Plạt|ten|tek|to|nik, die (Geol.):
tektonische Theorie, nach der die Lithosphäre der Erde aus mehreren größeren u. kleineren ↑ Platten (13) besteht, die auf der fließfähigen Unterlage des oberen Erdmantels bewegt werden.
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Plattentektonik,
englisch Plate-Tectonics [pleɪt tek'tɔnɪks], geotektonische Theorie (eingeführt 1970) zur Erklärung von Aufbau und Entwicklung der Erde, die v. a. auf geophysikalischen, petrologischen und geologischen Untersuchungen im ozeanischen Bereich beruht (einschließlich Tiefbohrungen und Tauchbooten). Danach besteht die die Erdkruste und den obersten Teil des Erdmantels umfassende Lithosphäre (Erde) aus einer Reihe mehr oder weniger starrer, 70-100 km dicker Tafeln oder Platten, die auf der fließfähigen, bis zu 300 km Tiefe reichenden Unterlage des oberen Erdmantels, der Asthenosphäre (Low-Velocity-Zone, wegen der geringen Fortpflanzungsgeschwindigkeit der P-Wellen), bewegt werden. Neben sechs großen (Afrikanische, Amerikanische, Antarktische, Eurasiatische, Indisch-Australische und Pazifische Platte; die Amerikanische Platte wird oft in die Nordamerikanische und die Südamerikanische Platte geteilt) werden zahlreiche kleinere Platten (z. B. Ägäische Platte, Arabische Platte) unterschieden, deren Benennung und Abgrenzung nicht immer einheitlich sind. Die Verschiebung der Platten und die damit im Zusammenhang stehende Entstehung und Veränderung der Ozeane werden v. a. auf Dehnungsvorgänge am Mittelozeanischen Rücken zurückgeführt (Sea-Floor-Spreading). Dieser ist von einer Zentralspalte durchzogen und von Querstörungen (Transformstörungen) durchsetzt, die Horizontalverschiebungen bis zu mehreren 100 km, aber auch große vertikale Sprunghöhen aufweisen. Die Zentralspalte zeichnet sich durch intensiven Vulkanismus (einschließlich der Schwarzen Raucher) und besonders starke Wärmestrahlung aus. Durch das hier infolge der Dehnung aufsteigende und am Meeresboden austretende basaltische Schmelzflussmaterial der Asthenosphäre (überwiegend in Form von Kissenlava) wird ständig neue ozeanische Erdkruste gebildet. Sie breitet sich symmetrisch beiderseits des Mittelozeanischen Rückens aus, wobei die mit der ozeanischen Kruste verbundenen kontinentalen Platten aus granitischen Gesteinen einschließlich der auflagernden Sedimente mitverfrachtet werden. Über 80 Volumenprozent der magmatischen Gesteine werden am Mittelozeanischen Rücken gebildet.
Grundlegend für diese Vorstellungen waren erdmagnetische Messungen auf den Ozeanen: Man entdeckte parallel zum Mittelozeanischen Rücken verlaufende Erdkrustenstreifen mit wechselnder, normaler oder umgekehrter Magnetisierungsrichtung, bedingt durch mehrfache Umpolungen des erdmagnetischen Feldes (Paläomagnetismus). Wie radiometrische Datierungen von Bohrproben ergaben, werden diese Streifen mit zunehmender Entfernung vom Rücken immer älter, müssen also von diesem fortbewegt worden sein. Dem entspricht auch das Alter der auflagernden geringmächtigen Meeresablagerungen (höchstens 100 m dick): Die ältesten sind im Jura, vor etwa 200 Mio. Jahren, entstanden, die Hälfte des Ozeanbodens (d. h. ein Drittel der heutigen Erdoberfläche) sogar erst vor 65 Mio. Jahren. Insgesamt werden jährlich mindestens 2,5 km3 ozeanische Kruste neu gebildet. Da sich der Umfang der Erde nicht vergrößert, muss ein Ausgleich für den Zuwachs an anderer Stelle erfolgen. Wird eine ozeanische auf eine kontinentale Platte zubewegt, so taucht die ozeanische an schräg geneigten Flächen (Benioff-Zonen) unter die andere in den Untergrund ab. Durch diese Verschluckung oder Subduktion wird das Erdkrustenmaterial wieder der Tiefe zugeführt (Bewegung bis über 10 cm pro Jahr) und aufgeschmolzen. An diesen Plattengrenzen vollzieht sich die Gebirgsbildung über Geosynklinale, Orogenese und Heraushebung. Hier treten auch basische und ultrabasische Gesteine zutage (Obduktion), die der ozeanischen Kruste (Ophiolithe) oder dem Erdmantel (Peridotite, Serpentinite) zugerechnet werden.
