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Sozialdemokratische Partei Österreichs,
Abkürzung SPÖ,politische partei, hervorgegangen 1888/89 auf dem Hainfelder Parteitag aus der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs (gegründet 1874), nach ihrer Verfolgung in der Zeit des österreichischen Ständestaates (1933-38) und der nationalsozialistischen Herrschaft (1938-45) 1945 als Sozialistische Partei Österreichs wieder gegründet, nennt sich seit 1991 wieder SPÖ.
Auf dem Hainfelder Parteitag gelang es V. Adler, in einer »Prinzipienerklärung« die auseinander strebenden Kräfte der Sozialdemokratie - v. a. in der Wahlrechtsfrage - zusammenzuführen. Um dem Nationalitätenkonflikt im zisleithanischen Teil der Donaumonarchie entgegenzuwirken, gab sich die Partei 1897 eine föderative Struktur und 1899 das Brünner Nationalitätenprogramm. Seit 1904 entwickelte sich in der Partei der Austromarxismus.
Nach dem Zusammenbruch Österreich-Ungarns (1918) kämpfte die SPÖ zunächst v. a. um die Sicherung der republikanischen Verfassung und den »Anschluss« Deutschösterreichs an das Deutsche Reich. Unter Federführung von O. Bauer entstand 1926 - auf der Basis des Austromarxismus - das »Linzer Programm«.
Nach der Wiedergründung der Partei (1945) löste 1958 das »Neue Parteiprogramm« mit seinem Bekenntnis zum Mehrparteiensystem 1958 das »Linzer Programm« ab; Sozialisierungsvorstellungen waren der Forderung nach einer »gerechten Eigentumsordnung« gewichen. Mit dem Bekenntnis zum demokratischen Sozialismus schrieb das Programm von 1978 diese Entwicklung fort. Der Führungsanspruch der Arbeiterklasse in einem demokratischen System wurde nunmehr zugunsten eines Bekenntnisses zum Mehrparteiensystem abgelöst. Die Sozialisierungsvorstellungen wichen der Forderung nach einer »gerechten Eigentumsordnung«. Mit dem Bekenntnis zum demokratischen Sozialismus schrieb das Programm von 1978 diese Entwicklung fort. Ein neues (v. a. in den zentralen Themen Arbeit und Markt entideologisiertes) Programm von 1998 stellt den Menschen in den Mittelpunkt und betont neben den alten sozialdemokratischen Grundwerten die Forderung nach sozialer und globaler Gerechtigkeit sowie nach Zukunftsfähigkeit.
Die SPÖ ist eine Partei mit großer Organisationsdichte. In ihrer inneren Gliederung baut sich die Partei von den Orts-, über die Bezirks- und Landesorganisationen zur Bundesorganisation auf. Oberstes Parteiorgan ist der alle zwei Jahre stattfindende Parteitag, der den Bundesvorstand wählt.
Nach Einführung des allgemeinen Wahlrechts wurde die SPÖ 1907 zweitstärkste Partei im österreichischen Reichsrat. Trotz Internationalisierung ihrer Gesamtstruktur blieben die Nationalitätenspannungen der Donaumonarchie auch ein innenparteiliches Problem: 1911 spaltete sich eine Tschechoslowakische Sozialdemokratische Arbeiterpartei ab und wandte sich stärker den tschechischen national-bürgerlichen Kräften zu. Nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs zerfiel die »Kleine österreichische Internationale« vollends. Im Gegensatz zur pazifistischen Grundhaltung vor 1914 wandte sich die Partei zu Beginn des Krieges der allgemeinen nationalistischen Stimmung zu. Mit der Ermordung von Ministerpräsident Graf Stürgkh (1916) durch F. Adler verstärkte sich in der SPÖ die Opposition gegen den Krieg. 1917 übernahm O. Bauer die Führung der »Linken« in der Partei und forderte die Auflösung des Vielvölkerstaates und den »Anschluss« Deutschösterreichs an das Deutsche Reich.
