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Ohr
Ohrwaschl (bayr.) (österr.) (umgangssprachlich); Lauschlappen (umgangssprachlich); Hörorgan; Gehör

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Ohr [o:ɐ̯], das; -[e]s, -en:
an beiden Seiten des Kopfes sitzendes, dem Hören dienendes Organ (bei Menschen und bei Wirbeltieren):
große, kleine, anliegende, abstehende Ohren haben; die Ohren schmerzen mir/mich; die Ohren dröhnen ihr vom Lärm; er hat gute/schlechte Ohren (hört gut/schlecht); sich die Ohren zuhalten; das Tier spitzt seine Ohren; den Hörer ans Ohr halten; auf dem linken Ohr ist er taub; jmdm. etwas ins Ohr flüstern.
Syn.: Löffel (salopp);
jmdn. übers Ohr hauen (ugs.): betrügen:
beim Kauf des Autos hast du dich aber ganz schön übers Ohr hauen lassen!

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Ohr 〈n. 27
1. 〈Anat.〉 paariges Gehörorgan am Kopf der Tiere u. des Menschen
2. 〈fig.; umg.〉 umgeknickte Ecke einer Buchseite (Esels\Ohr)
aufmachen: mach doch die, 〈od.〉 deine \Ohren auf! 〈fig.; umg.〉 hör doch richtig zu!; die \Ohren aufsperren 〈fig.; umg.〉 aufmerksam zuhören; hast du keine \Ohren? 〈umg.〉 du willst wohl nicht hören?; wer \Ohren hat (zu hören), der höre (mahnender Aufruf, den verborgenen Sinn einer Sache zu erkennen; nach Matth. 11,15, 13,13; Offenbarung 2,7); die Wände haben \Ohren hier sind Lauscher in der Nähe; klingen: haben dir nicht die \Ohren geklungen? (weil wir so viel von dir gesprochen haben); jmdm. die \Ohren langziehen 〈fig.; umg.〉 jmdn. zurechtweisen; leih mir dein \Ohr! 〈geh.; scherzh.〉 hör mir zu!; die \Ohren spitzen aufmerksam od. angestrengt zuhören, lauschen; jmdm. die \Ohren volljammern 〈umg.〉 jmdn. mit Klagen belästigen; jmdm. die \Ohren vollschreien jmdn. durch Geschrei belästigen; wasch dir die \Ohren! 〈fig.; umg.〉 hör besser zu!; sich die \Ohren zuhalten, zustopfen nichts hören wollen ● ein aufmerksames, geneigtes, offenes \Ohr finden Verständnis (u. Hilfsbereitschaft) finden; äußeres \Ohr sichtbarer Teil des Ohrs, Ohrmuschel; ich bin ganz \Ohr 〈fig.; umg.〉 sprich, ich werde dir aufmerksam zuhören; noch grün hinter den \Ohren sein 〈fig.; umg.〉 noch unreif, unerfahren sein; inneres \Ohr Sitz des Gehörs; scharfe, gute, feine \Ohren; schlechte, taube \Ohren; spitze, lange \Ohren machen angespannt, neugierig zuhören ● sich aufs \Ohr legen, 〈umg.〉 hauen sich schlafen legen; der Hut saß ihm keck, schief auf einem \Ohr; auf den \Ohren sitzen 〈fig.; umg.〉 nicht zuhören; auf einem \Ohr taub sein; auf dem \Ohr höre ich schlecht! 〈fig.; umg.; scherzh.〉 davon möchte ich nichts hören!; jmdn. bei den \Ohren nehmen 〈fig.〉 jmdn. energisch verwarnen; bis an die \Ohren verschuldet sein große Schulden haben; das ist nicht für fremde \Ohren bestimmt das soll nicht jeder hören; jmdm. eins hinter die \Ohren geben jmdm. eine Ohrfeige geben; es (faustdick) hinter den \Ohren haben 〈fig.; umg.〉 schlau sein, ohne dass es einem anzusehen ist; sich hinter den \Ohren kratzen (als Zeichen der Ratlosigkeit); ein Tier hinter den \Ohren kraulen; schreib es dir hinter die \Ohren! 〈fig.; umg.〉 merk dir das gut!; die Melodie geht leicht ins \Ohr lässt sich leicht merken; der Schrei gellte mir in den \Ohren; hast du Dreck in den \Ohren? 〈derb〉 kannst du nicht hören?; es saust, braust mir in den \Ohren; ich habe es noch im \Ohr ich kann mir den Klang noch vorstellen; ich habe immer noch seine Worte im \Ohr ich muss immer noch an seine W. denken; jmdm. in den \Ohren liegen 〈fig.; umg.〉 jmdn. durch Bitten belästigen, ständig auf jmdn. einreden; jmdm. etwas ins \Ohr sagen heimlich zuflüstern; mit den \Ohren wackeln (können); nur mit halbem \Ohr zuhören wenig aufmerksam; mit hängenden \Ohren dastehen, zurückkommen 〈fig.〉 betrübt, bedrückt, enttäuscht; jmdn. übers \Ohr hauen 〈fig.; umg.〉 jmdn. betrügen; er wurde bis über die, 〈od.〉 beide \Ohren rot; bis über die, 〈od.〉 beide \Ohren in Schulden stecken 〈umg.〉 völlig verschuldet sein, viel Schulden haben; bis über die, 〈od.〉 beide \Ohren verliebt sein 〈umg.〉 heftig verliebt sein; sich die Nacht um die \Ohren schlagen 〈umg.〉 die Nacht ohne Schlaf verbringen; es ist mir zu \Ohren gekommen ich habe gehört; das geht ihm zum einen \Ohr hinein und zum anderen wieder hinaus 〈umg.〉 er beachtet es nicht, er vergisst es wieder [<mhd. ore, ahd. ore, engl. ear, got. auso <idg. *ous „Ohr“]

