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Empfängnisverhütung
Kontrazeption; Familienplanung; Verhütung; Schwangerschaftsverhütung

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Emp|fạ̈ng|nis|ver|hü|tung 〈f. 20Verhinderung der Empfängnis

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Emp|fạ̈ng|nis|ver|hü|tung, die:
Verhütung einer Empfängnis durch bestimmte Mittel, Maßnahmen:
Methoden der E.

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Empfängnisverhütung,
 
Schwangerschaftsverhütung, Konzeptionsverhütung, Antikonzeption, Kontrazeption, Maßnahmen zum Zweck der Familienplanung beziehungsweise Geburtenregelung durch Verhinderung des Eisprungs, der Befruchtung der Eizelle oder der Einnistung des befruchteten Eies in die Gebärmutterschleimhaut. Empfängnisverhütung kann erfolgen durch natürliche Methoden, mechanische und lokale chemische Methoden sowie Hormone oder operative Eingriffe. Die Anwendung der verschiedenen Methoden hängt wesentlich von geographischen, ethnischen, religiösen und sozialen Gegebenheiten ab.
 
Die Zuverlässigkeit der Empfängnisverhütungsmethoden wird nach dem Pearl-Index (PI) bewertet: Z. B. ergibt sich der Index 2, wenn 100 Frauen ein Jahr lang ein Intrauterinpessar verwenden und zwei von ihnen schwanger werden; ausgedrückt als zwei Schwangerschaften auf 100 Frauenjahre. Die Effektivität ist dann 100 — 2 = 98. Sehr wirksame Empfängnisverhütungsmethoden haben einen PI von 1,0.
 
Die natürlichen Methoden (natürliche Familienplanung, Abkürzung NFP) beruhen auf der Verhinderung der Fertilisierung, d. h. der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle. Dazu gehören der Coitus interruptus, bei dem der Geschlechtsverkehr vor der Ejakulation unterbrochen und der Samen außerhalb der Scheide entleert wird. Die Unsicherheit dieses Verfahrens besteht u. a. darin, dass schon vor dem männlichen Orgasmus Samenflüssigkeit abgesondert werden kann; außerdem sind auf Dauer psychosexuelle Störungen möglich. Zu den NFP-Methoden gehören auch die verschiedenen Formen der Zeitwahl, bei denen die Phasen natürlicher Unfruchtbarkeit ermittelt werden. Bei der Kalendermethode oder Rhythmusmethode (Knaus-Ogino-Methode) werden die fruchtbaren Tage (Befruchtungsoptimum) anhand des individuellen Menstruationskalenders errechnet, in dem vom kürzesten Menstruationszyklus 17, vom längsten 13 Tage abgezogen werden; z. B. 26 — 17 = 9 und 32 — 13 = 19, d. h., vom 9. bis 19. Zyklustag soll kein ungeschützter Geschlechtsverkehr durchgeführt werden. Bei der Temperaturmethode wird durch Messung der Basaltemperatur die Zeit des Eisprungs (Ovulation) ermittelt. Denn 1-2 Tage nach der Ovulation erhöht sich die Temperatur um 0,4-0,6 Cº. Ab dem 3. Tag dieser hyperthermen Phase ist die Frau unfruchtbar. Mit der Methode nach Billings wird die Phase erfasst, in der durch den hohen Östrogenspiegel der Gebärmutterhalsschleim (Zervixschleim) dünnflüssig und fadenziehend wird (so genannte nasse Tage). Diese Empfängnisverhütungsmethode ist wenig zuverlässig. In Kombination mit der Temperaturmethode (symptothermale Methode) ist sie jedoch die sicherste unter den NFP-Methoden.
 
Zu den mechanischen Methoden zählt v. a. die Anwendung des Kondoms, das vor dem Geschlechtsverkehr über das männliche Glied gezogen wird, den Samen auffängt und zugleich einen gewissen Schutz vor sexuell übertragbaren Infektionskrankheiten bietet. Die Unsicherheit dieser Methode ergibt sich v. a. durch unsachgemäße Anwendung. Auch ein Kondom für die Frau (Femidom®), das durch einen äußeren Ring außerhalb der Scheide und einen inneren Ring in der Scheide fixiert und noch mit einer spermiziden Substanz beschichtet ist, wird angeboten. Das Eindringen der Spermien in die Gebärmutter kann durch ein Scheidendiaphragma, eine Silikongummikappe mit federndem Außenring, verhindert werden. Die Sicherheit des Scheidendiaphragmas (auch mit Spermizid beschichtet erhältlich) hängt v. a. von der guten Passform ab. Kaum noch verwendet wird die Portiokappe (Okklusivpessar), die im Unterschied zum Scheidendiaphragma von der Frau selbst nur schwer eingeführt werden kann. Hingegen gehört das Intrauterinpessar (IUP) zu den häufig genutzten und relativ sicheren Methoden. Es handelt sich dabei um Kunststoffeinsätze, z. B. in Schleifen-, Spiralen- oder T-Form mit einer Länge von 3 bis 4 cm. Sie sind zur Erhöhung der empfängnisverhütenden Sicherheit meist mit Kupferdraht (mit Silberkern) umwickelt. Hormonbeladene IUP, die mit einem Gestagen beschichtet sind, bieten eine hohe Sicherheit, verursachen jedoch häufiger Blutungsstörungen. Die Wirkungsweise der IUP beruht auf Veränderungen der Gebärmutterschleimhaut, die eine Einnistung der befruchteten Eizelle verhindern, sowie in einer Störung der Befruchtung der Eizelle im Eileiter. Das IUP wird in der Regel während der Menstruation von einem Arzt in die Gebärmutter eingelegt. Moderne IUP müssen erst nach 4-6 Jahren gewechselt werden. Nebenwirkungen und Komplikationen der IUP sind verlängerte und verstärkte Regelblutungen, Schmerzen, Ausstoßung sowie Entzündungen. Die Wahrscheinlichkeit einer Eileiterschwangerschaft ist geringfügig erhöht.
 
