verstärkt auftretendes Absterben von Bäumen in Waldgebieten infolge zunehmender Umweltverschmutzung:
das Waldsterben eindämmen.
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Wạld|ster|ben 〈n.; -s; unz.〉 Absterben von Bäumen im Wald aufgrund von Abgasen u. a. Umweltgiften
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Wạld|ster|ben, das; -s:
verstärkt auftretendes Absterben von Bäumen in Waldgebieten [infolge hoher Luftverschmutzung].
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Wald|sterben,
das großflächige Absterben von Nadel- und Laubbäumen in weiten Bereichen Europas und Nordamerikas, das sich nicht den bereits bekannten Waldschadensursachen zuordnen lässt.
Entwicklung der Waldschäden:
Bereits seit über 250 Jahren wird ein durch ungünstige ökologische Bedingungen periodisch auftretendes Tannensterben beobachtet. Die erste Waldschadenskarte wurde 1883 erstellt. Um die Industriegebiete des 19. Jahrhunderts kam es im Harz, in Sachsen, in Oberschlesien und im rheinischen Stolberg zu flächenhaftem Baumsterben durch Rauchschäden. Schon damals führten wissenschaftliche Studien dieses Waldsterben auf Schwefeldioxidemissionen aus Fabrikschornsteinen zurück. In der Folge wurden die Schornsteine höher gebaut (bis zu 150 m), woraufhin die Rauchschäden in der unmittelbaren Umgebung der Fabriken zurückgingen. Gleichzeitig traten Schäden bei weiter entfernten Waldbeständen auf. Obwohl diese Schäden nun nicht mehr den Emissionen einer bestimmten Fabrik zuzuordnen waren (zuvor erfolgreiche Klagen der Waldbesitzer wurden damit aussichtslos), konnten sie dennoch als Rauchschäden identifiziert werden. Das ist bei den seit Anfang der 1970er-Jahre beobachteten neuartigen Waldschäden nicht mehr der Fall. Betroffen sind großflächige Waldbestände weit abseits der Industriegebiete, und die Schwefeldioxidimmissionen aus der Luft allein reichen zur Erklärung dieser Schäden nicht mehr aus. Das Waldsterben wurde zunächst in Mitteleuropa beobachtet, erfasst jedoch heute weite Teile ganz Europas und Nordamerikas. Während Anfang der 1970er-Jahre v. a. Nadelbäume betroffen waren, zeigen sich heute die weitaus größeren Schäden bei Laubbäumen. Das Eichensterben hat sich als eigenständiger Begriff durchgesetzt, zumal sich dessen Ursachen und Erscheinungsformen von denen des allgemeinen Waldsterbens zu unterscheiden scheinen.
Erscheinungsbild der neuartigen Waldschäden:
Die auffälligsten Symptome sind die Verlichtung der Baumkronen sowie die Vergilbung der Nadeln und Blätter, bis hin zum Absterben. Bei der Waldschadenserhebung wird die Beschaffenheit der Baumkronen als ein wichtiges Merkmal für den Zustand des Waldes betrachtet. Dabei wird unterschieden zwischen ungeschädigten Bäumen (mit einem Nadel-beziehungsweise Blattverlust bis zu 10 %), der »Warnstufe« (mit Nadel- beziehungsweise Blattverlusten von 11 bis 25 %) und »deutliche Schäden« (mit Nadel-beziehungsweise Blattverlusten von mehr als 25 %). Der Kronenzustand ist jedoch nur ein Merkmal des Waldsterbens. Weitere Symptome sind die Schädigung des Wurzelsystems und der Bodenorganismen.