Andere Dehnungsstrukturen der Erdkruste sind innerhalb der Kontinente ausgebildet (Intraplattentektonik): riesige, lang gestreckte Grabensysteme (Rifts, Graben) wie das Ostafrikanische Grabensystem oder die Mittelmeer-Mjösen-Zone. Sie sind mit Aufwölbung und Aufreißen der Erdkruste und explosiv-effusivem Vulkanismus (v. a. Basalte) verbunden. Durch Vertiefung des Grabens kann es zur Zerspaltung einer Kontinentmasse kommen, und das Meerwasser kann eindringen, wie im Roten Meer, wo bereits eine Zentralspalte ausgebildet ist. Bei weitergehender Entwicklung kann hier ein mittelozeanischer Rücken entstehen und sich ein Ozean öffnen, wie der Atlantik seit dem Jura.
Weitere vulkanische Tätigkeit wird durch schlotartig aus dem Erdmantel aufsteigendes Magma gespeist (Hot Spot, Manteldiapir).
Daneben gibt es kleinere, isolierte Restschollen kontinentaler Erdkruste wie die Terrane, die von ihrem Bildungsraum über weite Entfernungen verfrachtet und anderen Kontinenten angegliedert wurden (z. B. an der Westküste Nordamerikas). Andere bilden Inseln aus kontinentalem Gestein (Granit) mitten in den Ozeanen, z. B. Rockall, Seychellen, Kanarische Inseln und Sokotra.
Statt des früher angenommenen Ablaufs der Gebirgsbildung (Orogenese) erfolgt diese entsprechend der Plattentektonik in erster Linie an den Plattengrenzen: 1) Eine ozeanische Platte taucht unter eine kontinentale ab, z. B. die Ostpazifische Platte unter die Amerikanische Platte vor der Westküste Südamerikas, die Pazifische Platte und die Philippinenplatte unter die Eurasiatische Platte vor den Inselbogen am West- und Nordrand des Pazifiks (pazifischer oder destruktiver Plattenrand, Kordilleren- oder Andentyp). Die Absenkung ist durch lang gestreckte Tiefseegräben, Vulkanismus und Erdbeben markiert. Auch beim Zusammenstoß von zwei kontinentalen Platten (Kollisionstyp) kommt es zur Subduktion und Gebirgsbildung (z. B. Alpen, Himalaja); durch Einengung wurde das ursprünglich 300-600 km breite Alpenorogen auf 150 km verschmälert. 2) Bei den am Mittelozeanischen Rücken durch Neubildung von Ozeankruste auseinander strebenden Platten spricht man vom atlantischen oder konstruktiven Typ. 3) An den Transformstörungen horizontal aneinander vorbeigleitende Plattengrenzen werden als Scherungs- oder konservativer Typ bezeichnet (z. B. San Andreas Fault). - Bei den Kontinentalrändern unterscheidet man den aktiven (Subduktion) vom passiven Typ (mit der ozeanischen Kruste fest verbundene Kontinente, wie rings um den Atlantik).
Die Bewegung der Platten beträgt weltweit jährlich durchschnittlich 5 cm bei ozeanischen und 1,5 cm bei kontinentalen Platten. Als Bewegungsursache werden v. a. Konvektionsströmungen im Erdmantel angenommen, die letztlich auf radioaktive Prozesse zurückgehen.
Mit der Theorie der Plattentektonik kann die Erdgeschichte besonders seit dem Perm dargestellt werden, als noch ein einheitliches Weltmeer und eine einheitliche Landmasse bestanden; die Landmasse teilte sich von einem Mittelmeer (Tethys) aus in zwei riesige Kontinente (Laurasia, Gondwana, Kontinentalverschiebung). Innerkontinentale Brüche, alte Schwächezonen, erweiterten sich seit dem Perm, besonders seit der Wende Trias/Jura, zu ausgedehnten Großgrabenzonen, aus denen sich mittelozeanische Rücken mit Zentralspalten entwickelten. Darauf zerfielen die Landmassen, und es entstanden neue Ozeane. Den Zerrungsvorgängen entsprachen an anderer Stelle, wie im Mittelmeer, die Einengungszonen der Orogene. Für die vorpermische Zeit glaubt man, aus den von den alten Orogenen (Kaledonisches, Variskisches Gebirge) erhaltenen Resten alter ozeanischer Kruste ähnliche Bildungsvorgänge erschließen zu können. Es scheint danach, als hätten sich der Atlantik (ein Vorläufer war Iapetus) u. a. Ozeane im Lauf der Erdgeschichte mehrfach gebildet und wieder geschlossen.
Die Plattentektonik stellt eine Weiterentwicklung von A. Wegeners Kontinentalverschiebungstheorie dar. Aufgrund meereskundlicher Forschungen entstanden, begegnete sie erhebliche, aber im Allgemeinen nicht grundsätzliche Einwänden aus der Sicht der kontinentalen Geologie.
Geodynamik u. P., Beitrr. v. P. Giese: (1995);
Hubert Miller: Abriß der P. (1992);
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
Plattentektonik und Kontinentaldrift
Plattentektonik: Antrieb durch die Mantelkonvektion
Plattentektonik: Geophysikalische und klimatische Auswirkungen
Erdgeschichte aus Sicht der Geologie und Planetenkunde
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Universal-Lexikon. 2012.