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Konfuzianismus
Kon|fu|zi|a|nịs|mus 〈m.; -; unz.〉 die Soziallehre u. Morallehre des Konfuzius [zu Konfuzius, latinisiert aus K'ung-(fu-)tse „Meister Kung“, chinesischer Philosoph u. Staatsmann, geb. um 551 v. Chr., † um 479 v. Chr.]

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Kon|fu|zi|a|nịs|mus, der; -:
auf der Lehre des chinesischen Philosophen Konfuzius (551–479 v. Chr.) u. seiner Schüler beruhende ethische, weltanschauliche, staatspolitische Geisteshaltung in China u. Ostasien.

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Konfuzianịsmus
 
der, -, die auf Konfuzius zurückgehende, besonders in China, aber auch in anderen Teilen Ostasiens (v. a. Japan) verbreitete Weltanschauung. Ihr Gründer empfand sich als »Überlieferer«, und er verband in seiner Lehre zahlreiche ältere religiöse und soziale Vorstellungen, die den Konfuzianismus zu einer vielschichtigen und dadurch sehr wandlungsfähigen Geistesrichtung machten. Wesentlich waren die Rationalisierung des »Himmels« (ursprünglich eine Ahnengottheit) zu einer nicht mehr unbedingt persönlich, wenngleich moralisch wirkenden Macht, die dazu analoge Umgestaltung religiös-magischer Bräuche zu »Riten«, die Umdeutung des charismatisch legitimierten »Fürstensohnes« zum »Edlen« im moralischen Sinn sowie die Rückführung aller (vom Militärischen auf das Zivile umakzentuierten) Einzeltugenden wie Pietät, Loyalität, Rechtlichkeit, Zuverlässigkeit und Bescheidenheit auf das humanistische Ideal der »Menschlichkeit«. Der Himmel gilt als Verkörperung der natürlichen und ethischen Gesetzmäßigkeiten des Universums. Wie der Himmel folgt in konfuzianischer Sicht auch der Herrscher dem allgemeinen Naturgesetz; die Wahrung des Naturgesetzes wird durch die allgemeine Beachtung der Riten gewährleistet, in deren Vollzug sich die Harmonie von Mensch und Kosmos dokumentiert. Grundmodell für jede, auch die staatliche Hierarchie bildet die patriarchalische Familie (der Kaiser verband als »Sohn des Himmels« und »Vater des Volkes« alle Sphären).
 
