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Elsass
Ẹl|sass, das; - u. -es:
Landschaft in Ostfrankreich.

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Ẹlsass
 
das, französisch Alsace [al'zas], historische Landschaft westlich des Oberrheins, heute Region Ostfrankreichs mit den Départements Bas-Rhin und Haut-Rhin, 8 280 km2, 1,73 Mio. Einwohner; Hauptstadt und wirtschaftliches Zentrum ist Straßburg. Das Elsass umfasst die linksrheinische Tiefebene südlich der Lauter, das tertiäre Hügelland des Sundgau im Süden mit dem Nordrand des Jura und reicht bis auf den Kamm der vorwiegend aus Graniten und Gneisen aufgebauten Südvogesen (Elsässer Belchen 1 247 m, Großer Belchen 1 423 m, Hohneck 1 362 m über dem Meeresspiegel). Im Norden erstreckt es sich über die Buntsandstein-Vogesen (Donon 1 008 m), über die das Gebirge querende Zaberner Senke (326 m) und die zum Pfälzer Wald überleitenden Buntsandsteinberge (Wasgau 580 m über dem Meeresspiegel) bis in die Muschelkalklandschaft an der Saar. Die elsässische Oberrheinebene (»Plaine d'Alsace«) gliedert sich in drei Zonen: die mit Löss bedeckten Hügel- und Terrassenlandschaften am Gebirgsrand mit intensivem Acker- und Weinbau, die weniger ertragreichen, oft mit Niederwald bestandenen Schotterterrassen des Rheins und die zum Teil sumpfigen, vertorften, von Wiesen und Auwald eingenommenen Niederungen an Rhein und Ill.
 
Bevölkerung
 
und Besiedlung: Rheinebene und Vorbergzone der Vogesen wurden bereits in vorchristlicher Zeit teilweise dicht besiedelt. Die ländlichen Siedlungen in der Ebene sind überwiegend Haufendörfer (Gewannfluren, heute meist flurbereinigt) mit fränkischen Gehöftformen in Fachwerkbauweise. In den Vogesen dominieren Einzelhofgebiete mit Blockfluren. Die frühe Durchsetzung mit städtischen Siedlungen, die neben ummauerten Weinbaudörfern, Burgen und Festungsanlagen entstanden, hat bewirkt, dass die Grenze zwischen bürgerlicher und bäuerlicher Kultur fließender ist als in den benachbarten deutschen Landschaften. Hieraus erklärt sich ein starker Einfluss des urbanen Stils auf die ländlichen Fachwerkbauten, Rathäuser, Kirchen u. a. in der wohlhabenden Reblandzone, die heute stark auf Tourismus eingestellt ist. Viele Arbeitnehmer pendeln nach Deutschland und in die Region Basel. Auch kulturell ist eine Verknüpfung mit der übrigen alemannischen Oberrheinregion auf allen Gebieten spürbar. Das Brauchtum (zahlreiche Frühlingsgestalten wie etwa das »Maiwiebele« oder der »Pfingstbutzen« veranstalten noch heute Heischegänge mit speziellen Sprüchen und Liedern) mit Fastnachtsfeuern, Ernte- und Weihnachtssitten (der Christbaum tauchte hier im 17. Jahrhundert zum ersten Mal auf) entspricht zumeist oberdeutschen Verhältnissen. Berühmt ist die eigenständige Küche: das deftige »Choucroute«, »Bäckerofen«, Schnecken und Froschschenkel, Münsterkäse und Weißwein. Das Oberelsass ist überwiegend katholisch, das Unterelsass dagegen zu rd. einem Drittel protestantisch. Heute lebt über ein Viertel der Bevölkerung in Straßburg, Mülhausen und Colmar.
 
Die elsässische Mundart gehört zum alemannischen, nördlich des Hagenauer Forsts zum rheinfränkischen Sprachgebiet. Offizielle Sprachen sind Französisch und Deutsch.
 
Wirtschaft:
 
