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Stele
Grabsäule

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Ste|le 〈f. 19freistehender Pfeiler als Grab- od. Gedenkstein, oft mit Bildnis des Toten [grch.]

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Ste|le ['st… , 'ʃt… ], die; -, -n [griech. ste̅̓lē] (Kunstwiss.):
(Kunstwiss.) frei stehende, mit Relief od. Inschrift versehene Platte od. Säule (bes. als Grabstein).

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Stele
 
[griechisch »Säule«, »Pfeiler«] die, -/-n,  
 1) Botanik: die Gesamtheit des von der Rinde umschlossenen Gewebekomplexes pflanzlicher Sprossachsen, bestehend aus Leitbündeln, Markstrahlen und Mark.
 
 2) frühe Kulturen: frei stehende längsrechteckige oder sich verjüngende Platte oder Pfeiler aus Stein, seltener aus Metall oder Holz, als Grenzstein, Inschriften- oder Grabstein, teilweise auch als Kultmal; Stelen sind (im Unterschied zum Menhir) in der Regel bearbeitet; sie tragen Reliefs (Ornament, figürliche Szenen), Ritzungen oder Bemalung.
 
In Ägypten ist die Stele seit Beginn der dynastischen Zeit (um 2900 v. Chr.) v. a. mit dem Grab verbunden. Anfangs nur den Namen des Verstorbenen tragend, wurde sie seit dem Alten Reich immer reicher ausgestaltet, nahm biographische und königliche Inschriften, Hymnen, Gebete u. a. Texte auf. Schrift und Bild wurden meist in bemaltem Relief ausgeführt, als Material fand neben Stein auch Holz Verwendung. Königliche Erlasse oder Siegesberichte konnten auf Stelen »veröffentlicht« werden, auch Grenzstelen ließen ägyptische Könige errichten. V. a. aber diente die Stele in Ägypten dem Fortleben der Toten; so standen in Abydos Tausende von Stelen an der Prozessionsstraße zum Osiristempel. Eine Sonderform stellt der ägyptische Obelisk dar.
 
In Vorderasien errichtete man bildlose Stelen auf einer Art Plattform (Funde z. B. in Hasanlu, Mari, Geser, Hazor, Byblos, auch in Kleinasien). Eine reliefierte Stele vom Beginn des 3. Jahrtausends v. Chr. war als roher Steinblock belassen (Jagdstele aus Uruk), dann wurden die Stelen allseits bearbeitet zu einer flachen, länglichen, oben häufig abgerundeten Steinplatte. Sie trugen Reliefs mit kriegerischer (Siegesstele des Naramsin) oder kultische Szenen, z. B. Einweihung eines Tempels durch den König, Gottheiten, hohe Personen, oft in mehreren Registern und mit Beischrift (z. B. Geierstele); gelegentlich ist die Stele v. a. Schriftträger (Gesetzesstele Hammurapis). Assyrische Könige verherrlichten ihre Siege auf frei stehenden oder in Fels gehauenen Stelen. Die Stelenreihe in Assur scheint chronologischen Zwecken gedient zu haben. Zu den Stelen zählen die Kudurrus kassitischer sowie die »Obelisken« neuassyrischer Zeit. Die Siegesstelen (Beispiele in Tell Ahmar) und die Stelen mit dem Relief einer Gottheit wurden weitertradiert.
 
