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Jesuiten
Jesuiten,
 
Gesellschaft Jesu, lateinisch Societas Jesu, Abkürzung SJ, katholischer Regularklerikerorden. Der Ursprung liegt im Zusammenschluss des Ignatius von Loyola und einiger seiner Studiengefährten (u. a. D. Laínez) am 15. 8. 1534 in Paris zu einer religiösen Gemeinschaft. Sie gelobten, »arm« und »keusch« zu leben und nach Beendigung ihrer Studien von Venedig aus zur Mission in Palästina aufzubrechen; sollte dies nicht möglich sein, würden sie sich dem Papst für jegliches Apostolat zur Verfügung stellen. Als die Palästinamission tatsächlich nicht zustande kam, gingen sie nach Rom und sahen ihre vorrangige Aufgabe in der Glaubensunterweisung durch Predigt, Katechese und in der Spendung der Sakramente (v. a. Beichte, Eucharistie). Am 27. 9. 1540 wurde die erste Regel der Jesuiten (»Formula Instituti«) von Papst Paul III. bestätigt (Bulle »Regimini militantis ecclesiae«), 1550 billigte Julius III. eine überarbeitete Fassung; ergänzt wurde sie durch die »Konstitutionen« von 1558. Ziel der Jesuiten ist demnach »die Verteidigung und Verbreitung des Glaubens« und die Hinführung der Menschen zu einem christlichen Leben durch Predigt, Vorträge, geistliche Übungen (Exerzitien), christliche Unterweisung insbesondere von Kindern und Jugendlichen, Spendung der Sakramente und jegliche Form der Seelsorge. Schwerpunkt wurde der schulische Unterricht, der 1599 durch die »Studienordnung« (»Ratio Studiorum«) inhaltlich und organisatorisch festgelegt wurde. Wichtige, durch Jesuiten gegründete Ausbildungsstätten sind bis heute das Germanicum und die Gregoriana in Rom. Um sich die für ihre Tätigkeit notwendige Mobilität zu bewahren, leben die Jesuiten nicht wie monastische Orden in Klöstern (mit Klausur), sondern in offenen »Häusern« und »Kollegien«; sie sind nicht zum gemeinsamen Chorgebet verpflichtet und tragen keine eigene Ordenskleidung. Innerhalb der Gemeinschaft gibt es vier verschiedene Stufen der Mitgliedschaft: »Novizen«, »Scholastiker«, die noch in der (wissenschaftlichen) Ausbildung stehen, »Koadjutoren« (unterschieden in »geistlichen« und »weltlichen«) und »Professen« (nur sie können die höchsten Ämter innehaben). Die Koadjutoren (Ausbildungszeit: 10 Jahre) legen drei Gelübde ab (Keuschheit, Armut, Gehorsam), die Professen (Ausbildungszeit: 17 Jahre) als viertes ein besonderes Gehorsamsgelübde gegenüber dem Papst (in Bezug auf besondere Aufträge). Geistliche Koadjutoren und Professen sind zudem Priester.
 
Die Ordensgemeinschaft ist aufgeteilt in einzelne »Ordensprovinzen« und zentralistisch organisiert; die Leitung liegt bei einem auf Lebenszeit gewählten Generaloberen (seit 1983: P.-H. Kolvenbach) mit Sitz in Rom, der von der »Generalkongregation« gewählt, unterstützt und kontrolliert wird. Dieser gehören die Provinziale (Obere der Provinzen) und ein oder zwei gewählte Vertreter aus den einzelnen Provinzen an, sowie die Assistenten (Generalberater als Vertreter mehrerer zu einer Assistenz zusammengefassten Provinzen). - Die Jesuiten haben keinen weiblichen Ordenszweig; 1547 wurden sie auf Wunsch des Ignatius von jeglicher Verpflichtung zu einer regelmäßigen geistlichen Betreuung von Frauen entbunden. Parallel zum Orden der Jesuiten, aber formell unabhängig von ihm, entstanden jedoch zahlreiche Vereinigungen von Jesuitinnen.
 
Im 16./17. Jahrhundert waren die Jesuiten der wichtigste Träger der katholischen Reform; sie breiteten sich in ganz Europa aus (seit 1540/44 durch P. Faber in Deutschland). 1541 fuhr Franz Xaver mit drei Gefährten nach Ostindien und begann damit die jesuitische Mission außerhalb Europas. - Im 17./18. Jahrhundert gerieten die Jesuiten zunehmend in Misskredit. Ausschlaggebend waren dabei gleichermaßen theologischer (der Konflikt mit dem Jansenismus; die Gegenposition der jesuitisch scholastischen Theologie zur Aufklärung) wie politische (der politische Einfluss der Jesuiten als geistliche Berater an den Königshöfen; die Verhältnisse in den Kolonien, wo sich die Jesuiten gegen die europäischen Machthaber stellten) Gründe. Nach Verboten in Portugal (1759), Frankreich (1762) und Spanien (1767) wurde der Orden 1773 durch den Papst formell aufgelöst. 1814 wurde die Aufhebung, die nur in Preußen und Russland unbeachtet geblieben war, durch päpstliches Entscheid wieder zurückgenommen. - Heute (2000) hat der Orden rd. 21 000 Mitglieder in 1 900 Niederlassungen und ist in 127 Ländern vertreten (1990 Aufhebung der Verbote des Ordens in Rumänien, Ungarn und in der Tschechoslowakei; 1992 Wiedererrichtung der russischen Ordensprovinz). Für Deutschland bestehen zwei Ordensprovinzen, Österreich und die Schweiz bilden jeweils eine Ordensprovinz. Wichtige Arbeitsgebiete sind neben der Seelsorge pädagogische und wissenschaftliche Tätigkeiten an Schulen und Hochschulen sowie auch Mission und Entwicklungshilfe.
 
Literatur:
 
Ratio studiorum et institutiones scholasticae societatis Jesu per Germaniam olim vigentes, hg. v. G. M. Pachtler, 4 Bde. (1887-94, Nachdr. 1968);
 A. de Backer u. C. Sommervogel: Bibliothèque de la Compagnie de Jésus, 11 Bde. u. Suppl.-Bd. (Paris 1890-1960);
 
Monumenta historica Societatis Jesu (MHSJ), auf zahlr. Bde. ber. (1894 ff., bis 1996: 148 Bde.);
 B. Duhr: Gesch. der J. in den Ländern dt. Zunge, 4 Bde. in 6 Tlen. (1907-28);
 L. Koch: J.-Lex., 2 Bde. (1934, Nachdr. Löwen 1962);
 H. Becher: Die J. Gestalt u. Gesch. des Ordens (1951);
 R. Fülöp-Müller: Macht u. Geheimnis der J. (Neuausg. 1960);
 
Societas Jesu. Satzungen der Gesellschaft Jesu (41980);
 A. Ravier: Ignatius von Loyola gründet die Gesellschaft Jesu (a. d. Frz., 1982);
 M. Barthel: Die J. Legende u. Wahrheit der Gesellschaft Jesu gestern - heute - morgen (Neuausg. 1984);
 H. J. Fischer: Der heilige Kampf. Gesch. u. Gegenwart der J. (1987);
 M. Heimbucher: Die Orden u. Kongregationen der kath. Kirche, Bd. 2 (51987);
 J. W. O'Malley: Die ersten J. (a. d. Engl., 1995).
 

Universal-Lexikon. 2012.