In der Rheinebene werden Weizen, Zuckerrüben (besonders im Niederterrassenbereich), Tabak, Gemüse (Spargel), Hopfen und Obst angebaut. In der Vorhügelzone wird v. a. Weinbau, im Gebirge Holzwirtschaft, im zentralen Teil der Hochvogesen Almwirtschaft betrieben. Die Käseherstellung (Münsterkäse) ist heute zum Teil industrialisiert. Im Oberelsass dominieren Papier- und Textil- (Mülhausen, Colmar, Vogesentäler) sowie Kfz- und chemische Industrie (Mülhausen). Der Kalisalzbergbau bei Mülhausen trägt durch die Abwässer entscheidend zur Versalzung des Rheins bei. Im Nordelsass finden sich Nahrungs- und Genussmittel- (Brauereien), Metall- (Maschinen-) und Schuhindustrie; zwei große Erdölraffinerien nördlich von Straßburg (Reichstett, Herrlisheim) werden durch die Erdölleitung Lavéra (Mittelmeer)-Karlsruhe versorgt. Elektrizitätswerke bestehen am Grand Canal d'Alsace (Rheinseitenkanal), ein Pumpspeicherwerk in den Hochvogesen (Lac Blanc, Lac Noir) und ein Kernkraftwerk (2 Blöcke je 880 MW Nettoleistung) in Fessenheim. In Anlehnung an den Kanal, den autonomen Hafen von Straßburg und die Erdölleitung entstanden neue Industriezonen (u. a. Colmar/Neu-Breisach) mit großen Werken (chemische, Kunststoff-, Aluminiumindustrie). Hohe Bedeutung hat der Fremdenverkehr, besonders an der Elsässischen Weinstraße (von Marlenheim bei Straßburg bis Thann).
 
Geschichte:
 
Das Gebiet des Elsasses mit seiner keltischen, zum Teil auch germanischen Bevölkerung gehörte, 58 v. Chr. von Caesar erobert, zur Provinz Gallia belgica und wurde 90 n. Chr. in die Provinz Germania superior eingegliedert. In der 2. Hälfte des 5. Jahrhunderts nahmen die Alemannen das Land endgültig in Besitz. Mit dem Sieg Chlodwigs über die Alemannen (wohl 496) wurde das Elsass Teil des Frankenreichs, in dem es 640-740 als eigenständiges Herzogtum unter dem Geschlecht der Etichonen bestand. Die karolingischen Herrscher teilten das Gebiet in zwei Grafschaften: Sundgau und Nordgau. Gleichzeitig wurde das Bistum Basel wieder errichtet und ihm das Oberelsass (Sundgau) unterstellt. Im Vertrag von Meerssen (870) erhielt Ludwig der Deutsche das Elsass zugesprochen. Heinrich I. gliederte es 925 dem Reich (Herzogtum Schwaben) ein. Mit Werner von Habsburg fassten um 1020 die Habsburger im Elsass Fuß. 1079 gelangte das Elsass mit dem Herzogtum Schwaben an die Staufer, die den Saliern durch Burgenbau und Ministerialität das Elsass sicherten, es gleichzeitig aber in ihre expansive Hausmachtpolitik einzubinden verstanden. Der Versuch Kaiser Lothars III., der staufischen Politik durch die Schaffung zweier elsässischer Landgrafschaften 1135 entgegenzuwirken, scheiterte. Während die Habsburger als Inhaber (seit 1135) der Landgrafschaft im Oberelsass (Sundgau) ihre Landeshoheit ausbauen konnten, verfiel die Landgrafschaft im Unterelsass und wurde 1359 vom Bischof von Straßburg aufgekauft.
 
Die Bestrebungen der Staufer, das Elsass als Fürstentum zu einem Reichsland zu machen, endeten 1250 mit dem Tod Kaiser Friedrichs II.; das Elsass zersplitterte in der Folge in zahllose politische und territoriale Einheiten.
 
Die Habsburger, seit der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts bedeutendste weltliche Herren im Elsass, verpfändeten 1469 die Landgrafschaft in Oberelsass an Herzog Karl den Kühnen von Burgund, doch endete die burgundische Herrschaft 1474 mit den Niederlagen gegen die Schweizer Eidgenossenschaft samt den mit ihr verbündeten elsässisch-oberrheinischen Städten.
 
Die im Elsass gelegenen Städte, denen zumeist in staufischer Zeit vielfältige Privilegien zugekommen waren, hatten es verstanden, nach 1250 ihre Stellung zu wahren und zum Teil noch auszubauen. Zur Verteidigung ihrer Vorrechte schlossen sich zehn elsässische Reichsstädte 1354 zum Zehnstädtebund (Dekapolis) zusammen.
 
Während der Reformationszeit setzte sich die protestantische Lehre v. a. in den Städten durch. Die Landbevölkerung der geistlichen Territorien und auch des habsburgischen Oberelsass blieb zum größten Teil katholisch. Die in dieser Zeit sich mehrenden Versuche der französischen Könige, im Elsass an Einfluss zu gewinnen, zeigten erstmals im Dreißigjährigen Krieg einen Erfolg, als Herzog Bernhard von Sachsen-Weimar sich mit französischem Einverständnis ein Fürstentum im Elsass zu schaffen suchte. Im Westfälischen Frieden fielen 1648 die habsburgischen Besitzungen im Elsass sowie die Vogtei über die Dekapolis, die dem Kaiser unterstanden hatte, an Frankreich. Bis 1697 brachten die französischen Könige das restliche Elsass unter ihren Einfluss; 1681 war Straßburg von französischen Truppen besetzt worden.
 