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Ohr , das; -[e]s, -en [mhd. ōre, ahd. ōra; alte idg. Bez. mit unklarem Benennungsmotiv]:
Gehörorgan bei Mensch u. Wirbeltier, dessen äußerer Teil je ein meist an beiden Seiten des Kopfes ansitzendes, bei Tieren häufig bewegliches, muschelartig gebogenes, knorpeliges Gebilde ist:
große, kleine, anliegende, abstehende -en;
die -en schmerzen mir/mich;
gute, scharfe, schlechte -en haben (gut, schlecht hören können);
sich die -en zuhalten;
das Tier spitzt seine -en;
rote -en bekommen;
das Pferd legt die -en an;
jmdn. am O. ziehen;
auf dem linken O. ist er taub;
den Hörer ans O. halten;
jmdn. bei den -en packen;
für heutige/unsere -en (moderne Menschen) klingt das altmodisch;
ein Sausen in den -en verspüren;
jmdm. etwas ins O. flüstern;
ich stopfe mir Watte in die -en;
der Wind pfiff mir um die -en;
Ü wo hast du denn deine -en? (ugs.; kannst du nicht aufpassen?; wirst du wohl zuhören!);
R es gibt [gleich] rote -en! (ugs. scherzh.; Drohung, jmdm. ein paar Ohrfeigen zu geben);
ganz O. sein (ugs.; sehr aufmerksam, gespannt zuhören: sprich nur weiter, ich bin ganz O.!);
jmdm. klingen die -en (ugs. scherzh.; jmd. spürt, dass andere an ihn denken od. über ihn sprechen; der leise, hohe Ton, den man gelegentlich in den Ohren hat, wird im Volksglauben damit in Verbindung gebracht, dass ein anderer über einen redet);
-en wie ein Luchs haben (sehr scharf hören);
lange -en machen (ugs.; neugierig lauschen);
die -en auftun/aufmachen/aufsperren/auf Empfang stellen (ugs. scherzh.; genau zuhören);
die -en spitzen (ugs.; aufmerksam horchen, lauschen);
die -en auf Durchzug stellen (ugs. scherzh.; sich etw. anhören, es aber nicht beherzigen, es gleich wieder vergessen);
jmdm. sein O. leihen (geh.; jmdm. zuhören);
ein offenes O. für jmdn. haben (jmds. Bitten u. Wünschen zugänglich sein);
bei jmdm. ein geneigtes/offenes/williges O. finden (gehört, verstanden werden u. Hilfe zugesagt bekommen);
[vor jmdm.] die -en verschließen (unzugänglich für [jmds.] Bitten sein);
jmdm. die -en kitzeln/pinseln (ugs.; jmdm. Schmeicheleien sagen);
die -en steifhalten (ugs.; sich nicht unterkriegen lassen; nicht den Mut verlieren; nach der Beobachtung, dass ein Tier, das die Ohren nicht hängen lässt, wach u. munter ist: also, halt die -en steif!);
die -en anlegen (ugs.; die Kräfte anspannen, um möglichst ohne Schaden eine schwierige, gefährliche Situation zu bestehen);
die -en hängen lassen (ugs.; niedergeschlagen, mutlos sein);
jmdm. die -en lang ziehen/langziehen (ugs.; jmdn. scharf zurechtweisen);
jmdm. die -en volljammern (ugs.; jmdm. durch ständiges Klagen lästig fallen, zusetzen);
jmdm. die -en vollblasen (ugs.; jmdm. durch ständiges Reden lästig fallen, zusetzen);
jmdm. ein O. /die -en abreden/abkauen (ugs.; so viel auf jmdn. einreden, dass dieser schließlich gar nicht mehr richtig hinhört);
tauben -en predigen (jmdn. ermahnen u. dabei merken, dass er nichts einsehen will);
