die Emigration tritt v. a. dort auf, wo eine Diktatur sich immer stärker ausbildet und mit wachsendem Druck von ihren Bürgern eine bestimmte Gesinnung verlangt. Die im Lande verbleibenden Gegner eines solchen Regierungssystems ziehen sich oft in die innere Emigration zurück: eine politisch umstrittene Form des Widerstandes, die bei äußerer Erfüllung öffentlicher Pflichten persönliche politische Vorbehalte entwickelt und sie allenfalls im Kreise Gleichgesinnter artikuliert. - Die Abgrenzung von Emigranten gegen Flüchtlinge oder Vertriebene ist nicht eindeutig zu treffen.
 
Im alten Hellas war die Emigration seit dem Übergang von der Aristokratie zur Tyrannis und Demokratie sehr häufig. Die erste umfangreiche Emigration war die der Juden im Altertum. Seit der Zeit der Reformation und Gegenreformation wurde die Emigration eine Dauererscheinung (z. B. Exulanten, Pilgerväter, Hugenotten, Quäker). Nach kurzem Abklingen der Emigrationen infolge der Toleranzideen der Aufklärung leitete die Französische Revolution von 1789 neue Wellen der Emigration, besonders die der französischen Adeligen, ein; diese Gruppe führte als erste den Namen »Emigranten« (französisch émigrés). Im 19. Jahrhundert gingen nach der Revolution von 1848 besonders die Führer der Freiheitsbewegungen aus Deutschland, Italien, Ungarn und Polen außer Landes (besonders in die Länder Westeuropas und die USA); die Bekämpfung der sozialistischen Bewegung besonders im zaristischen Russland, aber auch in anderen Ländern, führte zur Emigration zahlreicher Sozialisten.
 
Im 20. Jahrhundert lösten die russische Oktoberrevolution (1917) und der Bürgerkrieg (1918-21) die erste Massenemigrationen aus, die besonders die bis dahin in Russland herrschenden Schichten umfasste (über 1 Mio. Menschen) und sich meist auf die westlichen Nachbarländer richtete. Nach 1924 verließ ein Teil der Gegner des Faschismus (italienisch fuorusciti) Italien. Mit dem Sieg General F. Francos im Spanischen Bürgerkrieg (1939) verließen viele Republikaner Spanien. Aus Deutschland ergoss sich unter der nationalsozialistischen Herrschaft ein Strom von Emigranten (rassisch, politisch oder religiös Verfolgte) ins Ausland; infolge der Ausdehnung des deutschen Machtbereiches mussten viele Emigranten mehrfach ihr Gastland wechseln. Die jüdische Emigration folgte jeweils auf eine neue Welle der Judenverfolgungen (besonders nach dem »Judenboykott« von 1933 und der Reichspogromnacht von 1938). Die Ausdehnung des sowjetischen Machtbereichs ab 1940 löste eine Emigrationswelle aus dem östlichen Mitteleuropa aus. Innerhalb Deutschlands kam es nach 1945 zu einer Flüchtlingsbewegung von Ost nach West; nach dem Scheitern des Aufstandes in Ungarn (1956) und des »Prager Frühlings« (1968) in der Tschechoslowakei flohen viele Bürger dieser Länder in westliche Staaten (Flüchtlinge).
 
Im Zuge der Gründung des Staates Israel (1948) sahen sich viele palästinensische Araber aus ihrer Heimat vertrieben und v. a. im arabischen Raum verstreut (Palästina). Viele sowjetische Staatsbürger jüdischen Glaubens bemühten sich ihrerseits um die Ausreise nach Israel.
 
Der Sieg der Kommunisten 1975 in Vietnam löste eine Emigrationswelle aus (Boatpeople), ebenso der Einmarsch sowjetischer Truppen in Afghanistan im Dezember 1979. In Iran verließen sowohl unter der Herrschaft des letzten Schahs (Mohammed Resa) als auch infolge der fundamentalistisch-islamischen Revolution (unter Khomeini) politisch Verfolgte ihr Land. In den 80er-Jahren veranlasste der singhalesisch-tamilische Konflikt in Sri Lanka viele Tamilen zur Flucht ins Ausland. Vor dem Hintergrund wirtschaftlicher Unterentwicklung und sozialer Spannungen ist die Emigration in Lateinamerika eine ständig zu beobachtende Erscheinung; auslösendes Element sind diktatorische Regierungssysteme sowohl sozialrevolutionärer als auch systemerhaltend-konservativer Tendenz (besonders Kuba, seit 1959; Chile, 1973-89). In Nicaragua verließen viele Menschen das Land, und zwar ebenso unter der Herrschaft der Familie Somoza als auch im Zuge der radikalen Reformen der Sandinisten. Die Apartheidpolitik in der Republik Südafrika 1948-93 führte für viele Schwarzafrikaner zur Emigration ins nähere oder weitere Ausland.
 
Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie v. a. auch in den folgenden Artikeln:
 
Asylrecht · Auswanderung · Einwanderung · Exilliteratur · Flüchtlinge · Vertriebene
 
Literatur:
 
New approaches to the study of migration, hg. v. D. Guillet u. a. (Houston, Tex., 1976);
 
The politics of migration policies, hg. v. D. Kubat u. a. (New York 1979);
 
Strangers in the world, hg. v. L. Eitinger u. a. (Bern 1981);
 W. H. McNeill: The great frontier. Freedom and hierarchy in modern times (Princeton, N. J., 1983);
 V. F. Gilbert: Immigrants, minorities, and race relations (London 1984);
 
International migration, hg. v. R. J. Simon u. a. (Totowa, N. J., 1986);
 F. Winzer: Emigranten. Gesch. der E. in Europa (1986);
 
The economics of mass migration in the twentieth century, hg. v. S. Klein (New York 1987).
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
Emigration: Politische Emigration
 

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Emi|gra|ti|on, die; -, -en [spätlat. emigratio = das Ausziehen, Wegziehen]: 1. das Emigrieren: die rechtzeitige E. bewahrte ihn vor dem Tod; *innere E. (bildungsspr.; innerliche Abkehr von den Auseinandersetzungen mit den aktuellen wirtschaftlichen, politischen, religiösen u. ä. Vorgängen als Ausdruck der Opposition; entstanden in den 30er-Jahren des 20. Jh.s, weiter verbreitet durch die 1945 aufgetretene Kontroverse zwischen dem emigrierten Th. Mann u. anderen, im nationalsozialistischen Deutschland gebliebenen Schriftstellern, die ihr Verbleiben im Lande als „innere Emigration“ bewertet sehen wollten): Die Kritiker hatten von ihm gesagt, er lebe gut als Übersetzer der Weltliteratur im elfenbeinernen Turm der inneren E. (Ruge, Land 79). 2. <o. Pl.> die Fremde als Schicksalsraum des Emigranten: in der E. leben, sterben; in die E. gehen. 3. <o. Pl.> die Emigranten; Menschen in der ↑Emigration (2): die E. entfaltete zahlreiche Aktivitäten; ... da er bald das ... von allen akzeptierte Oberhaupt der deutschen E. war (Reich-Ranicki, Th. Mann 52).

Universal-Lexikon. 2012.