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Kernphysik
Atomforschung; Nuklearforschung

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Kẹrn|phy|sik 〈f.; -; unz.〉 Zweig der Atomphysik, der sich mit dem Aufbau der Atomkerne beschäftigt

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Kẹrn|phy|sik: ein Gebiet der Physik, das sich mit Untersuchungen zur Struktur der Atomkerne u. zur Natur ihrer Wechselwirkungen untereinander u. mit anderen Elementarteilchen ( Kernreaktionen) befasst.

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Kẹrn|phy|sik, die:
Physik der Atomkerne u. ihres Aufbaus.

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Kernphysik,
 
Zweig der Physik, in dem die Kernstruktur sowie die Wechselwirkung von Kernen untereinander, von Kernen mit ihren Bestandteilen (den Nukleonen) und mit den übrigen Elementarteilchen untersucht wird. Sie belegt damit einen Bereich, der zwischen dem der Atomphysik und dem der Elementarteilchenphysik liegt. Die von ihr untersuchten Systeme, die Kerne, sind die einzigen physikalischen Systeme, in denen starke, schwache und elektromagnetische Wechselwirkung gleichzeitig auftreten.
 
Das Gebiet der Kernphysik lässt sich in drei große, sich gegenseitig beeinflussende Untergebiete einteilen: 1) die klassische oder Niederenergiekernphysik, 2) die Mittelenergiekernphysik bei Energien jenseits der Schwelle der Mesonenerzeugung (etwa 300 MeV) und 3) die Schwerionenphysik, bei der künstlich beschleunigte Kerne zur Untersuchung von Kernphänomenen herangezogen werden, die anders nicht zugänglich sind (Schwerionenforschung). Bei den Untersuchungen der Kernphysik handelt es sich in der Regel um Problemstellungen mit einer größeren, aber noch überschaubaren Teilchenzahl. Die Kernphysik nimmt insofern eine Mittelstellung ein zwischen Untersuchungen mit geringen Teilchenzahlen (z. B. in der Elementarteilchenphysik) und überaus großen Teilchenzahlen (in der Größenordnung der Avogadro-Konstante, z. B. bei Plasmen und kondensierter Materie), auf die statistische Methoden angewendet werden.
 
Zu den experimentellen Methoden der Kernphysik gehören v. a. die Massenspektrometrie, mit deren Hilfe Kernbindungsenergien ermittelt werden, die Verfahren der Kernspektroskopie, zu denen Streuexperimente verschiedener Art gehören, und die Verfahren zur Untersuchung der magnetischen Kernspinresonanz. Des Weiteren werden heute v. a. Reaktionen untersucht, die durch hochenergetische Teilchen und Schwerionenreaktionen bei mittleren und hohen Energien induziert werden und Aussagen sowohl über Reaktionsmechanismus und Spektroskopie als auch über den Aufbau der Nukleonen und ihre Wechselwirkung im Kern ermöglichen. Durch Beschuss von Atomen mit Kaonen können so genannte Hyperkerne erzeugt werden, die als Kernbaustein ein Hyperon enthalten. Aus dem Zerfall der gebundenen Hyperonen lassen sich Informationen über die Struktur der Kerne und die in diesen wirkenden Kräfte gewinnen. Für die Durchführung der Experimente bei hohen Energien wurden leistungsfähige Beschleuniger entwickelt.
 
Kernphysikalische Methoden werden u. a. in der medizinischen Diagnose und Therapie (Nuklearmedizin, Kernspintomographie), der Materialforschung, Altersbestimmung, bei der biologischen Wachstums- und Mutationsbeeinflussung, der Lebensmittelbestrahlung, der Erforschung der Sterne sowie auch zur Aufklärung von Verbrechen eingesetzt. Aus der Anwendung der Kernphysik ist der Bereich der Kerntechnik hervorgegangen, zu dem auch die technische Kernchemie zählt.
 
Geschichte:
 
1896 wurde von H. Becquerel die natürliche Radioaktivität entdeckt. Experimentelle Untersuchungen vieler Forscher (E. Rutherford, F. Soddy, H. Geiger, E. Marsden u. a.) führten zur Aufstellung des aus Kern und Elektronen bestehenden Atommodells und zur ersten künstlichen Kernumwandlung (Rutherford 1911 und 1919). Die Isotopie der Elemente (und damit der Kerne) wurde 1912/14 von F. Soddy und J. J. Thomson nachgewiesen. In der Theorie des Alphazerfalls von G. Gamow, R. W. Curney und E. U. Condon erfolgte 1928 die erste kernphysikalische Anwendung der Quantenmechanik. Nachdem J. Chadwick 1932 das Neutron nachgewiesen hatte, formulierte W. Heisenberg unter Verwendung der von ihm eingeführten Konzepte der Austauschkräfte und des Isospins eine Theorie des Kernaufbaus aus Nukleonen (Protonen und Neutronen). Ab etwa 1929 wurden verschiedene Beschleuniger entwickelt und gebaut (Kaskadengenerator von J. D. Cockcroft und T. S. Walton, Bandgenerator von R. J. van de Graaff, Zyklotron von E. O. Lawrence), die eine experimentelle Untersuchung der Kerneigenschaften ermöglichten. Nach der ersten Erzeugung künstlicher Radionuklide durch F. Joliot und Irène Joliot-Curie 1934 entdeckten O. Hahn und F. Strassmann 1939 die induzierte Kernspaltung. In den Jahren nach 1945 wurden das Schalenmodell und verschiedene kollektive Kernmodelle (A. Bohr, B. Mottelson) entwickelt. Die statistische Theorie der Kernreaktionen wurde in den 50er- und 60er-Jahren formuliert (H. Feshbach). Schwerionenbeschleuniger und Mesonenfabriken gaben der Kernphysik ab Mitte der 70er-Jahre neue Möglichkeiten zur Untersuchung des Kerns als Vielteilchensystem, das aus Nukleonen und deren Bestandteilen besteht.
 
Literatur:
 
E. Bodenstedt: Experimente der K. u. ihre Deutung, 3 Bde. (21978-79);
 T. Mayer-Kuckuk: K. Eine Einf. (61994);
 
Kern- u. Elementarteilchenphysik, bearb. v. G. Musiol u. a. (Neuausg. 21995);
 W. Greiner u. J. Maruhn: Kernmodelle (1995).

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Kẹrn|phy|sik, die: Physik der Atomkerne u. ihres Aufbaus.

Universal-Lexikon. 2012.