seinen -en nicht trauen (ugs.; über etw., was man hört, völlig überrascht sein);
sich aufs O. legen/(salopp:) hauen (ugs.; schlafen gehen);
sich <Dativ> die -en brechen (salopp; sich bei einer kniffligen, mühseligen Arbeit sehr anstrengen);
auf den -en sitzen (ugs.; nicht aufpassen, nicht hören, wenn jmd. etwas sagt);
auf dem, diesem O. taub sein (ugs.; von einer bestimmten Sache nichts wissen wollen);
auf taube -en stoßen (ugs.; kein Gehör finden);
nichts für fremde -en sein (geheim, vertraulich sein);
nichts für zarte -en sein (ugs.; zum Erzählen vor empfindsamen [weiblichen] Zuhörern nicht geeignet sein);
jmdm. eins/ein paar hinter die -en geben (ugs.; jmdn. ohrfeigen);
eins/ein paar hinter die -en bekommen (ugs.; geohrfeigt werden);
sich <Dativ> etw. hinter die -en schreiben (ugs.; sich etw. gut merken; nach einem alten Rechtsbrauch wurden bes. bei Grenzfestlegungen Knaben als Zeugen hierfür an den Ohren gezogen, damit sie sich noch lange daran erinnern sollten);
noch feucht/nicht trocken hinter den -en sein (ugs.; noch nicht alt genug sein, um etwas von der Sache zu verstehen u. mitreden zu können; bezieht sich darauf, dass Kinder unmittelbar nach der Geburt noch feucht [hinter den Ohren] sind);
es [faustdick/knüppeldick] hinter den -en haben (ugs.; schlau, gerissen, auch schalkhaft u. schlagfertig sein [bei harmlosem Aussehen]; nach altem Volksglauben soll der Sitz der Verschlagenheit hinter den Ohren liegen; er würde dort durch dicke Wülste kenntlich);
jmdm. [mit etw.] in den -en liegen (ugs.; jmdm. durch ständiges Bitten zusetzen);
etw. im O. haben (etw. innerlich hören; sich an etw. Gehörtes erinnern);
ins O. gehen/im O. bleiben ([von einer Melodie] leicht zu merken, sehr eingängig, gefällig sein);
mit den -en schlackern (ugs.; vor Überraschung, Schreck sprachlos, ratlos sein);
mit halbem O. zuhören/hinhören (ohne rechte Aufmerksamkeit zuhören);
jmdn. übers O. hauen (ugs.; jmdn. übervorteilen, betrügen; stammt urspr. aus der Fechtersprache u. bedeutete »jmdn. mit der Waffe am Kopf [oberhalb der Ohren] treffen«);
bis über die -en in der Arbeit/in Schulden o. Ä. sitzen, stecken (ugs.; sehr viel Arbeit haben, hoch verschuldet sein; nach dem Bild eines Ertrinkenden od. im Sumpf Versinkenden);
bis über die/über beide -en verliebt sein (ugs.; sehr verliebt sein);
viel um die -en haben (ugs.; sehr viel Arbeit u. Sorgen haben);
jmdm. etw. um die -en hauen/schlagen (ugs.; jmdm. wegen etw. heftige Vorwürfe machen; jmdn. wegen etw. heftig kritisieren);
um ein geneigtes O. bitten (geh.; um Gehör, um wohlwollendes Anhören bitten);
jmdm. zu -en kommen (jmdm. [als unerfreuliche Tatsache] bekannt werden, obwohl eigentlich nicht darüber gesprochen werden sollte);
zum einen O. herein-, zum anderen wieder hinausgehen (ugs.; [von Ermahnungen, Erklärungen u. Ä.] nicht richtig aufgenommen, sofort wieder vergessen werden).