In Griechenland dienten Stelen als flache, aufrecht stehende Steinplatten vielfältigen Zwecken, u. a. als Grenzmarkierungen, als Votive und Urkundensteine. Schon seit mykenischer Zeit (Gräberrund von Mykene) waren sie jedoch v. a. als Markierung des ursprünglich außerhalb der Burg gelegenen Grabplatzes in Gebrauch. In archaischer Zeit errichtete man auf den Friedhöfen vor den Stadtmauern hohe, schlanke Stelen, bekrönt von einer Sphinx, später von Palmetten. Die Vorderseite der Stele trug die Inschrift, das Reliefbild des Toten oder auch Malerei. Die Entwicklung wurde in Athen um 500 v. Chr. durch ein Verbot (»erstes Luxusgesetz«) unterbrochen, in anderen griechischen Landschaften verlief sie ungestört. Auf den Kykladen (Paros) entstand als spätarchaischer und frühklassischer Typ die ionische Stele, die den Verstorbenen aufrecht, begleitet von einem Kind oder Tier, zeigt (besonders häufig ist der Bildtypus »Herr und Hund«). Seit etwa 440 v. Chr. wurde auch in Athen das Grab wieder mit einer Stele geschmückt; sie hatten nun die breitere Gestalt einer von Pfeilern und Giebel gebildeten Ädikula, die ein Relief umschloss. Den Verstorbenen stellte man in einer eigenartigen Atmosphäre der Versunkenheit dar, jugendlich oder auch älter, nie gebrechlich; Hinweise auf den Beruf (Arzt, Krieger, Töpfer) waren gelegentlich vorhanden; öfter sind ein Diener oder eine Dienerin mit dargestellt. Mit dem Gesetz gegen den Gräberluxus des Demetrios von Phaleron aus dem Jahr 317 v. Chr. brach die Entwicklung der attischen Grabstele jäh ab. Im Hellenismus wurde v. a. die ionische Stele tradiert; die hellenistische Stele war meist nur bemalt (mit Ritzungen). In der röm. Kaiserzeit überwogen andere Formen.
 
In verschiedenen eisenzeitlichen Kulturen Europas war die Stele ebenfalls verbreitet. In Ligurien und der östlichen Poebene sowie dem Picenum finden sich im 7./6. Jahrhundert v. Chr. anthropomorphe Stelen, im Picenum auf allen vier Seiten mit geritztem Dekor (italische Kunst). Etruskische Stelen, v. a. aus Nordetrurien (Vetulonia, Perugia, Populonia, Volterra, Fiesole) stammen fast alle aus archaischer Zeit (6. Jahrhundert v. Chr.); sie tragen meist nur ein Relief auf der Vorderseite (Reiter-, Kriegerfigur des Toten). Eine Ausnahme bilden die Stelen aus Bologna, die mit übereinander angeordneten Relieffeldern verziert sind, oft an allen vier Seiten; ihr Vorkommen ist bis ins 4. Jahrhundert v. Chr. festzustellen. Einen eigenen Typ bildet der etruskische Cippus.
 
Bei den Kelten wurden Figuren oder Stelen, die vielleicht als Figur aufzufassen sind, auf dem Tumulus aufgestellt; v. a. in Gallien standen vorn und hinten bearbeitete Steinstelen von 1,50 bis 2 m Höhe (Statues-Menhirs). Im Mittelrheingebiet wurden einige wenig bearbeitete große Steinstelen gefunden, vielleicht waren entsprechende Stelen aus Holz verbreitet. Die 1,25 m hohe rechteckige Stele von Waldenbuch, als Figur gestaltet, zeigt in der Ornamentik den Stil von Waldalgesheim des späten 4. Jahrhunderts v. Chr. Die Sandsteinstele aus dem 4. Jahrhundert v. Chr., die in Pfalzfeld im Hunsrück gefunden wurde, ist von der Metallkunst beeinflusst. Gedenkstelen errichteten z. B. auch die Pikten, deren symbolische Darstellungen wie die Schrift auf ihnen (Ogham) rätselhaft bleiben. In Irland gingen die heidnischen Stelen fast nahtlos in frühchristliche über und mündeten in den Hochkreuzen (Steinkreuze).
 
Afrika:
 
Eine eigentümliche Form der Stele entwickelte sich in den ersten nachchristlichen Jahrhunderten in Aksum. In Form von reliefierten oder behauenen Platten finden sich Stelen v. a. in Südäthiopien (im Gebiet des alten Reiches Djandjero; Gedenk- oder Begräbnisstele). Häufiger sind Säulenformen, ebenfalls in Südäthiopien, die als phallische Steinsetzungen v. a. im Gebiet der Sidamo in großer Zahl vorkommen (äthiopische Kunst). Phallisch konzipiert sind ebenfalls die Stelen im Gebiet des Cross River und der Yoruba in Ife, Nigeria.
 