Die in der Familie, der Gemeinschaft von Freunden und im Staatswesen zu erfüllenden Pflichten werden zusammengefasst in den »fünf Beziehungen« zwischen Fürst und Staatsdiener, Vater und Sohn, Mann und Frau, älterem und jüngerem Bruder, Freund und Freund. In jeder dieser Beziehungen gewinnt die Übung der in Menschenliebe, Gerechtigkeit und Ehrerbietung sich äußernden Tugend besonderen Ausdruck. Diese religiöse und philosophischen, sozialethischen und politische Aspekte verbindenden Ideen wurden den schon früh mit zahlreichen Kommentaren angereicherten »Fünf Klassikern« entnommen (oder in sie hineininterpretiert), die, obwohl wesentlich älter, der Tradition nach aber von Konfuzius redigiert worden sind und damit als heilige Texte des Konfuzianismus gelten: das »Buch der Wandlungen« (Yi-jing), das »Buch der Lieder« (Shi-jing), das »Buch der Urkunden« (Shu-jing), die »Aufzeichnungen über die Riten« (Li-ji) und die »Frühlings- und Herbstannalen« (Chun-qiu). Unter den ersten bedeutenden Nachfolgern des Konfuzius vertrat Mengzi die Auffassung von der ursprünglichen Güte der menschlichen Natur, was eine mystische Interpretation des Konfuzianismus einschloss, Xunzi dagegen die ihrer Schlechtigkeit, woraus sich eine sachlichere Grundhaltung und die Betonung von Erziehungsmaßnahmen ergaben. Im 2. Jahrhundert v. Chr. wurde der Konfuzianismus durch den Hankaiser Wudi zur offiziellen, für das Erziehungswesen grundlegenden Weltanschauung in China proklamiert. Nachdem sich in mündlichen Überlieferungen durch die Verknüpfung staatlicher Ethik mit Phänomenen der Natur im Konfuzianismus zunächst sekundär wieder religiöse Strömungen mit mystisch-prophetischen Tendenzen durchgesetzt hatten (»Neutext-Schule«), trat ab dem 1. Jahrhundert n. Chr. eine nüchternere, historisch orientierte Richtung (»Alttext-Schule«) in den Vordergrund. Seit dem 3. Jahrhundert n. Chr. wurde der Konfuzianismus dann durch den Taoismus und insbesondere den Buddhismus zurückgedrängt. Er erlebte aber mit dem 10. Jahrhundert im »Neokonfuzianismus«, der zahlreiche taoistische und buddhistische Elemente in sich aufnahm, eine Wiedergeburt, die sich in der Erhebung weiterer älterer Texte zu »Klassikern«, zu den »Vier Kanonischen Büchern«, niederschlug: »Gespräche« des Konfuzius (Lun-yu), Mengzi, »Große Lehre« (Da-xue) und »Innehalten der Mitte« (Zhong-yong). Die beiden Hauptströmungen des Neokonfuzianismus, die im 11.-14. Jahrhundert vorherrschende »realistische« »Ordnungsprinzip-Schule« (Li-xue) und die »idealistische« »Herz-Schule« (Xin-xue) des 15.-17. Jahrhunderts (chinesische Philosophie und Religion), standen in einer gewissen Analogie zu den unterschiedlichen Auffassungen von Xunzi und Mengzi. Großen Einfluss besaß der Konfuzianismus auch in anderen ostasiatischen Ländern, besonders seit dem 4. Jahrhundert v. Chr. in Japan, wo jedoch, im Gegensatz zu China, die Loyalität zum Staat gegenüber derjenigen zur Familie Vorrang genoss. Der Niedergang des Konfuzianismus seit dem 18. Jahrhundert hing teils mit der auf heiligste Texte angewandten Quellenkritik, teils mit der mehrfachen Okkupierung des für das Selbstverständnis wesentlicher Kaiserthrons durch Fremddynastien (Mongolen und Mandschu) zusammen; praktisch alle modernen revolutionären Bewegungen (einschließlich des Kommunismus) bekämpften den Konfuzianismus auch wegen seines starren Hierarchieverständnisses im Rahmen des öffentlichen und privaten Lebens. Trotzdem wurde er als Morallehre auch in der Volksrepublik China periodisch immer wieder toleriert oder sogar gefördert, zuletzt seit dem Tod Mao Zedongs 1976. Außerhalb Chinas - z. B. in Taiwan, Singapur und in den von Auslandschinesen bewohnten Gebieten Asiens und Amerikas - lässt sich neuerdings auch ein Wiedererstarken des religiös gefärbten Konfuzianismus feststellen, der ansatzweise - über seinen Stellenwert in China hinaus - als eine Art ethische Heilslehre auftritt.
 
Literatur:
 
O. Franke: Studien zur Gesch. des konfuzian. Dogmas u. der chin. Staatsreligion (1920);
 S. Hu: Der Ursprung der Ju, in: Sinica, Sonderausg. (1935/36);
 C. Chang: The development of Neo-Confucian thought, 2 Bde. (New York 1957-62);
 
Confucianism in action, hg. v. D. S. Nivison u. a. (Stanford, Calif., 1959);
 
The Confucian persuasion, hg. v. A. F. Wright (ebd. 1960);
 
Vom K. zum Kommunismus, hg. v. P. J. Opitz (1969);
 O. Graf: Tao u. Jen (1970);
 J. R. Levenson: Confucian China and its modern fate (Neuausg. Berkeley, Calif., 1972);
 Wei-ming Tu: Confucian thought. Selfhood as creative transformation (Albany, N. Y., 1985);
 I. Eber: Confucianism, the dynamics of tradition (New York 1986);
 
K. u. die Modernisierung Chinas, hg. v. S. Krieger u. R. Trauzettel (1990).

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Kon|fu|zi|a|nịs|mus, der; -: auf der Lehre des chinesischen Philosophen Konfuzius (551-479 v. Chr.) u. seiner Schüler beruhende ethische, weltanschauliche, staatspolitische Geisteshaltung in China u. Ostasien.

Universal-Lexikon. 2012.