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I
Ohr,
 
dem Hören dienendes Sinnesorgan der Wirbeltiere, das beim Menschen und den Säugetieren aus einem äußeren Ohr, einem Mittelohr (mit den drei Gehörknöchelchen) und einem Innenohr (enthält auch das Gleichgewichtsorgan für den Lage- und Bewegungssinn) besteht. Die Ohren (gemeint sind hier die Ohrmuscheln) gehören zu den erogenen Zonen (vor allem die Ohrläppchen) und werden daher oft geschmückt und mit vielfältigen Liebkosungen bedacht. Das Ohr ist in vielen Kulturen in Mythen, Sagen, Märchen und Legenden ein weibliches Sexualsymbol (für die Vulva oder auch die Scheide).
 
Als Hörorgan hat das Ohr eine große Bedeutung für die zwischenmenschliche Kommunikation. Schon die Stimme eines Menschen, abhängig von ihrer Tonlage und Farbe, aber auch was und wie er es sagt, ob leise, weich oder hart und heftig, kann für Zuneigung oder Abneigung entscheidend sein. Dies schlägt sich auch in der Sprache nieder: Jemandem »Gehör schenken« heißt, ihm geneigt sein, einen Menschen »erhören« bedeutet, sich ihm hingeben, seinem Werben nachgeben und »Hörigkeit« bedeutet, jemandem verfallen sein. Ungewohnte, fremde Geräusche wirken (auch beim Liebesspiel) leicht irritierend: der Hörsinn warnt uns auch vor Gefahren.
 
Siehe auch: Sinne.
 
II
Ohr,
 
Auris, bei den Wirbeltieren und dem Menschen paarig angelegtes Sinnesorgan, das primär ein Organ des statischen Sinns darstellt, wobei das Gleichgewichtsgefühl allein vom Innenohr (Labyrinth) vermittelt wird. Darüber hinaus dient eine Reihe von bei den einzelnen Tiergruppen unterschiedlich ausgebildeten Hilfseinrichtungen (Mittelohr, Außenohr) der Hörfunktion des Ohres. - Phylogenetisch leitet sich das Bogengangsystem im Innenohr der Wirbeltiere vom Seitenlinienorgan der Fische ab. Bei den Knochenfischen, die nur ein als statisches Organ fungierendes Innenohr (Labyrinth) besitzen, ist darüber hinaus auch ein Gehör vorhanden, wobei die Schwimmblase (oft über besondere Gehörknöchelchen, die Weber-Knöchelchen) als schallaufnehmendes Organ fungieren kann. In der aufsteigenden Wirbeltierreihe wächst ein Teil des Labyrinths, die Lagena, zu einem Blindsack aus, der bei den plazentalen Säugetieren zur eng aufgewundenen Schnecke (Cochlea) wird. Von den Amphibien an ist ein nach außen durch ein Trommelfell abgegrenztes Mittelohr ausgebildet, das sich vom Spritzloch der Haie ableiten lässt. Das höchstentwickelte Ohr besitzen die Säugetiere einschließlich des Menschen. Es lässt sich in Außenohr (Ohrmuschel und Gehörgang bis zum Trommelfell; häufig allgemein als Ohr bezeichnet), Mittelohr (Paukenhöhle mit Gehörknöchelchen) und Innenohr (Labyrinth; Lagena beziehungsweise Schnecke und Bogengänge) gliedern.
 
Außenohr:
 
Eine Ohrmuschel (Auricula) ist bei den meisten Säugetieren ausgebildet (Ausnahmen sind u. a. Maulwurf, Wal). Sie ist ein durch besondere Muskeln oft sehr bewegliches, durch den Ohrknorpel gestützter und oft durch Falten versteifter Schallauffangapparat. Bei manchen Tieren (z. B. Wühlmäuse, Fischotter) kann die Ohrmuschel den äußeren Gehörgang verschließen. Die Ohrmuschel des Menschen ist deutlich reduziert, kaum mehr beweglich und individuell geformt. Der äußere Rand (Helix) ist umgebogen. Vor der äußeren Gehörgangsöffnung liegt als knorpelgestützter Höcker der Tragus. Das untere Ende bildet das nur aus Fettgewebe bestehende, manchmal weitgehend fehlende Ohrläppchen. Der vom Schläfenbein eingeschlossene Gehörgang (Meatus acusticus) ist beim Menschen etwa 2,5-3,5 cm lang, 6-8 mm weit und verläuft leicht s-förmig. In ihn münden die Ohrschmalzdrüsen, großlumige, geknäuelte, tubulöse apokrine Hautdrüsen, die ein gelbliches Sekret ausscheiden, das zum Feuchthalten, vermutlich auch zur Erweichung des Ohrenschmalzes (Cerumen) dient. Dieses schützt den Gehörgang und besteht aus dem Talg von Haarbalgdrüsen, aus abgeschilfertem Epithel und eindringendem Schmutz.
 