Nach dem Zusammenbruch Österreich-Ungarns (Oktober 1918) wurde die SPÖ bei den Wahlen zur Konstituierenden Nationalversammlung (1919) stärkste Partei. Mit K. Renner stellte sie von Oktober 1918 bis Juni 1920 den Regierungschef (Amtstitel: Staatskanzler). Durch das Habsburgergesetz (1919) und einen reformistischen Kurs suchte die Regierung Renner die revolutionären Strömungen abzubauen. Bemühungen der SPÖ, Deutschösterreich mit dem Deutschen Reich zu verschmelzen, scheiterten. Seitdem die Partei ab 1920 (Vorsitzender K. Seitz) wieder in der Opposition stand, betonte sie - jetzt mit Hauptstützpunkt Wien (Bürgermeister Seitz) - in der politischen Auseinandersetzung stark ihre revolutionären Grundprinzipien (v. a. unter dem Einfluss von O. Bauer). 1924 gründeten Mitglieder der Partei den Republikanischen Schutzbund. Bald eskalierten die innenpolitische Spannungen (u. a. Julirevolte 1927). Mithilfe der Heimwehren engte die österreichische Regierung den politischen Spielraum der SPÖ ein; 1934 lösten Maßnahmen der Regierung Dollfuß die Februarunruhen aus. Nach deren Niederschlagung wurde die Partei verboten; viele ihrer Mitglieder wurden inhaftiert oder gingen ins Ausland.
Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs - angesichts der Errichtung der Zweiten Republik Österreich - schlossen sich die »alten Sozialdemokraten« und die »Revolutionären Sozialisten« im April 1945 zur Sozialistischen Partei Österreichs zusammen. Unter dem Eindruck der Besetzung durch die Truppen der Siegermächte und des Versuches der Kommunisten, mithilfe der sowjetischen Besatzungsmacht politischer Strukturen nach volksdemokratischem Muster in Österreich durchzusetzen, gab die Partei Bauers die These von der »naturgegebenen Oppositionsrolle« einer sozialistischen Partei in einem bürgerlichen Staat auf und akzeptierte Koalitionen v. a. mit der konservativen ÖVP; so beteiligte sich die SPÖ 1945-66 an einer großen Koalition mit der Österreichischen Volkspartei. Neben der ÖVP entwickelte sich die SPÖ dabei zur staatstragenden Partei, die auf parlamentarischem Wege, 1945-70 als zweitstärkste, seit 1970 als stärkste Partei, eigene Vorstellungen durchsetzte. Sie war 1966-70 kurzzeitig in der Opposition (seit Februar 2000 ist sie es erneut) und stellte 1970-99/2000 den Bundeskanzler, seit 1986 in einer zweiten großen Koalition mit der Österreichischen Volkspartei. Das politische Gewicht ihrer Fraktion im Nationalrat fiel allerdings von 81 (1970) auf 65 (1999) Abgeordnete; trotz hoher Verluste (-4,9 %) war sie auch 1999 mit 33,2 % stärkste Partei geblieben. Allerdings schlug eine Neuauflage der großen Koalition mit der ÖVP im Dezember 1999 wegen der ablehnenden Taktik der ÖVP ebenso fehl wie im Januar 2000 die Bildung einer SPÖ-Minderheitsregierung. - A. Schärf, 1945-57 Bundesobmann der Partei, und sein Nachfolger in diesem Amt, B. Pittermann (1957-67), waren zugleich Vizekanzler in der österreichischen Bundesregierung. Als Bundeskanzler hatten B. Kreisky (Bundesobmann 1967-83), F. Sinowatz (Bundesobmann 1983-88), F. Vranitzky (Bundesobmann 1988-97) und V. Klima (Bundesobmann 1997-2000) von 1970 bis 2000 die Führung der Regierung inne. Ende April 2000 wurde Alfred Gusenbauer (* 1960) neuer Bundesobmann, V. Klima wurde Ehrenvorsitzender der SPÖ. Gusenbauer st der jüngste SPÖ-Chef der Zweiten Republik und will die SPÖ wieder an die Regierung führen. 1945-86 stellte die SPÖ auch den Bundespräsidenten: K. Renner, T. Körner, A. Schärf, F. Jonas, R. Kirchschläger. - In den Bundesländern besitzt die SPÖ starke Positionen in Wien, Kärnten und im Burgenland, hier zuletzt Wahlsieg im Dezember 2000. - Bei den ersten Direktwahlen zum Europäischen Parlament 1996 erhielt die SPÖ als zweitstärkste Kraft in Österreich 29,2 % der Stimmen (7 Abgeordnete), 1999 wurde sie stärkste Kraft in Österreich (31,7 %; 7 Mandate für die SPE-Fraktion). (Sozialdemokratie)
Der Aufstieg zur Massenpartei. Ein Lesebuch zur österreich. Sozialdemokratie 1889-1918, hg. v. B. Kepplinger (Wien 1990);
Die Organisation der Österreich. Sozialdemokratie 1889-1995, hg. v. W. Maderthaner u. a. (ebd. 1996);
Universal-Lexikon. 2012.