Akademik

Comics
Cọmics
 
['komɪks, englisch »Drolliges«], Singular Cọmic der, -s, eine spezifische Form der Bildgeschichte. Angeregt durch die europäischen Bildgeschichten der Bilderbögen, entstanden sie in den 90er-Jahren des 19. Jahrhunderts in den USA. Eines der ersten Beispiele, »The Katzenjammer kids« von R. Dirks (seit 1897), orientierte sich direkt an »Max und Moritz« von W. Busch. Während Busch der Guckkastenbühne des Theaters mit seinem relativ gleich bleibenden Betrachterstandpunkt verpflichtet ist und die Einzelbilder mit gereimtem Untertext verbindet, zeigen die formalen Änderungen bei Dirks das Comicspezifische auf: Comics integrieren den Text ins Bild, wobei die wörtliche Rede der Personen dominiert und als Sprechblase mit zum Sprecher verweisendem Dorn präsentiert wird. Als den Personen zugewiesene Sprache findet sich die Sprechblase vielfach in der bildenden Kunst, vornehmlich in den englischen Karikaturen des 19. Jahrhunderts. Die Comics erweitern ihre Aussagemöglichkeiten durch besondere grafische Gestaltung (Denkblase, Flüsterblase usw.). Auch die Lautmalerei wird ins Bild genommen, oft durch besonders Typographie und Farbgebung geprägt. Zum anderen sind Comics eher durch den Film, seine Montagemöglichkeiten und Perspektiven, beeinflusst, was die Bildfolge dynamischer werden lässt. So sind auch viele bekannte Comicfiguren, z. B. Mickey Mouse (W. Disney) oder Felix (E. Sullivan), ursprünglich Zeichentrickfilm-Figuren; umgekehrt werden auch Comics, z. B. Asterix (R. Goscinny/A. Uderzo), in Zeichentrickfilme umgesetzt.
 
Comics erscheinen als Streifen (Comicstrips) in den Tageszeitungen oder, ähnlich wie in den Bilderbögen, Seiten füllend (und farbig) als Beilage der Sonntagsblätter. Sie sind als endlos konzipierte Serie angelegt, die auf der »stehenden Figur«, d. h. auf dem sich nicht verändernden Hauptakteur, beruht. Das festgelegte, in der Regel im Erscheinungsbild deutbare Typenarsenal erweitert das bekannte Repertoire der Karikatur, der Theater- und Puppenbühne. Besonderes Gewicht bekommen anthropomorphe Figuren, wie z. B. die Ente Donald Duck (C. Barks) oder - stilisierter - die Füchse Fix und Foxi und der Wolf Lupo (Letztere produziert von R. Kauka, Chefzeichner W. Neugebauer). Es gibt auch Formen mit Untertext (z. B. H. Fosters »Prinz Eisenherz«), ohne Text (z. B. O. Soglows »Der kleine König«), Verzicht auf die Endlosserie.
 
Die ersten, für die ganze Familie gedachten Comics waren in Visualisierung (Cartoonstil), Dramaturgie (Slapstick) und Inhalt (lustige Ereignisse) dem Namen entsprechend »komisch«. Gezielter für Kinder gedachte Serien wie »Little Nemo« (W. McCay, 1905) oder »Kinder-Kids« (L. Feininger, 1906) erzählen Lachen und Spannung berücksichtigende Abenteuer. Mit der Gründung marktbeherrschender Syndikate, die Comicserien vergaben, fand ab 1912 die Kommerzialisierung ihre entscheidende Organisationsform, die schließlich zu einer Erweiterung des Angebots führte. Ab 1929 setzten sich auch nichtkomische Comics durch: Krimis (»Dick Tracy« von C. Gould, 1931), Science-Fiction (»Buck Rogers« von P. Nowlan/D. Galkins, 1929; »Flash Gordon« von A. Raymond, 1934), Superhelden (»Superman« von J. Siegel/J. Shuster, 1938) u. a. Buchserien wie »Tarzan« (H. Foster, 1929, ab 1937 B. Hogarth) wurden zu Comicerfolgen, Klassiker der Weltliteratur wurden adaptiert (»classics illustrated«). Dem Inhalt entsprechend wurde der Cartoonstil der Zeichnung um Formen realistischer Gestaltung erweitert. Aus einer als Werbegabe verbreiteten Sammlung von Strips in Heftform entwickelten sich Ende der 20er-Jahre speziell als Heft konzipierte Comicserien, die nun auch in ihrer Gestaltung (Dramaturgie, Seitenkomposition) dem Medium Heft angemessene neue Wege fanden. Comics (teilweise die gleiche Serie wie z. B. »Peanuts« von C. Schulz) finden sich heute als Strip in der Presse, als Heft, Album, Taschenbuch und gebundenes Buch im Zeitschriften- und Buchhandel. Seit Mitte der 60er-Jahre ist das Comicangebot für Erwachsene ständig erweitert worden (Comicromane wie »Barbarella« von J.-C. Forest, 1962; »Phoebe Zeitgeist« von M. O'Donoghue/F. Springer, 1966; Serien wie »Corto Maltese« von H. Pratt oder »Valentina« von G. Crepax; Magazine wie »Metal Hurlant« oder »Epic«; Underground-Comix von R. Crumb, G. Selton; satirische Serien von Claire Bretécher, C. Poth oder G. B. Trudeau).
 