Mittelohr:
 
Die von Knochen umgebenen Hohlräume des Mittelohrs stehen durch die Ohrtrompete in Verbindung mit dem Nasen-Rachen-Raum und damit praktisch mit der Außenwelt. Die Ohrtrompete (Ohrtube, Eustachi-Röhre, Tuba Eustachii) ist etwa 36 mm lang und wird normalerweise beim Schluckakt geöffnet, wobei der Luftdruckausgleich zwischen Mittelohr und Nasen-Rachen-Raum erfolgt. Die Schallleitung vom nur locker gespannten und daher mit auftreffenden Schallwellen leicht mitschwingenden Trommelfell (beim Menschen etwa 0,5 cm2 groß und 0,8-0,1 mm dick) über das ovale Fenster (Vorhoffenster) zum Innenohr übernehmen die drei in der Paukenhöhle (Cavum tympani) gelegenen Gehörknöchelchen Hammer, Amboss, Steigbügel, wobei die Luft im Mittelohr ein fast reibungsloses Schwingen der gelenkig verbundenen Gehörknöchelchen ermöglicht. Sie stellen einen Hebelmechanismus dar, der die aufgenommenen Schallwellen beim Menschen um etwa das 2- bis 3fache verstärkt. Eine weitere Verstärkung um das 20- bis 25fache erfolgt durch die gegenüber dem Trommelfell stark verringerte Fläche des ovalen Fensters und durch die Resonanzwirkung des Gehörgangs (beim Menschen eine Verdoppelung). Im unteren Teil des Mittelohrs liegt das runde Fenster, eine Membran für den Druckausgleich gegenüber dem Innenohr.
 
Das Innenohr besteht beim Menschen aus der Schnecke und den Bogengängen. Das eigentliche Hörorgan, die Schnecke (Cochlea), setzt sich aus einem knöchernen und einem häutigen Teil zusammen. Die knöcherne Schnecke besteht aus der Achse (Schneckenspindel) und einer Knochenleiste, die bis etwa zur Hälfte in den Hohlraum der Schnecke vorspringt. Beide sind weitporig und enthalten im Innern die Fasern des Hörnervs. Der häutige Teil der Schnecke (Schneckengang; Ductus cochlearis) ist ein im Querschnitt dreieckiger Bindegewebeschlauch, der mit einer viskosen Flüssigkeit, der Endolymphe, angefüllt und mit seinem spitzen Ende an der Knochenleiste befestigt ist. Durch diese Anordnung wird der Binnenraum der Schnecke in »Treppen« aufgegliedert. Der obere Raum trägt die Bezeichnung Vorhoftreppe. Er ist vom Vorhof aus, der sich an das ovale Fenster anschließt, zugänglich. Der untere Raum endet am runden Fenster gegen die Paukenhöhle und wird daher Paukentreppe genannt. Beide Räume sind mit Perilymphe erfüllt, einer Flüssigkeit, die weitgehend der Gehirn-Rückenmark-Flüssigkeit entspricht, und gehen an der Spitze der Schnecke ineinander über. In ihrem oberen und unteren Teil grenzt die häutige Schnecke mit zwei Membranen gegen die Treppen. Die Begrenzung gegen die Vorhoftreppe, die Reissner-Membran, besteht aus einer zarten, gefäßlosen Haut mit dünnen, elastischen Fäden. Gegen die Paukentreppe wird die Begrenzung von der Basilarmembran gebildet. Hier befindet sich das eigentliche Transformationsorgan für den Schall, das Corti-Organ. Dessen Sinneszellen (Haarzellen, beim Menschen zwischen 16 000 und 23 000) sind von Stützzellen eingerahmt und tragen an ihrem oberen Ende feinste Härchen. Mit den Sinneszellen stehen afferente Fasern, die den aufgenommenen Reiz ins Gehirn weiterleiten, sowie efferente Fasern in Verbindung. Man unterscheidet äußere und innere Haarzellen; direkt auf der Basilarmembran sitzen nur die äußeren. Unmittelbar über den Haarzellen befindet sich die Deckmembran, die wahrscheinlich mit den Sinneshärchen verwachsen ist und so die Sinneszellen durch schwingende Bewegungen erregen kann.
 
