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Psychoanalyse
Freudismus (fachsprachlich); psychoanalytische Theorie; PSA (fachsprachlich); psychoanalytische Praxis; Psychotherapie (fachsprachlich); psychotherapeutische Kur

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Psy|cho|ana|ly|se 〈f. 19
I 〈unz.〉 Methode zur Erkennung u. Heilung psychischer Krankheiten, Störungen od. Fehlleistungen durch Bewusstmachen der ins Unterbewusstsein verdrängten Komplexe
II 〈zählb.〉 Untersuchung u. Behandlung nach dieser Methode ● sich einer \Psychoanalyse unterziehen

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Psy|cho|ana|ly|se, die; -, -n [gepr. von dem österr. Psychiater u. Neurologen S. Freud (1856–1939)] (Psychol.):
1. <o. Pl.> psychotherapeutische Methode zur Heilung psychischer Störungen, Krankheiten, Fehlleistungen o. Ä. durch Aufdeckung u. Bewusstmachung ins Unbewusste verdrängter Triebkonflikte.
2. Untersuchung, Behandlung nach der Methode der Psychoanalyse (1):
sich einer P. unterziehen.

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Psycho|analyse,
 
auf S. Freud zurückgehende Gruppe von Theorien und Behandlungsverfahren, die sich mit den Auswirkungen unbewusster Intentionen auf das Denken, Fühlen und Handeln in den Gegenstandsgebieten psychischer Erkrankungen, Kunst und Literatur sowie Geschichte und Kultur beschäftigen. Zu unterscheiden ist eine psychoanalytische Krankheitslehre, die lebensgeschichtlich hergeleitete Aussagen über die Ätiologie von Neurosen, Psychosen und psychosomatische Krankheiten macht, von einer Gruppe allgemeiner Theorien des menschlichen Seelenlebens und dessen Entstehung in der Phylo- und Ontogenese (Metatheorie). Davon muss das Behandlungsverfahren seelischer und psychosomatischer Störungen und dessen Theorie abgetrennt werden.
 
Da die psychoanalytische Theorie von Freud aus der Behandlung psychisch Kranker entwickelt wurde, muss die Krankheitslehre als Kernstück angesehen werden. Die Krankheitslehre hat sich in Abhängigkeit von den psychoanalytisch behandelbaren Störungsbildern und den ihnen angemessenen Behandlungstechniken sowie den Veränderungen der Nachbarwissenschaften Biologie, Psychologie, Soziologie und Ethnologie schon in Freuds Werk und besonders seit seinem Tod stark verändert. Die ursprüngliche Beschränkung auf die so genannten Neurosen mit den Störungsbildern der Hysterie, Zwangsneurosen, Angst- und Konversionsneurosen sowie den Perversionen wurde aufgegeben zugunsten einer Ausdehnung auf die psychosomatischen Krankheiten und die narzisstischen und psychotischen Störungen. Für die Neurosen wird angenommen, dass die Symptome der Erkrankungen Formen von Reaktivierungen traumatischer Konflikte aus der Kindheit oder sonstiger schwerer Traumata (posttraumatische Belastungsreaktionen) darstellen, die dem bewussten Verständnis unzugänglich sind und durch Abwehrmechanismen verdeckt werden. Die hohe Stabilität des neurotischen Verhaltens wird als Folge der vergeblichen Bearbeitungsversuche des traumatischen Konfliktes gesehen und als Wiederholungszwang axiomatisiert.
 
Das Behandlungsverfahren versucht, durch eine Konfliktreaktivierung in der Beziehung des Patienten zum Psychoanalytiker die konfliktverursachende unbewusste Struktur neu zu aktualisieren (Übertragungsneurose) und durch systematische Interventionen (wie Deuten, Stützen, Konfrontieren) bewusstseinsfähig zu machen. Der Vorgang der Bewusstwerdung soll, begleitet von einem kognitiv affektiven Umstrukturierungsprozess (Einsicht), lösende und heilende Auswirkung auf den gesamten Krankheitsprozess haben. Die Hauptzugangsweisen zu den unbewussten Konflikten sind die so genannten freien Assoziationen, Traumberichte und v. a. das nonverbale affektive Verhalten aufseiten des Patienten sowie die gleich bleibende Aufmerksamkeit und »wohlwollende Neutralität« aufseiten des Therapeuten. Die Methode der freien Assoziation soll im wechselseitigen Einverständnis ein Absehen von konventionellen Dialogmerkmalen wie Bedeutsamkeit und Anständigkeit des Mitgeteilten ermöglichen. Aufgrund dieses Materials sowie des nonverbalen, v. a. affektiven Verhaltens versucht der Analytiker, die unbewussten Intentionen des Patienten zu verstehen und sie ihm dann zur Verfügung zu stellen, wenn er das Gefühl hat, der Patient könne die Information nutzbringend in sein Selbstverständnis einbinden. Diese »klassische« Behandlungstechnik muss in Abhängigkeit vom Störungsbild und damit der Belastbarkeit des Patienten teilweise erheblich verändert werden. Ferner haben empirische Untersuchungen von psychoanalytischen Behandlungen gezeigt, dass unabhängig von der Richtigkeit von Deutungen ein großer Teil der Erfolge auf die Qualität der Beziehung zwischen Patient und Therapeut zurückzuführen ist, sodass ein wesentliches Problem der analytischen Behandlungstechnik in der Handhabung der Gefühle besteht, die die Patienten im Analytiker hervorrufen (G. Rudolf). Diese Gefühlsbeziehungen werden in der Theorie der Gegenübertragung (von Erlebnisinhalten des Therapeuten auf den Patienten) abgehandelt und beschäftigen sich mit Problemen wie Empathie, aber auch Abwehr, aufseiten des Analytikers. Der wissenschaftliche Status der Krankheitslehre ist umstritten.
 
