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Aber|glau|be ['a:bɐglau̮bə], der; -ns:als irrig angesehener Glaube, dass überirdische Kräfte in bestimmten Menschen und Dingen wirksam sind:
es ist ein Aberglaube, dass die Dreizehn eine Unglückszahl ist.
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Aber|glau|be 〈m. 26; unz.〉 vom Standpunkt der Wissenschaft od. best. Religionen für irrig gehaltener Glaube an übernatürl. Zusammenhänge, die durch magische Praktiken beeinflussbar sind [zu mhd. abe „ab, weg, ohne“; → Aberwitz]
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Aber|glau|be , der; -ns, (seltener:) Aber|glau|ben, der; -s [zu ↑ 1aber in der veralteten Bed. »falsch, schlecht«; vgl. ↑ Abersinn, ↑ Aberwitz] (abwertend):
als irrig angesehener Glaube an die Wirksamkeit übernatürlicher Kräfte in bestimmten Menschen u. Dingen:
ein verbreiteter, dummer, törichter A.;
einem Aberglauben anhängen;
aus Aberglauben.
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Aberglaube
[spätmittelhochdeutsch aber »falsch«, »gegen«, »verkehrt«], im 15. Jahrhundert aufgekommener, seit dem 16. Jahrhundert allgemein verbreiteter (abwertender) Begriff für »falsche«, d. h. von den offiziellen christlichen Glaubenslehren abweichende Glaubensinhalte und -formen, die als Bestandteil vorchristlicher Religionen und vom christlichen Standpunkt als überwunden galten; nach heute üblicher Definition Bezeichnung für einen zu allen Zeiten und bei allen Völkern verbreiteten, in seinen Inhalten stark wechselnden Glauben an die Wirkung magischer, naturgesetzlich unerklärter Kräfte und damit verbundene illusionäre Praktiken, z. B. Wahrsagen, Orakel, Beschwören, Zauberbräuche. - Begriff und Sache waren im Europa des Spätmittelalters und der frühen Neuzeit zunächst kirchlich geprägt (lateinisch »superstitio«). Neben der bis in die Gegenwart als Volksfrömmigkeit »stillschweigend« geduldeten Verquickung von kirchlichen und abergläubischen Vorstellungen (z. B. die vielfältigen Formen der Heiligenverehrung) stand immer auch die Bekämpfung des Aberglaubens als Häresie, wie es sich z. B. in den durch die Theologie der mittelalterlichen Kirche (Teufelspakt, Sukkubusglaube u. Ä.) mitverursachten Hexenverfolgungen im 15.-17. Jahrhundert zeigte. Erst im Zeitalter der Aufklärung wurde Aberglaube zum Gegensatz vernünftigen Wissens erklärt und damit als ein historisches und soziales Bildungsproblem angesehen. - Gründend in einer magischen Weltanschauung, in der der Mensch meint, durch außergewöhnliche Handlungen Einfluss auf übersinnliche Mächte nehmen zu können (meist verbunden mit animistischen Ansichten), und im Wunsch des Menschen nach äußerer und innerer Sicherheit im alltäglichen Leben, sind viele Bräuche auf das Erreichen bestimmter Ziele (Abwehr oder Herbeizaubern von Schaden beziehungsweise Heil, Schutz vor Gefahren beziehungsweise Krankheiten, Bann von Angst, Unglück oder Tod) oder auf die Befragung der Zukunft (Horoskop, Bleigießen, Kartenlegen u. a.) ausgerichtet. Deshalb vermag sich der Aberglaube auch im modernen Leben lebendig zu erhalten: Wo der Mensch in Gefährdungen, Notsituationen und Gewissensentscheidungen wissenschaftlich-rationaler Erklärung beziehungsweise Orientierungshilfe entbehrt, »flüchtet« er zuweilen auch noch heute in die »Beratung« von Hellsehern, Astrologen u. ä. oder erhofft »Segen« von allerlei vermeintlichen Glücksbringern; das gegen Ende des 20. Jahrhunderts zunehmende Interesse für Esoterik und die »Geheimwissenschaften« des Okkultismus ist in diesem Zusammenhang zu nennen. - Die Psychologie sieht die Begründung für die mannigfachen Formen modernen Aberglaubens in den Motiven der Angst und des Glücksverlangens. - Aktuelle Problematik erhält der Aberglaube durch das Aufkommen moderner Kulte, wie z. B. den Satanskult. - Zu den sozialen Auswirkungen des Aberglaubens gehört die Vorurteilsbildung. In seinen modernen Konsumformen (z. B. Zeitungshoroskop) kann er der unterschwelligen Beeinflussung dienen. - Der Parapsychologie bietet der Aberglaube vorwissenschaftliche Erklärungen der von ihr untersuchten Phänomene; sie will sich seiner in »positiver Kritik« (H. Bender) annehmen.