Der Teil des Innenohrs, der dem Gleichgewichtssinn zugeordnet ist (Vestibularapparat), besteht aus dem schlauchförmigen Utriculus (Vorhofsäckchen), den drei häutigen Bogengängen (Ductus semicirculares), dem rundlichen Sacculus und dem an Utriculus und Sacculus angeschlossenen Gang des häutigen Labyrinths (Ductus endolymphaticus). Das häutige Labyrinth geht während der Keimesentwicklung aus dem Labyrinthbläschen (Ohrbläschen) hervor, aus dem durch Einschnürung der ventrale Sacculus und der dorsale Utriculus entstehen. Durch Ausstülpung kommt es am Sacculus zur Bildung der Lagena, eines bei Fischen und Amphibien noch sehr kleinen Blindsacks, der einen als Macula bezeichneten Sinnesepithelbezirk enthält. Dieser wird bei den Reptilien stabförmig (Basilarpapille) und rollt sich bei Vögeln und Säugetieren zur häutigen Schnecke auf. Die in drei Ebenen senkrecht aufeinander stehenden Bogengänge entstehen aus dem Utriculus. Sie besitzen jeweils eine basale Auftreibung (Ampulle), in der auf einem Vorsprung (Crista) und in eine haubenartige Gallertmasse (Cupula) eintauchend, die Sinneshaare liegen. Diese werden als Organe des Drehsinns bei Drehbewegungen mit der Cupula zusammen durch die Trägheit der Endolymphe aus den Bogengängen abgebogen und dadurch gereizt. Sacculus und Utriculus enthalten je einen Sinneszellenbezirk (Macula) mit Statolithen, die im Dienst des Gleichgewichtssinns stehen.
 
Rechtsgeschichte:
 
Im späteren Mittelalter war das Abschneiden oder Schlitzen eines oder beider Ohren besonders als Strafe für Diebstahl oder Gotteslästerung üblich; diente zur Kenntlichmachung des Täters. Als (privat) vollzogene Strafe an einem Knecht wegen mehrfachen Fluchtversuchs erstmals im 6. Jahrhundert genannt.
 
 
Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie v. a. auch in den folgenden Artikeln:
 
Gehör · Gleichgewichtssinn · Hören
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
 