Bezüglich der Metatheorie gibt es nur noch beschränkt einen Konsens zwischen den verschiedenen Gruppierungen der Ichpsychologen, Objektbeziehungstheoretiker, Triebtheoretiker und Selbstpsychologen. Gemeinsam geblieben ist die Vorstellung vom psychischen Determinismus, dem zufolge Psychisches niemals zufällig ist, sondern unter Rückgriff auf die Lebensgeschichte teilweise aufgedeckt und erklärt werden kann, dass dies aber nur gegen Widerstand und Abwehr des Betroffenen möglich ist und sich die unbewussten Determinanten im emotionalen Erleben und Gestalten von zwischenmenschlichen Beziehungen, Übertragungen, Fehlleistungen, Träumen u. a. niederschlagen. Die entwicklungspsychologische Einteilung in die konsekutiven Phasen oral, anal, phallisch, genital beziehungsweise in ödipal und präödipal wird heute weniger als eine Form der psychosexuellen Entwicklung allein gesehen denn als Abfolge von je spezifischen Beziehungsgestaltungen (Objektbeziehungen) zwischen Kind und Eltern beziehungsweise Geschwistern, die mit korrespondierenden Affekten einhergeht. Die Fixierung beziehungsweise Regression auf die entsprechenden Phasen bedeutet, dass die jeweiligen Entwicklungsaufgaben nicht gelöst werden konnten. Es ist möglich, die einzelnen Störungsbilder solchen Entwicklungsverzögerungen zuzuordnen, so die narzisstischen Störungen der Bindungsphase, die Zwangsstörungen der Autonomieentwicklung. Ob und inwieweit der Ödipuskomplex mit dem sexuellen Begehren des gegengeschlechtlichen Elternteils und dem Rivalisieren mit dem gleichgeschlechtlichen ein universelles Konfliktparadigma ist, ist umstritten. Das Strukturmodell mit den Instanzen Es (Bereich der Triebperson), Ich (die bewusste, nach außen und innen Stellung nehmende Persönlichkeit) und Über-Ich (Repräsentant der Sollensanforderungen der Gesellschaft in der Person) wurde in letzter Zeit durch nuancierte Vorstellungen zur Gewissens- und Idealitätsentwicklung und deren Pathologie erweitert.
 
Der aus den Naturwissenschaften des 19. Jahrhunderts übernommene Triebbegriff und die Axiomatisierung von dessen Energie als Libido sind nach zwei Seiten verändert und ergänzt worden. Auf der einen Seite wurde die Vorstellung der Regulierung des psychischen Geschehens durch Lust und Unlust durch eine Theorie der Affekte, die auch die sozialen Beziehungen (Objektbeziehungen) einschließt, abgelöst, zum anderen musste eine Verbindung zu den biologischen Nachbarwissenschaften und deren Instinktbegriff hergestellt werden. In jüngster Zeit hat sich die Psychoanalyse für das Verständnis der Irrationalität gesellschaftlicher Entwicklungsphänomene als sehr nutzbringend erwiesen, obgleich die psychoanalytischen Gesellschaftsdiagnosen nicht zu einheitlichen Ergebnissen geführt haben.
 
Die theoretischen Abweichungen von der klassischen Psychoanalyse führten zu eigenen Therapievarianten (A. Adler: Individualpsychologie; C. G. Jung: analytische Psychologie; S. Ferenczi: Einbeziehung auch nichtsprachlicher Ausdrucksformen in die psychoanalytische Deutung). Mehr oder weniger kritische Fortentwicklungen der Psychoanalyse wurden, unter dem Begriff Neopsychoanalyse zusammengefasst, u. a. von E. Fromm und Karen Horney geleistet. - Die psychoanalytischen Behandlungsverfahren sind im Unterschied zur klassischen Psychoanalyse, die im Liegen bei 3-5 Stunden pro Woche und langer Behandlungsdauer erfolgt, meistens kürzer (Fokaltherapie, tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie).
 
