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Bevölkerungspolitik
Be|vọ̈l|ke|rungs|po|li|tik 〈f.; -; unz.〉 Politik, die Größe od. Zusammensetzung einer Bevölkerung zu beeinflussen sucht

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Be|vọ̈l|ke|rungs|po|li|tik, die:
Gesamtheit der politischen Maßnahmen zur Beeinflussung des Wachstums od. der Zusammensetzung einer Bevölkerung:
die umstrittene chinesische B.;
eine expansive B. betreiben.

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Bevölkerungspolitik,
 
zielgerichtete Maßnahmen, um Zahl und/oder Zusammensetzung einer Bevölkerung zu beeinflussen. Man unterscheidet zwischen einer quantitativen Bevölkerungspolitik, die es mit den Problemen eines Zuviel oder Zuwenig an Menschen in einem Land zu tun hat, und einer qualitativen Bevölkerungspolitik, die auf die Zusammensetzung der Bevölkerung einzuwirken sucht. Die qualitative Bevölkerungspolitik ist im Hinblick auf die Beeinflussung der Geburtenentwicklung wegen ihrer rassistischen Tendenzen (z. B. im Dritten Reich) und ihrer Nähe zur Manipulation (Eugenik, Gentechnik) stark in Misskredit geraten.
 
Ansatzpunkte von Bevölkerungspolitik können die Geburtenentwicklung (man unterscheidet pronatalistische, die Geburtenhäufigkeit anreizende, und antinatalistische, den Geburtenrückgang fördernde Maßnahmen), die Sterblichkeit, die Wanderungen sowie die Heirats- und Scheidungshäufigkeit sein. Bevölkerungspolitik ist also nicht synonym mit pro- oder antinatalistischer Politik.
 
Wegen der vielfältigen Wechselwirkungen der für Bevölkerungspolitik relevanten Entscheidungen im Mikrobereich der Familie (Geburten, Heirat, Scheidung, Umzug) mit Einflüssen aus dem Makrobereich (Staat, Gesellschaft, z. B. Arbeits-, Wohnverhältnisse, steuerliche, sozialrechtliche Regelungen) ist eine Abstimmung der Bevölkerungspolitik u. a. mit der Sozial-, Wohnungs-, Arbeitsmarkt-, Steuerpolitik, in Entwicklungsländern v. a. auch mit der globalen Entwicklungspolitik unerlässlich. Bevölkerungspolitik ist als Teil einer umfassenden Gesellschaftspolitik anzusehen. Während die Beeinflussung der Sterblichkeit sowie der Wanderungen primär im Bereich der Gesundheitspolitik beziehungsweise der Gesellschafts-, Wirtschafts-, Arbeitsmarkt- und Ausländerpolitik betrieben wird, wird versucht, die Geburtenentwicklung mittels familienpolitischer Maßnahmen zu beeinflussen, in Entwicklungsländern v. a. über Familienplanungsprogramme.
 
Die die Geburtenzahl beeinflussenden Mittel umfassen ganz allgemein einerseits direkten Zwang - was im Widerspruch zum Menschenrecht auf freie und selbstverantwortliche Entscheidung über die Zahl der Kinder steht -, andererseits aber bevorzugt indirekte, durch Überzeugung wirkende Maßnahmen, die die Zahl der gewünschten Kinder verringern. Zu den antinatalistischen Maßnahmen zählen u. a. medizinische Versorgung, Beratung über Geburtenplanung, aber auch die Verbreitung der Einsicht, dass (unter wirtschaftlichen und sozialen Gesichtspunkten) eine möglichst hohe Kinderzahl nicht pauschal als erstrebenswert angesehen werden kann. Bei den pronatalistischen Maßnahmen sind v. a. finanzielle Anreize zu nennen. Ob damit bevölkerungspolitische Ziele erreicht werden, gilt als fraglich.
 
Zu Beispielen und Bewertung der Bevölkerungspolitik Bevölkerungsentwicklung.
 
Geschichte:
 
Für das antike Rom kann das Ehe- und Kinderzeugungsgebot Kaiser Augustus' als eine bevölkerungspolitische Maßnahme angesehen werden. Vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert wurde Bevölkerungspolitik insbesondere durch die staatliche Regulierung der Heiratserlaubnisse betrieben. Mit dem Merkantilismus kamen in verschiedenen europäischen Ländern Versuche auf, die Bevölkerung zur politischen und wirtschaftlichen Stärkung des Staates zu vermehren. Es wurden (v. a. in Spanien und Frankreich) die Eheschließungen erleichtert und z. B. Prämien und Steuererleichterungen für frühe Heiraten in Aussicht gestellt. Daneben erleichterte man die Einwanderung in das jeweilige Staatsgebiet und erschwerte Auswanderungen bis hin zur Verhängung von Todesstrafen für Auswanderer. Bis in die Gegenwart starken Einfluss auf die Bevölkerungspolitik hatte T. R. Malthus mit seinem »Bevölkerungsgesetz« (Bevölkerungswissenschaft), das zur Folge hatte, dass die Heiratsfreiheit eingeschränkt wurde, um das Bevölkerungswachstum zu reduzieren. Ende des 19. Jahrhunderts, Anfang des 20. Jahrhunderts gab es zwischen Anhängern des »Neomalthusianismus« (gefördert durch die »Malthusian League«, gegründet 1877) und dessen Gegnern eine heftige Diskussion über die Einschränkung der Geburtenzahl, wobei die Anhänger die Empfängnisverhütung förderten, die die Gegner aus religiösen, politischen u. a. Gründen ablehnten.
 

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Be|vọ̈l|ke|rungs|po|li|tik, die: politische Maßnahmen zur Beeinflussung des Wachstums od. der Zusammensetzung einer Bevölkerung: die umstrittene chinesische B.; eine expansive B. betreiben; Was bleibt, ist neben der ohnehin erforderlichen B. eine effizientere Nutzung des vorhandenen Wassers (Tagesspiegel 22. 3. 98, 22).

Universal-Lexikon. 2012.