Ohr: Außenohr, Mittelohr und Innenohr
 
Hören: Akustische Signale und Maßstäbe
 
Ohr: Bau und Arbeitsweise
 
Hören: Wahrnehmung von Schallwellen
 

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Ohr, das; -[e]s, -en [mhd. ōre, ahd. ōra]: Gehörorgan bei Mensch u. Wirbeltier, dessen äußerer Teil je ein meist an beiden Seiten des Kopfes ansitzendes, bei Tieren häufig bewegliches, muschelartig gebogenes, knorpeliges Gebilde ist: große, kleine, anliegende, abstehende -en; die -en schmerzen mir/mich; mein O. läuft (aus dem Ohr tritt Sekret); die -en dröhnen ihr vom Lärm; auf Passbildern musste früher ein O. frei sein; rote -en bekommen; gute, scharfe, schlechte -en haben (gut, schlecht hören können); sich die -en zuhalten; lauschend das O. an die Wand legen; liebliche Töne trafen ihr O.; In Bonn hat er das O. des Kanzlers (der Kanzler hört auf ihn; Woche 4. 4. 97, 3); das Tier spitzt seine -en; das Pferd legt die -en an; jmdn. am O. ziehen; den Hörer ans O. halten; auf dem linken O. ist er taub; jmdn. bei den -en packen; für heutige/unsere -en (moderne Menschen) klingt das altmodisch; das ist etwas für geschulte -en; Wasser ins O. bekommen; jmdm. etwas ins O. flüstern; ein Sausen in den -en verspüren; ich stopfe mir Watte in die -en; Sabina steckte sich die Walkman-Hörer in die -en (Thor [Übers.], Ich 49); der Wind pfiff mir um die -en; R es gibt [gleich] rote -en! (ugs. scherzh.; Drohung, jmdm. ein paar Ohrfeigen zu geben); dir fehlt bald ein Satz -en (salopp scherzh.; Drohung, jmdn. fürchterlich zu verprügeln); Ü wo hast du denn deine -en? (ugs.; kannst du nicht aufpassen?; wirst du wohl zuhören! ); das Kind hat [anscheinend] keine -en (ugs.; will nicht hören, kann nicht gehorchen); *ganz O. sein (sehr aufmerksam, gespannt zuhören): Sprich nur weiter! Ich bin ganz O.! (Ziegler, Labyrinth 86); jmdm. klingen die -en (ugs. scherzh.; jmd. spürt, dass andere an ihn denken od. über ihn sprechen; der leise, hohe Ton, den man gelegentlich in den Ohren hat, wird im Volksglauben damit in Verbindung gebracht, dass ein anderer über einen redet); ein [feines] O. für etw. haben (etw. [nach dem Klang] genau beurteilen können; ein feines Empfinden für etw. haben); -en wie ein Luchs haben (sehr scharf hören); lange -en machen (ugs.; neugierig lauschen); die -en auftun/aufmachen/aufsperren (ugs.)/auf Empfang stellen (ugs. scherzh.; genau zuhören); die -en spitzen (ugs.; aufmerksam horchen, lauschen); die -en auf Durchfahrt/Durchzug stellen (ugs. scherzh.; sich etw. anhören, es aber nicht beherzigen, es gleich wieder vergessen); jmdm. sein O. leihen (geh.; jmdm. zuhören); ein offenes O. für jmdn. haben (jmds. Bitten u. Wünschen zugänglich sein); bei jmdm. ein geneigtes/offenes/williges O. finden (gehört, verstanden werden u. Hilfe zugesagt bekommen); [vor jmdm.] die -en verschließen (unzugänglich für [jmds.] Bitten sein); jmdm. die -en kitzeln/pinseln (ugs.; jmdm. Schmeicheleien sagen); sich <Dativ> die -en melken lassen (ugs.; auf Schmeicheleien hereinfallen u. dabei übervorteilt werden); die -en steif halten (ugs.; sich nicht unterkriegen lassen; nicht den Mut verlieren; nach einer Beobachtung von Tieren [bes. Pferden u. Hunden]: Das Tier, das die Ohren nicht hängen lässt, ist wach u. munter): also, halt die -en steif!; die -en anlegen (ugs.; die Kräfte anspannen, um möglichst ohne Schaden eine schwierige, gefährliche Situation zu bestehen); die -en hängen lassen (ugs.; niedergeschlagen, mutlos sein); jmdm. die -en lang ziehen (ugs.; jmdn. scharf zurechtweisen); jmdm. die -en voll jammern (ugs.; jmdm. durch ständiges Klagen lästig fallen, zusetzen); jmdm. die -en voll blasen (ugs.; jmdm. durch ständiges Reden lästig fallen, zusetzen); jmdm. ein O./die -en abreden/abkauen (ugs.; so viel auf jmdn. einreden, dass dieser schließlich gar nicht mehr richtig hinhört); tauben -en predigen (jmdn. ermahnen u. dabei merken, dass er nichts einsehen will): Wieder lege ich mein Veto ein. Doch ich predige tauben -en (Hörzu 47, 1977, 10); seinen -en nicht trauen (ugs.; über etw., was man hört, völlig überrascht sein); jmds. -en schmeicheln (jmdm. angenehm klingen, schmeichelhaft für