Weltweit haben sich die Comics als Lektüreangebot durchgesetzt. Die Auflagen liegen teilweise in Millionenhöhe. Die meisten der Serien sind als triviale Massenzeichenware zu charakterisieren, auf Konsum angelegte Unterhaltung, die von Wiederholungen, von Klischees bestimmt wird und ihren Lesern kurzfristige Ablenkung von ihren Alltagsproblemen bietet. Daneben gibt es auch ein Comicangebot, das sich künstlerischer Qualität verpflichtet fühlt (z. B. Comics der edition Comicart, Reinbek, die Comicromane M. Manaras, die Comiczeitschrift »Raw« von Art Spiegelman, insbesondere mit seinem Comic »Maus« über den Holocaust), wobei auch eine gegenseitige Beeinflussung von Comics und bildender Kunst (z. B. in der Pop-Art, in der Kunst R. Lichtensteins sowie in »Jodelle« von G. Peellaert, 1966) zu beobachten ist.
 
Bekannte Comiczeichner der Gegenwart sind u. a.: in Deutschland G. Seyfried (politisch-satirisch), Brösel (eigentlich R. W. Feldmann; »Blödel-Comics«, Serie »Werner«), M. Schultheiss (realistisch-expressiv); Hannes Hegen (eigentlich Johannes Hegenbarth) mit Abenteuercomics; auf dem Gebiet der Science-Fiction: P. Druillet und Moebius (eigentlich J. Giraud) aus Frankreich; auf dem der Fantasy: R. Corban aus den USA; Abenteuercomics zeichnen H. Pratt (Italien), F. Bourgeon, J. Tardi (Frankreich); Komik herrscht bei A. Franquin (Belgien); sozialkritische Comics Nicolas De Crécy (Frankreich); Zeichnerinnen sind neben Claire Bretécher in Frankreich Annie Goetzinger, ferner Cinzia Ghiglioano (Italien), Doris Lerche, Franziska Becker (Deutschland).
 
Ausgaben: The Smithonian collection of newspaper comics, herausgegeben von B. Blackbeard u. M. Williams (Washington, D. C. 1977); 100 Jahre comic strips, 2 Bände, herausgegeben von B. Blackbeard (1995).
 
Literatur:
 
Handbücher, Lexika:
 
P. Couperie u. H. Filippini: Encyclopédie de la bande dessinée (Paris 1974/75);
 
Lexikon der C., Loseblattsammlung, hg. v. M. Czerwionka (1991 ff.);
 H. Filippini: Dictonnaire encyclopédique des héros et auteurs de BD, Vol. I-III (Grenoble 1998-2000);
 
The world encyclopedia of Comics, hg. v. M. Horn (Philadelphia, Pa. 21999);
 P. Gaumer u. C. Moliterni: Dictionnaire mondial de la bande dessinée (Paris 2001).
 
Allgemeines:
 
C. Waugh: The comics (New York 1947, nachgedr. 1974);
 
W. J. Fuchs u. R. C. Reitberger: Das große Buch der C.. Anatomie eines Massenmediums, korr. u. erw. Ausg. (1982);
 
D. Grünewald: C.(2000).
 
Geschichte:
 
D. Kunzle: The history of the comic strip, 2 Bde. (Berkeley, Calif., 1973-90);
 
H. Filippini: Histoire des la bande dessinée en France et en Belgique (Grenoble 1984);
 
B. Dolle-Weinkauff: C. Gesch. einer populären Lit.-Form in Dtl. seit 1945 (1990);
 
M. Benton: The Taylor history of C.4 Bd. (Dallas, Tex. 1991-1993);
 
M. J. Estren: A history of underground C.(Berkeley, Calif. 31993);
 
R. C. Harvey: The art of the funnies. An aesthetic history (Jackson, Miss. 1994);
 
R. Sabin: C., comix & graphic novels. A history of comic art (London 1996);
 
A. Platthaus: Im Comic vereint. Eine Geschichte der Bildergeschichte (1998);
 
Einzeldarstellungen:
 
Vom Geist der Superhelden, hg. v. H. D. Zimmermann (1973);
 
A. C. Baumgärtner: Die Welt der Abenteuer-C. (1979);
 
M. Moscati: C. u. Film, bearb. u. erg. v. A. Drexel u. G. Seesslen (teilw. a. d. Ital., 1988);
 
C. u. Cartoons in Lateinamerika, hg. v. H. J. Kagelmann (1991);
 
T. Robbins: A century of women cartoonists (Northampton, Mass. 1993);
 
R. Sabin: Adult C. (London, New York 1993);
 
S. McCloud: C. richtig lesen; a. d. Engl. (1994);
 
C. zw. Zeitgeschehen u. Politik, hg. v. T. Hausmanninger u. H. J. Kagelmann (1994);
 
J. Berndt: Phänomen Manga. Comic-Kultur in Japan (1995);
 
B. Peeters: Case, planche, récit. Comment lire une bande dessinée (Tournai 21998);
 
T. Groensteen: Système de la bande dessinée (Paris 1999);
 
D. Carrier: The aesthetics of C. (University Park, Pa. 2000).

Universal-Lexikon. 2012.