Ausmaß des Waldsterbens:
Die Ergebnisse der Waldschadenserhebung 2001 der Bundesregierung zeigen, dass sich das Schadensniveau in Deutschland seit 1996 stabilisiert hat. »Deutliche Schäden« (d. h. über 25 % Nadel- beziehungsweise Blattverlust) wurden 2001 bei 22 % der Bäume festgestellt (1991 wurde der Höchststand mit 30 % registriert). In die »Warnstufe« fallen 42 % der Waldfläche (leichte Kronenverlichtungen), 36 % der Bäume sind ohne Schäden. Zu beachten ist jedoch, dass bei einzelnen Baumarten sehr unterschiedliche Tendenzen auftreten. Am stärksten betroffen sind gegenwärtig die Eichen (33 % in Schadstufe 2-4; 1984 nur 9 %, 1992 32 %). Die Buche, deren deutliche Schäden von 12 % (1984) auf 38 % (1992) angestiegen sind, ist gemeinsam mit der Eiche, die am stärksten betroffene Baumart (2001: 32 % deutliche Schäden). Bei der Fichte liegt der Anteil deutlicher Schäden bei 26 %. Er hat in den letzten Jahren leicht zugenommen, liegt aber deutlich unter dem Höchstwert von 1985 (33 %). Die Kiefer ist mit 14 % deutlichen Schäden die am wenigsten beeinträchtigte Hauptbaumart. Das Schadensniveau hat sich gegenüber 1991 (33 % deutliche Schäden) mehr als halbiert.
Regional gibt es jedoch erhebliche Schwankungen; so hat sich der Kronenzustand der Bäume in Hessen, Sachsen und Schleswig-Holstein verbessert, in Bayern, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz dagegen verschlechtert. In Europa weisen u. a. Großbritannien, Polen und die Tschechische Republik sehr starke Waldschäden auf.
Hypothesen über die Ursachen des Waldsterbens:
Das Waldsterben ist kein monokausaler Vorgang, sondern die Folge komplex zuzuordnender Ursachen (vernetztes Krankheitsgeschehen), die in Wechselwirkung zueinander stehen. Ein eindeutiger, allgemein gültiger Nachweis über die Ursachen des Waldsterbens ist bisher nicht gelungen und wohl auch nicht zu erwarten, da für das Sterben unterschiedlicher Waldökosysteme verschiedene Ursachenkomplexe zu vermuten sind. In der Umweltforschung werden verschiedene Hypothesen über die Primärursache vertreten. Am wahrscheinlichsten erscheinen die Ozonhypothese, die Ökosystemhypothese (auch Saure-Regen-Hypothese) sowie die Stresshypothese beziehungsweise eine Kombination daraus.
Nach der Ozonhypothese werden Stickoxide und ungesättigte Kohlenwasserstoffe aus Abgasen von Verkehr und Industrie unter dem Einfluss von ultraviolettem Licht in Ozon und organische Peroxide umgewandelt. Diese Photooxidantien schädigen direkt die Kutikula und die Zellmembran der Blätter und Nadeln. In der Folge vergilben Blätter und Nadeln, und die Assimilation der Bäume wird vermindert. Sie werden anfälliger für weitere Schadeinwirkungen.
Die Ökosystemhypothese geht weniger von einer direkten Schädigung des Baumbestandes als vielmehr von einer indirekten Einwirkung des sauren Regens über den Boden aus. Salpeter-, Schwefel-, Salz- und Kohlensäure verändern den Stoffhaushalt des Bodens. Es werden toxische Aluminium- und Manganionen freigesetzt, die das Wurzelwachstum hemmen und die Bodenorganismen schädigen. Schließlich kommt es zur Zerstörung des Feinwurzelbereichs. Die Wasser- und Nährstoffaufnahme wird behindert.
Nach der Stresshypothese ist der vom Waldsterben betroffene Waldbestand infolge jahrelanger kombinierter Schadstoffbelastung geringster Konzentrationen in seiner Vitalität so stark beeinträchtigt, dass die Nachhaltigkeit des Wachstums geschädigt ist. Der Wald wird anfällig für Sekundärschädlinge. - Andere Schadstoffhypothesen wie die Epidemiehypothese, die davon ausgeht, dass es in der Vergangenheit ohne Einwirkung anthropogen verursachter Luftschadstoffe bereits mehrfach großflächige Baumschäden gab, deren Ursache in einem unbekannten Schaderreger zu suchen ist, sind nicht zu bestätigen oder wie die Elektrosmoghypothese wissenschaftlich nicht haltbar. Waldbaulicher Fehler und Parasitenbefall (z. B. Borkenkäfer) schwächen die Wälder, können aber nicht als Primärursache des Waldsterbens angesehen werden. Auswirkungen der globalen Klimaänderung auf das Ökosystem Wald sind ebenfalls denkbar und werden zurzeit erforscht. Kurzfristige Klimaschwankungen und Trockenperioden können den angegriffenen Wald zusätzlich schädigen.