jmdn. sein); sich aufs O. legen/(salopp:) hauen (ugs.; schlafen gehen); sich <Dativ> die -en brechen (salopp; sich bei einer kniffligen, mühseligen Arbeit sehr anstrengen); auf den -en sitzen (ugs.; nicht aufpassen, nicht hören, wenn jmd. etwas sagt); auf dem, diesem O. nicht/schlecht hören, taub sein (ugs.; von einer bestimmten Sache nichts wissen wollen); auf taube -en stoßen (ugs.; kein Gehör finden): Wir sind mit unseren Forderungen nicht auf taube -en bei der Leitung des Unternehmens gestoßen (Zenker, Froschfest 219); nichts für fremde -en sein (geheim, vertraulich sein); nichts für zarte -en sein (ugs.; zum Erzählen vor empfindsamen [weiblichen] Zuhörern nicht geeignet sein); jmdm. eins/ein paar hinter die -en geben (ugs.; jmdn. ohrfeigen); eins/ein paar hinter die -en bekommen (ugs.; geohrfeigt werden); sich <Dativ> etw. hinter die -en schreiben (ugs.; sich etw. gut merken; nach einem alten Rechtsbrauch wurden bes. bei Grenzfestlegungen Knaben als Zeugen hierfür an den Ohren gezogen od. geohrfeigt, damit sie sich der Bedeutung des Aktes bewusst wurden u. sich noch lange daran erinnern sollten); noch feucht/nass/nicht trocken hinter den -en sein (ugs.; noch nicht alt genug sein, um etw. von der Sache zu verstehen u. mitreden zu können; bezieht sich darauf, dass Kinder unmittelbar nach der Geburt noch feucht [hinter den Ohren] sind); es [faustdick/knüppeldick] hinter den -en haben (ugs.; schlau, gerissen, auch schalkhaft u. schlagfertig sein [bei harmlosem Aussehen]; nach altem Volksglauben soll der Sitz der Verschlagenheit hinter den Ohren liegen; er würde dort durch dicke Wülste kenntlich); jmdm. [mit etw.] in den -en liegen (ugs.; jmdm. durch ständiges Bitten zusetzen): Jeden Tag lag mir meine Mutter in den -en, sie wolle zurück in die Bronx (Singer [Übers.], Feinde 218); etw. im O. haben (etw. innerlich hören; sich an etw. Gehörtes erinnern): Ich habe immer noch das Heulen im O. (Bieler, Bonifaz 123); Das Geräusch der Aggregate hab' ich im O. (Loest, Pistole 247); wenn man noch das Melos seiner Lyrik und die hochgespannte Rhetorensprache seiner Prosa im O. hat (Spiegel 44, 1992, 256); ins O. gehen/im O. bleiben ([von einer Melodie] leicht zu merken, sehr eingängig, gefällig sein); mit den -en schlackern (ugs.; vor Überraschung, Schreck sprachlos, ratlos sein); mit halbem O. zuhören/hinhören (ohne rechte Aufmerksamkeit zuhören); jmdn. übers O. hauen (ugs.; jmdn. übervorteilen, betrügen; stammt urspr. aus der Fechtersprache u. bedeutete „jmdn. mit der Waffe am Kopf (oberhalb der Ohren) treffen“ [nachdem man ihn durch eine Finte dazu gebracht hatte, diese Körperpartie nicht zu decken]); bis über die -en in der Arbeit/in Schulden o. Ä. sitzen, stecken (ugs.; sehr viel Arbeit haben, hoch verschuldet sein; nach dem Bild eines Ertrinkenden od. im Sumpf Versinkenden); bis über die/über beide -en verliebt sein (ugs.; sehr verliebt sein); viel um die -en haben (ugs.; sehr viel Arbeit u. Sorgen haben): Man hat eben zu viel um die -en, findet auch oft die Ruhe nicht für ein gutes Buch (IWZ 46, 1983, 3); jmdm. etw. um die -en hauen/schlagen (ugs.; jmdm. wegen etw. heftige Vorwürfe machen; jmdn. wegen etw. heftig kritisieren): Wie wollten zwei denn mit ihrer Beziehung klarkommen, wenn sie dabei stehen bleiben, sich die Versäumnisse der Vergangenheit um die -en zu schlagen (Schwamborn, Schwulenbuch 170); um ein geneigtes O. bitten (geh.; um Gehör, um wohlwollendes Anhören bitten); von einem O. zum anderen strahlen (ugs.; sich freuen [u. dabei den Mund sehr breit ziehen] ); jmdm. zu -en kommen (jmdm. [als unerfreuliche Tatsache] bekannt werden, obwohl eigentlich nicht darüber gesprochen werden sollte): Es ist uns im Amt zu -en gekommen, dass die Nazis eine Brandstiftung planen, die als Attentat der Kommunisten ausgegeben werden soll (Spiegel 45, 1978, 12); zum einen O. herein-, zum anderen wieder hinausgehen (ugs.; [von Ermahnungen, Erklärungen u. Ä.] nicht richtig aufgenommen, sofort wieder vergessen werden): Vor allem sollten wir nicht auf harte Drogen umsteigen. Das ging bei uns zum einen O. rein und zum anderen wieder raus (Christiane, Zoo 51).

Universal-Lexikon. 2012.