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Aristotelismus
Aris|to|te|lịs|mus, der; -:
von Aristoteles ausgehende, über die Scholastik bis in die Gegenwart reichende Philosophie.

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Aristotelịsmus
 
der, -, Bezeichnung für die verschiedenen Formen der Rezeption, des Aus- und Umbaus des philosophischen Systems des Aristoteles oder einzelner Elemente seiner Philosophie, deren Wirkung auf die Entwicklung des christlich-europäischen, jüdischen und islamisch-arabischen Geisteslebens unüberschaubar ist. Ein großer Teil der von Aristoteles zum ersten Mal präzisierten Termini - z. B. »Kategorie«, »Substanz«, »Akzidens«, »Potenz - Akt«, »Materie - Form«, »Abstraktion« - sind zu einem festen Bestandteil unserer Umgangs- und Wissenschaftssprache geworden. Die theoretische Basis der Anfänge vieler wissenschaftlicher Disziplinen (z. B. Logik, Physik, Astronomie) ist weitgehend von Aristoteles beeinflusst, wie auch ihre historische Entwicklung in einem kaum noch überprüfbaren Ausmaß auf die aristotelische Methodologie zurückgeht.
 
Aristoteliker im engeren Sinn sind die Mitglieder des Peripatos (Peripatetiker). Im Vordergrund standen hier die Naturwissenschaften; die »Metaphysik« wurde unter dem Einfluss des Platonismus und naturalistischer Deutungen missverstanden.
 
Die Lehrschriften des Aristoteles wurden erst nach der Herausgabe durch den Peripatetiker Andronikos von Rhodos (1. Jahrhundert v. Chr.) öffentlich bekannt. Zu den bedeutendsten Aristoteles-Kommentatoren zählt der Peripatetiker Alexander von Aphrodisias. Bei den Neuplatonikern war seit Porphyrios (3. Jahrhundert) die Auseinandersetzung mit Aristoteles mit dem Platonismus verknüpft; die Logik trat in den Mittelpunkt. Boethius übersetzte die »Kategorien« des Aristoteles ins Lateinische. Von Syrianos (5. Jahrhundert), Asklepios von Tralleis (6. Jahrhundert), Johannes Philoponos (6. Jahrhundert) und Simplikios sind Kommentare zu aristotelischen Schriften erhalten. Diese Werke sind zum Teil von der Verteidigung der Philosophie Platons, zum Teil von der Harmonisierung der Lehren Platons und Aristoteles' bestimmt.
 
Seit etwa 400 gewann der Aristotelismus dadurch an Wertschätzung, dass er es ermöglichte, religiöse Glaubensannahmen in ein systematisches Lehrgebäude einzugliedern. Nach Schließung der platonischen Akademie (529) gab es in Konstantinopel ein bis ins 11. Jahrhundert ununterbrochenes Studium der aristotelischen Schriften.
 
