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Sprachphilosophie
Sprach|phi|lo|so|phie 〈f. 19; unz.〉 Zweig der Philosophie, der das Wesen der Sprache, ihre Bedeutung für den Menschen, die Gesellschaft, Kultur usw. zu ergründen sucht

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Sprach|phi|lo|so|phie, die:
Teilgebiet der Philosophie, das sich mit dem Ursprung u. Wesen sprachlicher Zeichen, mit Sprache u. Idee, Sprache u. Logik befasst.

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Sprachphilosophie,
 
ein im 19. Jahrhundert aufgekommener Begriff. Einmal bezeichnet er die philosophische Beschäftigung mit Sprache; die Grenzen zur Sprachtheorie sind hier fließend. Andererseits erscheint »Sprachphilosophie« auch als gleichbedeutend mit »Philosophie« überhaupt, und zwar überall dort, wo das Philosophieren nur im Medium von Sprachanalyse für möglich gehalten wird. J. R. Searle hat dafür die Unterscheidung zwischen Philosophie der Sprache (philosophy of language) und Sprachphilosophie (linguistic philosophy) vorgeschlagen, wobei die Sprachphilosophie dann genauer als »sprachanalytische Philosophie« (oder analytische Philosophie) zu bezeichnen ist. Die hier vollzogene Wendung der Sprache (linguistic turn) folgte ursprünglich L. Wittgensteins Reduktion der Philosophie auf Sprachkritik; heute wird sie allgemein als methodisches Prinzip für notwendig gehalten, d. h. als Anweisung, jedes philosophische Sachproblem zunächst von seiner sprachlichen Struktur her aufzugreifen.
 
Seit ihren Anfängen in der Antike fragt die Philosophie auch nach dem Wesen der Sprache und ihrer Bedeutung für menschliches Denken, Erkennen und Handeln. Das griechische Leitwort »logos« bedeutet zugleich Sprache und Vernunft und legt so Reflexionen über deren Verhältnis nahe, wobei die Einsicht in die faktische Vielfalt der Sprachen auf das Problem der Einheit der Vernunftnatur des Menschen führt; als Frage nach der Möglichkeit vernünftiger Intersubjektivität im sprachlichen Verstehen (Sprache und Denken) beschäftigt es die Sprachphilosophie bis heute. Den unter den Sophisten geführten Streit über den natürlichen oder konventionellen Charakter der Sprache gibt Platon im Dialog »Kratylos« wieder; geschlichtet wird er erst durch Aristoteles, der die natürlichen Sprachen als Systeme konventioneller Zeichen für die nichtkonventionellen, allgemein menschlichen sinnlichen Eindrücke der äußeren Dinge in der Seele deutet. Dass im Verhältnis von Sprache und Welt auch nichtkonventionelle Elemente vorkommen, verbürgt allein Objektivität und Wahrheit der Rede über die Welt; wäre hier alles Konvention, gäbe es keine Erkenntnis, und »was der Fall ist« (Wittgenstein), wäre subjektive Interpretationssache. Wie es möglich ist, sich mit sprachlichen Mitteln auf die sprachunabhängige Wirklichkeit so zu beziehen, dass wir sie damit adäquat wiedergeben (Sprache und Welt), ist ein Grundproblem der Sprachphilosophie geblieben.
 
Das Modell des Aristoteles, das die Sprache als bloßes Werkzeug (organon) zur Mitteilung von Bewusstseinsinhalten deutet, die bei allen Menschen unter gleichen Umständen prinzipiell gleich sind, blieb bis zum Ende des 18. Jahrhunderts verbindlich. J. G. Herder stellte es infrage, indem er dem damals geführten Streit über den natürlichen oder göttlichen Ursprung jenes »Werkzeugs« die Grundlage entzog: durch seine Lehre vom »menschlichen« Ursprung der Sprache, der zufolge der Mensch sie notwendig »erfand« im Augenblick der ersten Betätigung seiner Vernunft. Für W. von Humboldt war dann die Sprache nicht nur Mittel der Kommunikation über die der menschlichen Vernunft schon im Voraus zugängliche Welt, sondern die Welt ist nur vernünftig zugänglich, wenn sie sprachlich erschlossen ist. Darum fasste Humboldt die Sprache auch als »energeia«, d. h. Tätigkeit der Bildung von Gedanken und Weltbildern, auf. E. Cassirer deutet die Sprache in diesem Sinne als »symbolische Form«. In der Humboldt-Tradition der Sprachphilosophie bis zu L. Weisgerber und K.-O. Apel gewann die Sprache selbst transzendentalen Status und rückte an die Stelle von I. Kants »reiner« Vernunft; Ähnliches gilt auch für die von E. Husserl und W. Dilthey angeregte phänomenologische und hermeneutische Sprachphilosophie (M. Heidegger, H.-G. Gadamer, M. Merleau-Ponty, P. Ricœur). Das damit aufgeworfene Problem der Abhängigkeit menschlicher Weltdeutung von den jeweiligen Grundstrukturen natürlicher Sprachen führte auf das sprachliche Relativitätsprinzip (Sapir-Whorf-Hypothese), das zu den Grundfragen der modernen nichtanalytischen Sprachphilosophie gehört.
 
Im Mittelpunkt des Interesses der analytischen Philosophie steht seit G. Frege und B. Russell das Problem von »Sinn und Bedeutung« (meaning and reference), das hier nicht empirisch wie in der Sprachwissenschaft, sondern allein mit den Mitteln der syntaktischen und semantischen Analyse behandelt wird. Der damit verbundene Neuansatz in der Sprachphilosophie will Sprache ausdrücklich in den Lebensformen menschlicher Gemeinschaften verankern.
 
Literatur:
 
E. Coseriu: Die Gesch. der S. von der Antike bis zur Gegenwart, 2 Bde. (1-21972-75);
 F. von Kutschera: S. (21975, Nachdr. 1993);
 M. Hartig: Einf. in die S. (1978);
 J. Simon: S. (1981);
 J. Hennigfeld: Die S. des 20. Jh. (1982);
 J. Hennigfeld: Gesch. der S., auf mehrere Bde. ber. (1993 ff.);
 A. Keller: S. (21989);
 E. Heintel: Einf. in die S. (41991);
 
Philosoph. Arbeitsb., hg. v. W. Oelmüller u. a., Bd. 8: Diskurs: Sprache (1991);
 W. Kuhlmann: S. - Hermeneutik - Ethik (1992);
 
S. Ein internat. Hb. zeitgenöss. Forschung, hg. v. M. Dascal u. a., 2 Tle. (1992-96);
 
Sprache denken. Positionen aktueller S., hg. v. J. Trabant (1995);
 
Der Paradigmenwechsel in der S., hg. v. E. Braun (1996).
 

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Sprach|phi|lo|so|phie, die: Teilgebiet der Philosophie, das sich mit dem Ursprung u. Wesen sprachlicher Zeichen, mit Sprache u. Idee, Sprache u. Logik befasst.

Universal-Lexikon. 2012.