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Orogenese
Gebirgsbildung

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Oro|ge|ne|se 〈f. 19; Geol.〉 Gebirgsbildung; Sy Tektogenese [<grch. oros „Berg, Gebirge“ + genesis „Werden“]

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Oro|ge|ne|se, die; -, -n [Genese] (Geol.):
in kurzen Zeiträumen ablaufende Verformung begrenzter Bereiche der Erdkruste.

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Orogenese,
 
Gebirgsbildung, Tektogenese, Geologie: im Gegensatz zur Epirogenese eine vergleichsweise kurzfristige, aber nachhaltige Verformung begrenzter Krustenbereiche der Erdoberfläche (Orogene), die mit vertikalen und horizontalen Verlagerungen der Gesteine, mit Faltung, Bruchtektonik, Deckenbau, Vulkanismus, Plutonismus, Gesteinsmetamorphose und seismische Aktivität abläuft und im Zusammenhang mit Hebungs- und Senkungsvorgängen Oberflächenformen von hoher Reliefenergie (Kettengebirgsgürtel, Inselbögen und Tiefseerinnen) schafft. Sie wird primär ausgelöst durch die Eigenbewegung des Erdmantels, der die dünnere Erdkruste mehr passiv folgt. Zonen der Orogenese sind Bereiche mit verstärkter Wärmeabgabe des Erdinnern; die dadurch bewirkten Prozesse der Umkristallisation und partiellen Aufschmelzung bedingen ein Instabilwerden der Lagerungsverhältnisse in Kruste und Mantel (diagenetische, metamorphe und anatektische Dichteinversion), was die Bewegungsvorgänge auslöst. Die Orogenese konzentriert sich auf lang gestreckte, meist schmale, vielfach bogenförmig verlaufende Zonen; im Lauf der Erdgeschichte wurde die gesamte Erdkruste zum Teil mehrfach in das orogene Geschehen einbezogen. Heute bestehen zwei erdumspannende, orogen aktive Gürtel: ein zirkumpazifischer Gürtel rings um den Pazifik, ein zweiter (mediterraner) Gürtel, der sich vom Mittelmeer über Vorderasien und den Himalaja bis Indonesien erstreckt. Man unterscheidet folgende Bewegungsformen: 1) Bruchtektonik: Sie umfasst alle Bauformen der Erdkruste, bei denen der ursprüngliche Gesteinsverband an Verwerfungen zerrissen und versetzt ist. Dabei können Horste, Gräben und Verwerfungstreppen entstehen. Die Störungszonen sind als Aufstiegswege von magmatischen Schmelzen und Erzlösungen wichtig. 2) Salinar- und ähnliche Bewegungen: Stabile Lagerungsverhältnisse der Gesteine liegen nur dort vor, wo die Gesteinsdichte mit der Tiefe zunimmt. Werden aber spezifisch leichtere Gesteine (v. a. Salzablagerungen) von spezifisch schwereren überlagert (Dichteinversion), haben sie die Tendenz emporzusteigen (Diapir). In großem Umfang wird Dichteinversion innerhalb der Orogengürtel durch Kompaktion, tektonische Einengung, Metamorphose und beginnende Aufschmelzung ausgelöst, wobei ganz ähnliche Erscheinungsformen wie beim Salzdiapirismus auftreten. 3) Faltenbau: Das wohl am weitesten verbreitete Kennzeichen der Orogenese ist die Faltung (Falte), oft mit Schieferung u. a. Veränderungen des Gesteinsgefüges (Gefüge) verbunden. Zeiten gesteigerter tektonischer Aktivität sind oft Faltungsphasen. 4) Deckenbau (Allochthonie): Die größte Leistung der Orogenese ist der in manchen Gebirgen vorkommende Horizontaltransport mächtiger Gesteinspakete (Decke), die stärkste Form der Einengung.
 