Amerika:
 
In den andinen Hochkulturen sind Stelen mit Reliefdarstellungen, v. a. aus der Chavínkultur und San Agustín, überliefert; häufig dargestellt ist ein Mischwesen aus Jaguar und Mensch. In Mesoamerika sind Stelen v. a. von den Zapoteken und Maya erhalten. Während die Stelen der Zapoteken kaum Inschriften haben, zeigen die der Maya sowohl äußerst kunstvolle Reliefs mit bildlichen Darstellungen als auch reiche Inschriften. Diese geben Auskunft über die Herrscherdynastien der Orte, in denen die Stelen aufgestellt sind; die Reliefs sind Porträts der Herrscher. Die Mayastelen waren ursprünglich rot bemalt, ihnen wurden häufig skulptierte Altäre räumlich zugeordnet.
 
In China war im Altertum die Preisstele (chinesisch Bei) verbreitet. Frühestes erhaltenes Beispiel ist die Stele des sich darauf selbst als »ersten Kaiser« bezeichnenden Qin Shi Huangdi bei seiner Grabanlage in Lintong. In der Hanzeit wurde es üblich, vor den Gräbern von Staatsbeamten und Adligen große Stelen mit eingravierter Biographie des Verstorbenen aufzustellen; eine analoge Funktion hatten später die Stelenpavillons auf dem Grabweg repräsentativer Grabanlagen. 175 n. Chr. wurden die standardisierten Texte der »Fünf Klassiker« auf kaiserlichen Befehl auf Stelen graviert und vor den Toren der kaiserlichen Akademie aufgestellt, was für die Verbreitung des Konfuzianismus von größter Bedeutung war. Im Zeichen des Buddhismus erlebte die Stele, die dem Stifter zu religiösem Verdienst und somit zu einer besseren Wiedergeburt verhelfen sollte, in Nordchina in der Zeit der ersten Reichsteilung (220-589) eine große Blüte. Die Vorderseiten der Stelen zeigen meist rund- oder halbrund-plastisch gearbeitete Kultfiguren, die Rückseiten Reliefzonen mit Darstellungen aus dem Wirken des Buddha, Darstellungen der Stifter und eingemeißelte Stiftungsinschriften. Bestes Zeugnis der Geschichte der Stelen in China und zugleich der Entwicklung der Schrift ist der »Stelenwald« (Bei-lin) des ehemaligen Konfuziustempels in Xi'an.
 
Literatur:
 
W. Andrae: Die S.-Reihen in Assur (1913, Nachdr. 1972);
 H. Diepolder: Die att. Grabreliefs des 5. u. 4. Jh. v. Chr. (1931, Nachdr. Weimar 1969);
 G. M. A. Richter: The archaic gravestones of Attica (London 1961);
 H. Straube: Westkuschit. Völker Süd-Äthiopiens (1963);
 H. Biesantz: Die thessal. Grabreliefs (1965);
 H. Möbius: Die Ornamente der griech. Grab-S. klass. u. nachklass. Zeit (21968);
 P. Allison: African stone sculpture (Neuausg. London 1969);
 J. Börker-Klähn: Altvorderasiat. Bild-S. u. vergleichbare Felsreliefs, 2 Tle. (1982);
 B. Schmaltz: Griech. Grabreliefs (1983);
 A. Scholl: Die att. Bildfeldstelen des 4. Jh. v. Chr. (1996).
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
Maya: Stelen und Staaten
 

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Ste|le ['st..., 'ʃt...], die; -, -n [griech. ste̅́lē]: 1. (Kunstwiss.) frei stehende, mit Relief od. Inschrift versehene Platte od. Säule (bes. als Grabdenkmal): Sein Name (= Aristion) ist auf den Sockel der schmalen S. geschrieben (Bild. Kunst I, 20). 2. (Bot.) Zentralzylinder der Pflanze.

Universal-Lexikon. 2012.