Während der Französischen Revolution wurde das Elsass 1789 der neu geschaffenen Republik eingegliedert. Die 1790 entstandenen Départements Bas-Rhin und Haut-Rhin ersetzten die bisherige Provinzialzugehörigkeit. In dieser Zeit begann sich die französische Sprache und Kultur im täglichen und politischen Leben durchzusetzen. Nach dem Deutsch-Französischen Krieg wurde das Elsass mit einem Teil Lothringens im Frankfurter Frieden (10. 5. 1871 an das Deutsche Reich angegliedert (Elsass-Lothringen).
 
Nach dem Waffenstillstand von 1918 rückten französische Truppen im Elsass ein. Durch den Versailler Vertrag (1919) fiel das Elsass (mit Lothringen) ohne Abstimmung an Frankreich. In den Locarnoverträgen (1925) bestätigte das Deutsche Reich seinen Verzicht. In Opposition zum französischen Verwaltungszentralismus bildete sich eine starke autonomistische Bewegung, die jedoch seit 1926 von der französischen Regierung bekämpft wurde. Im Zweiten Weltkrieg als besetztes Gebiet (1940-45) nominell französisch, wurde das Elsass faktisch in die deutsche Zivilverwaltung einbezogen (1942 Einführung der Wehrpflicht). Seit 1945 ist das Elsass wieder voll in den französischen Staat integriert. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Straßburg u. a. Sitz des Europarates und des Europäischen Parlaments. Es gibt Bestrebungen zur Pflege von Eigensprachlichkeit und kultureller Eigenart, seit 1993 auch — von der deutschen Minderheit betrieben — eine verstärkte Einbeziehung der deutschen Sprache in den Schulunterricht.
 
Die elsässische Mundartliteratur geht auf den Anfang des 19. Jahrhunderts zurück (J. G. D. Arnold, Lustspiel »Der Pfingstmontag«, 1816). Zu Beginn des 20. Jahrhunderts kam es zu einer Erneuerung (auf der Bühne mit G. Stoskopf, in der Lyrik mit den Brüdern Mathis). Im Oberalemannischen entwickelte sich N. Katz zu einem der bedeutendsten Nachfolger J. P. Hebels. Im Zusammenhang mit einer Wiederentdeckung der »Regionalsprachen« in Frankreich kam es seit den 1970er-Jahren zu einer bemerkenswerten Renaissance. Die neue Mundartdichtung spielt besonders eine Rolle im Kampf um die Erhaltung elsässischen Eigenart. Ihre Hauptvertreter sind A. Weckmann, A. Finck, C. Vigée, C. Winter, der Publizist E. Philipps sowie der Kabarettist G. Muller. Die Erneuerung bekundet sich im Gedicht und Lied (»Folligsong«); diese Dialektpoesie übernimmt Sprachformen der modernen Lyrik sowie sozialkritischen und regionalpolitischen Themen.
 
Literatur:
 
Bibliographie alsacienne (Paris 1918 ff.);
 É. Juillard: Atlas et géographie de l'Alsace et de la Lorraine (ebd. 1977);
 M.-N. Denis u. M.-C. Groshens: Alsace (ebd. 1978);
 
Encyclopédie de l'Alsace, hg. v. A. Acker u. a., 12 Bde. (Straßburg 1982-86);
 H. Vogt: Le relief en Alsace (ebd. 1992).
 
Geschichte: R. Buchner: Die elsäss. Frage u. das deutsch-frz. Verhältnis im 19. Jh. (1969);
 A. M. Burg: Das elsäss. Herzogtum, in: Oberrhein. Studien, Bd. 1 (1970), 83 ff.;
 F. Eyer: Die Landgrafschaft im unteren E., ebd. 161 ff.;
 
Histoire de l'Alsace, hg. v. P. Dollinger (Toulouse 1970).
 
Mundart: Wb. der elsäss. Mundarten, bearb. v. E. Martin u. H. Lienhart, 2 Bde. (Straßburg 1899-1907, Nachdr. 1974);
 
Das Volkslied im E., hg. v. J. Lefftz, 3 Bde. (Colmar 1966-69);
 
Nachrichten aus dem E., hg. v. A. Finck, 2 Bde. (1977-78);
 
In dieser Sprache, hg. v. A. Finck:u. a. (1981);
 
Neue Nachrichten aus dem E., hg. v. A. Finck:(1985).

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Ẹl|sass, das; - u. -es: Landschaft in Ostfrankreich.

Universal-Lexikon. 2012.