Die Orogenese beginnt mit einer nachhaltigen Absenkung eines lang gestreckten, schmalen Sedimentationstroges (Geosynklinale) und wird von einem mehrphasigen Magmatismus begleitet (magmatischer Zyklus). Der Senkungsraum ist oft mehrfach durch Schwellen gegliedert. Aus einer zentralen Innenzone entstehen die »Interniden«, aus den Außenzonen die »Externiden«. Die Interniden sind meist stärker durchbewegt und von Metamorphose und Aufschmelzung (Anatexis) betroffen als die Externiden. Beckenrandnahe Schwellen verhindern die ausreichende sedimentäre Auffüllung des zentralen Beckens (Eugeosynklinale), das sich durch einen intensiven, überwiegend basischen submarinen Vulkanismus (Ophiolith) als Beweis für ehemalige ozeanische Erdkruste auszeichnet (initialer Vulkanismus). Durch Differenziation kommt es auch zu ultrabasischen Bildungen (Spilite, Keratophyre). Später verlagert sich die Trogachse auswärts; das Orogen nimmt mehr und mehr die Bogenform an. Während die Einengung am konkaven Innenrand einsetzt, werden am konvexen Außenrand immer neue Teile des Vorlandes in die orogene Absenkung einbezogen (Miogeosynklinale). Senkung und Ablagerung halten hier einander oft die Waage: miogeosynklinale carbonatische Sedimente. Erst durch starke Absenkung entstehen Tiefseesedimente. - Die Anhäufung von Lockersedimenten im Vortiefentrog (Vor-, Rand- oder Saumtiefe) erzeugt ein Massendefizit und damit eine negative Schwereanomalie, die später in Auftriebstendenz nach dem Isostasieprinzip übergeht (Ausbildung einer »Gebirgswurzel«, Isostasie). Dadurch werden die zuvor bereits gefalteten Gesteine schließlich als orographisches Gebirge emporgehoben und abgetragen, bis wieder Schweregleichgewicht erreicht ist. Störungen der Dichteverteilung im tieferen Untergrund werden durch partielle Aufschmelzung im Mantel und in der Kruste ausgeglichen; die aufsteigenden Gesteinsschmelzen beliefern den Plutonismus (Intrusionen) und Vulkanismus (synorogener Magmatismus), der sich im fortgeschrittenen Stadium der Orogenese auf die konkave rückwärtige Flanke des Gebirges mit ihrer spätorogenen Bruch- und Grabentektonik konzentriert (subsequenter Magmatismus). Im letzten orogenen Zeitabschnitt, nach Beendigung des isostatischen Auftriebs, kann es zu Bewegungen an tief greifenden Verwerfungen kommen; dabei kann am Außensaum sowie im Vor- und Rückland des Orogens vulkanisches Magma aus dem Erdmantel austreten (finaler Magmatismus: Basalte, Trachyte, Phonolithe). Orogenese führt zur Verfestigung der Erdkruste (Konsolidation, Bildung von Kratonen). Die durch Faltung und Deckenbau bestimmten Gebirge (Falten- und Deckengebirge) zeichnen sich deutlich als Orogene ab, die durch germanotype Gebirgsbildung geprägten Block- und Bruchfaltengebirge gehen dagegen allmählich in die ungestörten Schichttafeln über.
 
Im Gegensatz zur traditionellen, auf die Kontinente bezogenen Vorstellung von Orogenese werden im plattentektonischen Modell auch die Tiefseeböden berücksichtigt. So entsprechen die Eugeosynklinalen den ozeanischen Becken, v. a. den Tiefseerinnen (Subduktionszonen). Orogenese erfolgt durch Subduktion der Ozeane und Kollision von Kontinenten oder Inselbögen. Man unterscheidet hier den Inselbogen-, den alpinen und den andinen Typ.
 
Literatur:
 
Lb. der allg. Geologie, hg. v. R. Brinkmann, Bd. 2: Tektonik, hg. v. P. Schmidt-Thomé (1972);
 A. Miyashiro: O. Grundzüge der Gebirgsbildung (a. d. Amerikan., Wien 1985).

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Universal-Lexikon. 2012.