Die historisch arbeitende Volkskunde bezieht den Begriff Aberglaube in den Volksglauben ein, ohne dass beide Begriffe deckungsgleich sind. Im überlieferungsgebundenen Aberglauben sieht sie u. a. gesunkenes Kulturgut einer früheren gesellschaftlichen Oberschicht. Nach Auffassung der mythologischen Forschung des 19. Jahrhunderts mischen sich im deutschen Volksglauben Spuren altgermanischen Heidentums mit griechisch-römischem Götterglauben. Mythische Wesen sind dämonisiert und zu Teufeln und bösen Geistern (z. B. Werwolf, wilde Jagd, Poltergeister, Albdämonen) geworden. In den Praktiken und Überzeugungsinhalten des Aberglaubens leben Überbleibsel veralteter Wissenschaften nach (Volksmedizin, Wahrsagerei, die volkstümliche Astrologie u. a.). - Alle Vorkommnisse im menschlichen Leben (Schwangerschaft, Geburt, Liebe, Heirat, Ehe, Krankheit, Tod) wurden mit vielfältigen abergläubischen Vorstellungen und Handlungen bedacht; geheimnisvolle Kraft wird im Aberglauben an bestimmte Naturgegebenheiten (Himmels- und Wettererscheinungen) gebunden und an ihnen - häufig mit Zukunftsbezug - ablesbar angesehen (z. B. Sterndeutung, Bauernregeln u. Ä., Hundertjähriger Kalender), aber auch bestimmten Gegenständen (z. B. Spiegel, Hufeisen, Talisman, Herd, Schwelle, Grabbeigaben, Gebildbrote), Orten (z. B. Kreuzweg, Friedhof), Personen (z. B. böser Blick) oder bestimmten Tagen (so genannte Lostage) beziehungsweise Tageszeiten (z. B. Zwölf Nächte) zugeschrieben. Die aktive Ausübung aberglaubensbedingter Handlungen vollzieht sich meist unter Beachtung bestimmter Regeln (Wortgebrauch, Arbeitsverbot u. Ä.) beziehungsweise Bedingungen (Keuschheit, Nacktheit u. Ä.). Einzelne Handlungen bei bestimmten Anlässen konnten den Charakter als Aberglaube verlieren und haben sich als Brauchtum erhalten, z. B. verschiedene Ernte-, Handwerks- sowie an Festtagen übliche Bräuche.
Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie v. a. auch in den folgenden Artikeln:
Abwehrzauber · Amulett · besprechen · Bildzauber · Bleigießen · Glückszahlen · Hexe · Kartenlegen · Magie · Mantik · Spiritismus · Talisman · Wahrsagen · Zauber
J. Grimm: Dt. Mythologie, 3 Bde. (41875-78, Nachdr. Graz 1968-69);
Hwb. d. dt. A., hg. v. H. Bächthold-Stäubli u. E. Hoffmann-Krayer, 10 Bde., (1927-42; Nachdr. 1987);
M. Pott: Aufklärung u. A. Die dt. Frühaufklärung im Spiegel ihrer A.-Kritik (1992);
Jean-Claude Schmitt: Heidenspaß u. Höllenangst. A. im MA. (a. d. Frz., 1993).
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Aber|glau|be, der; -ns, (selten:) Aber|glau|ben, der; -s [zu ↑aber in der veralteten Bed. „falsch, schlecht“; vgl. ↑Aberwitz, Abersinn] (abwertend): 1. als irrig angesehener Glaube an die Wirksamkeit übernatürlicher Kräfte in bestimmten Menschen u. Dingen: ein verbreiteter A.; das ist ein dummer, törichter A.; einem Aberglauben anhängen; aus Aberglauben verzichtet man auf die Zimmernummer 13; Ü Der größte A. ist der Glaube an die Vorfahrt (Hörzu 9, 1978, 55). 2. Einbildung, Vorurteil: Das ist so ein Aberglaube von den Männern (Fallada, Mann 78).
Universal-Lexikon. 2012.