Gegenmaßnahmen:
Die einzige konsequente Maßnahme zur Bekämpfung des Waldsterbens besteht in der Verminderung der Schadstoffemissionen aus Verkehr, Industrie, Landwirtschaft und Energieerzeugung. Hierbei muss der Schadstoffausstoß deutlich gesenkt werden, damit sich das Waldökosystem erholen und regenerieren kann. Zwar wurden seit den 1970er-Jahren in der Bundesrepublik Deutschland die Emissionen von Schwefeldioxid, Stickstoffoxiden und anderen Schadstoffen vermindert, doch nahm die Bodenversauerung in den Waldgebieten zu. Dies hat seine Ursache zum einen darin, dass die Grenzen der Pufferfunktion des Bodens erreicht sind, zum anderen spielt der Schadstoffferntransport eine große Rolle. Eine Luftreinhaltepolitik, die das Waldsterben bekämpfen will, kann nur international verwirklicht werden.
Forstwirtschaftliche Maßnahmen können die Ursachen des Waldsterbens nicht beheben. Sie können lediglich flankierend zur Luftreinhaltung dazu beitragen, die Widerstandsfähigkeit der Waldökosysteme zu erhöhen und damit den Schadensverlauf zu mildern. Zu diesen Maßnahmen zählen waldbauliche Grundsätze wie das Anlegen stabiler, standortgerechter und artenreicher Mischbestände, Vermeiden großflächiger Kahlschläge, intensive Bestandspflege und integrierter Pflanzenschutz sowie in Einzelfällen Bodenverbesserungsmaßnahmen wie Kompensationsdüngung und Bodenschutzkalkung.
Die Bedrohung der Wälder, Schäden, Folgeerscheinungen u. Gegenmaßnahmen, hg. v. H. Franz (Wien 1989);
M. Suda: Auswirkungen des W. auf Siedlungen, Infrastruktureinrichtungen u. den Fremdenverkehr im bayer. Alpenraum (1989);
Lufthaushalt, Luftverschmutzung u. Waldschäden in der Schweiz. Ergebnisse aus dem Nat. Forschungsprogramm 14. Cycle, pollution de l'air et dépérissement des forêts en Suisse, 6 Bde. (Zürich 1991);
Österr. Waldschaden-Beobachtungssystem. Ziele, Methoden u. erste Ergebnisse, hg. v. der Forstl. Bundesversuchsanstalt in Wien (Wien 1991);
Zusammenfassende Darst. der Waldzustandsinventur, hg. v. ders. (ebd. 1991);
J. Thomas: Die »neuartigen Waldschäden« u. die »Klimakatastrophe«. Eine Fallstudie über Struktur u. Funktion der Umweltforschung (1992);
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
Wald: Der Niedergang der mitteleuropäischen Wälder
Luftverschmutzung und ihre Folgen
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Wạld|ster|ben, das; -s: verstärkt auftretendes Absterben von Bäumen in Waldgebieten infolge zunehmender Verschmutzung der Luft: Zu einem Expertenstreit mit politischen Hintergründen ist die Suche nach den Ursachen des -s geraten (ADAC-Motorwelt 2, 1983, 12); Maßnahmen gegen W. gefordert (MM 31. 8. 82, 10); Schottland kämpft auch mit Arbeitslosigkeit und Armut, leidet unter W. und saurem Regen (Zeit 4. 10. 96, 55).
Universal-Lexikon. 2012.