Die Philosophie des Aristoteles fand durch christliche syrische Ärzte Eingang im islamischen Kulturbereich, zunächst an der Übersetzerschule in Bagdad. Seit dem 9. Jahrhundert gehörte das Studium aristotelischer Schriften zum Kanon der arabischen Ausbildung. Bedeutende islamische Kommentatoren waren die Philosophen Al-Kindi, Alfarabi, Ibn Sina (Avicenna), am einflussreichsten für die Aristoteles-Rezeption im Mittelalter Ibn Ruschd (Averroes). - Auch die jüdische Philosophie erhielt ab dem 7. und 8. Jahrhundert, besonders aber ab der Mitte des 12. Jahrhunderts unter arabischem Einfluss durch den Aristotelismus neue Impulse. Hier wie im Islam waren Neuplatonismus und Aristotelismus Grundlagen der philosophisch-theologischen Auseinandersetzungen. Zu den jüdischen Peripatetikern zählen u. a. Salomon Ibn Gabirol (Avicebron), Abraham Ibn Daud (12. Jahrhundert) sowie Moses Maimonides. - Die christliche Philosophie des Mittelalters erhielt zum Teil über die lateinische philosophische Tradition (Cicero, Boethius), v. a. aber nach dem 4. Kreuzzug (1202-04) aus Konstantinopel sowie über die arabisch-jüdische Tradition (gepflegt besonders in Toledo und Palermo) Kenntnis von den Werken des Aristoteles. Die Frühscholastik kannte zunächst nur einen Teil seiner logischen Schriften, die »Kategorien«, die Schrift »Über die Aussage« sowie die »Eisagoge«, eine Einleitung des Porphyrios in die »Kategorien«. Erst im 12. Jahrhundert fanden die übrigen logischen und danach die anderen Schriften Verbreitung und gewannen wachsenden Einfluss. Ausgehend von Paris (1255) wurden sie zur Bildungsgrundlage an allen europäischen Unterrichtsstätten. Thomas von Aquino (13. Jahrhundert) entwickelte mithilfe der aristotelischen Philosophie ein einheitliches theologisch-philosophisches System, das für die Theologie für Jahrhunderte Geltung hatte. Er ersetzte auf der Basis der lateinischen Übersetzung Wilhelms von Moerbeke die von seinem Lehrer Albertus Magnus bevorzugte Paraphrase durch eine sorgfältige Kommentierung der Texte aus sich heraus und befreite die aristotelische Philosophie weitgehend von irrtümlichen Interpretationen sowie fremden, v. a. neuplatonischen Einflüssen. Doch hat die neuplatonische Kommentierung auch die spätere Aristoteles-Forschung zum Teil noch beeinflusst.
 
Eine Belebung erfuhr der Aristotelismus durch die humanistischen Studien der antiken Quellentexte, v. a. in Norditalien (Humanismus). Auf dem Aristotelismus, den M. Luther insbesondere in seiner scholastisch geprägten Überlieferung ablehnte, bauten dann, anknüpfend an die Aristoteles-Rezeption des Humanisten und reformatorischen Theologen P. Melanchthon, das protestantische Bildungswesen sowie Wissenschaft, Philosophie und Theologie des Protestantismus auf. - Vom Aristotelismus beeinflusst waren in der deutschen Aufklärung z. B. G. W. Leibniz, C. Wolff, später G. W. F. Hegel und N. Hartmann. Eine philologische und historische Erforschung der aristotelischen Philosophie setzte erst im 19. Jahrhundert ein. Grundlegend wurde der Aristotelismus u.a. bei F. A. Trendelenburg und F. Brentano (Neuaristotelismus). In Verbindung mit der Erneuerung thomistischer Theologie im 19. Jahrhundert erhielt der Aristotelismus eine neue, in der Diskussion fortdauernde Bedeutung.
 
Literatur:
 
N. Hartmann: Aristoteles u. Hegel (21933);
 M. Grabmann: Studien über den Einfluß der aristotel. Philosophie auf die mittelalterl. Theorien über das Verhältnis von Kirche u. Staat (1934);
 I. Düring: Von Aristoteles bis Leibniz. Einige Hauptlinien in der Gesch. des A., in: Antike u. Abendland, Bd. 4 (1954);
 F. E. Peters: Aristoteles Arabus. The oriental translations and commentaries on the Aristotelian Corpus (New York 1968);
 H. Gätje: Studien zur Überlieferung der aristotel. Psychologie im Islam (1971);
 P. Moraux: Der A. bei den Griechen von Andronikos bis Alexander von Aphrodisias, 3 Bde. (1973-2001);
 H. Rashdall: The universities of Europe in the Middle Ages, 3 Bde. (Neuausg. Oxford 21987).
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
Aristoteles: Das Streben nach Wissen
 

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Aris|to|te|lịs|mus, der; -: von Aristoteles ausgehende, über die Scholastik bis in die Gegenwart reichende Philosophie.

Universal-Lexikon. 2012.