Psychoanalyse und Literatur stehen seit den Arbeiten von Freud, C. G. Jung und B. Bettelheim, in neuerer Zeit v. a. auch von J. Derrida, W. Empson, Northrop Frye (* 1912, ✝ 1991), M. Foucault, J. Lacan und W. Muschg in vielfach komplexer Wechselbeziehung, sei es als Interpretationsansatz und -verfahren, als Thema und Anregung für die Literaturwissenschaft als auch für die Dichtung (z. B. G. Bachelard, G. Bataille, A. Gide, J. Joyce, F. Kafka, T. Mann, R. Musil, E. O'Neill, M. Proust, A. Schnitzler, Virginia Woolf) und deren Interpretation, als künstlerisches Verfahren und Sichtweise (Écriture automatique, Surrealismus, Stream of Consciousness, Automatismus) oder auch in dem Sinne, dass die Psychoanalyse selbst nach - auch vorbegrifflich, wie in Märchen und Mythen, gestalteten - individuellen, kollektiven oder allgemein anthropologischen Symptomen und Prozessen (Lacan) sucht.
 
Literatur:
 
O. Fenichel: Psychoanalyt. Neurosenlehre, 3 Bde. (a. d. Amerikan., 1974-77);
 H. Hartmann: Ich-Psychologie u. Anpassungsproblem (31975);
 J. A. Arlow u. C. Brenner: Die Grundbegriffe der P. (a. d. Amerikan., 1976);
 E. E. Boesch: Kultur u. Handlung (Bern 1980);
 R. Krause u. a.: Sprache u. Affekt (1981);
 H. Lincke: Instinktverlust u. Symbolbildung. Die psychoanalyt. Theorie u. die psychobiolog. Grundl. des menschl. Verhaltens (1981);
 M. Erdheim: Die gesellschaftl. Produktion von Unbewußtheit. Eine Einf. in den ethnopsychoanalyt. Prozeß (1982);
 N. Bischof: Das Rätsel Ödipus. Die biolog. Wurzeln des Urkonfliktes von Intimität u. Autonomie (1985);
 
Gesch. u. Kritik der P. Beitr. v. K.-H. Braun u. a. (1985);
 H. Thomä u. H. Kächele: Lb. der psychoanalyt. Therapie, 2 Bde. (1985-88, Nachdr. 1989);
 J. Laplanche u. J.-B. Pontalis: Das Vokabular der P. (a. d. Frz., 71986);
 H.-E. Richter: Der Gotteskomplex (Neuausg. 1986);
 R. S. Wallerstein: 42 lives in treatment. A study of psychoanalysis and psychotherapy (New York 1986);
 J. Chasseguet-Smirgel: Das Ichideal (a. d. Frz., Neuausg. 1987);
 J. Chasseguet-Smirgel: Zwei Bäume im Garten. Zur psych. Bedeutung der Vater- u. Mutterbilder (a. d. Frz., 1988);
 L. Wurmser: Flucht vor dem Gewissen. Analyse von Über-Ich u. Abwehr schwerer Neurosen (1987);
 A. Grünbaum: Die Grundl. der P. Eine philosoph. Kritik (a. d. Engl., 1988);
 D. W. Winnicott: Human nature (London 1988);
 
Die Krankheitslehre der P. Eine Einf., hg. v. W. Loch (51989);
 L. Luborsky u. P. Crits-Christoph: Understanding transference. The core conflictual relationship theme method (New York 1990);
 
Psychologie der Emotion, hg. v. K. R. Scherer (1990);
 C. Rohde-Dachser: Expeditionen in den dunklen Kontinent. Weiblichkeit im Diskurs der P. (1991);
 G. Rudolf u. a.: Die therapeut. Arbeitsbeziehung. Unters. zum Zustandekommen, Verlauf u. Ergebnis analyt. Psychotherapien (1991);
 W. Schönau: Einf. in die psychoanalyt. Literaturwiss. (1991);
 
Die Zukunft der P., hg. v. J. Cremerius (1995).
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
Unbewusstes und Überbewusstes
 
Psychoanalyse und Kultur: Das Unbewusste und die Träume
 

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Psy|cho|ana|ly|se, die; -, -n [gepr. von dem österr. Psychiater u. Neurologen S. Freud (1856-1939)] (Psych.): 1. <o. Pl.> psychotherapeutische Methode zur Heilung psychischer Störungen, Krankheiten, Fehlleistungen o. Ä. durch Aufdeckung u. Bewusstmachung ins Unbewusste verdrängter Triebkonflikte. 2. Untersuchung, Behandlung nach der Methode der ↑Psychoanalyse (1): Berichte, -n, Autobiographien, Romane und Filme über den Holocaust stellen alle einen Wahrheitsanspruch (Zeit 12. 9. 97, 64); Von den paar Tantiemen ... könnte Eitzel sich nicht einmal eine Gesprächstherapie leisten, geschweige denn eine P. (taz 11. 2. 92, 26); jmdn., sich einer P. unterziehen.

Universal-Lexikon. 2012.