Chemische Mittel
 
, oberflächenaktive Wirkstoffe wie Octoxinol, Nonoxinol oder Menfegol, sind in der Lage, bei lokaler Anwendung in der Scheide Spermien abzutöten (Spermizide), bevor diese in die Gebärmutter einwandern können. Sie werden in Salben, Gel, Schaum oder Zäpfchenform etwa 10 Minuten vor dem Geschlechtsverkehr in die Scheide eingebracht. Neuerdings finden auch mit Spermiziden beschichtete Scheidenschwämme Verwendung.
 
Die hormonale Empfängnisverhütung (hormonale Kontrazeption, orale Kontrazeption, Ovulationshemmung), die als so genannte Antibabypille von G. Pincus eingeführt wurde, ist bei regelmäßiger Einnahme die zuverlässigste Methode. Der Wirkungsmechanismus beruht in erster Linie auf einer Hemmung der übergeordneten Steuerzentren der Eierstockfunktion, des Hypothalamus und der Hirnanhangdrüse, wodurch die Follikelreifung und der Eisprung verhindert werden. Außerdem wird das Wachstum der Gebärmutterschleimhaut unterdrückt, der Schleim des Gebärmutterhalskanals eingedickt (dadurch Behinderung der Spermienwanderung). Durch beschleunigte Eileiterkontraktion wird der Zeitraum zur Befruchtung der Eizelle verkürzt. Die ovulationshemmende Wirkung wird durch das Gestagen bedingt, während das synthetische Östrogen zur Zyklusstabilisierung, d. h. zur Verhinderung von Blutungsstörungen, dient. Der Empfängnisschutz besteht über die gesamte Zeit der Einnahme. Bei den meisten Präparaten beträgt die Einnahmedauer 21 Tage, gefolgt von einer siebentägigen Pause, in der die Blutung eintritt; dadurch wird ein vierwöchiger Menstruationsrhythmus erreicht. Grundsätzlich gilt für beide Hormonkomponenten das Prinzip »so viel wie nötig, so wenig wie möglich«. Beim Östrogen liegt die tägliche Dosis zwischen 50 und 20 μg. Neu entwickelte Gestagene zeichnen sich durch einen hohen Wirkungsgrad und eine geringe Stoffwechselbeeinflussung aus. Nach der Zusammensetzung unterscheidet man die klassischen Kombinationspräparate oder Einphasenpräparate mit über den Zyklus gleich bleibendem Wirkstoffgehalt und die Sequenzialpräparate, die als Zweistufenpräparateoder Dreistufenpräparate die Hormonbestandteile in gestufter Folge und Konzentration enthalten und damit den natürlichen Schwankungen des Hormonspiegels stärker entsprechen. Dies führt zu einer besseren Verträglichkeit bei allerdings etwas verringerter Zuverlässigkeit. Die Minipille enthält nur ein einziges Hormon (Gestagen) in minimaler Konzentration; sie wirkt lediglich über eine Veränderung des Fließverhaltens (Viskosität) des Schleims im Gebärmutterhalskanal, die körpereigene Hormonbildung bleibt weitgehend erhalten (keine Hemmung des Eisprungs). Sie muss jedoch täglich zur gleichen Zeit (± 3 Stunden) eingenommen werden und ist relativ häufig mit Zwischenblutungen verbunden. Geeignet ist sie v. a. für stillende Frauen, Raucherinnen über 35 Jahre, Migränepatientinnen und bei erhöhtem Thromboserisiko. Die aus einer schwach dosierten Östrogenkomponente mit geringem Gestagenanteil bestehende Mikropille wirkt fast ausschließlich als Ovulationshemmer. Die Postkoitalpille (»Pille danach«) enthält hoch dosiert Östrogen und Gestagen und muss innerhalb von 48 Stunden nach ungeschütztem Geschlechtsverkehr eingenommen werden. Sie ist jedoch durch erhebliche Nebenwirkungen wie Erbrechen und Blutungsstörungen belastet. Depotpräparate enthalten in der Regel nur ein Gestagen und müssen injiziert oder unter die Haut implantiert werden. Diese Depotgestagene werden monatlich (Einmonatsspritzen) oder alle 3-6 Monate (Drei- oder Sechsmonatsspritze) gegeben. Sie sind aber häufig durch Blutungsstörungen belastet. Deshalb enthalten neu entwickelte Präparate auch ein Depotöstrogen. Eine empfängnisverhütende Wirkung über etwa fünf Jahre hat z. B. Norplant® (USA), bei dem das Gestagen in sechs dünnen Silastikhüllen enthalten ist, die unter die Haut implantiert werden und kontinuierlich das Gestagen freisetzen. Das deutsche Präparat Itonogestrel (Implanon®, mit gleichem Wirkungsmechanismus) besitzt eine Wirkdauer von drei Jahren. Möglich ist auch die Anwendung des Antigestagens Mifepriston (Mifegyne®, Abtreibungspille, RU 486), das kein Empfängnisverhütungsmittel ist, sondern einen Frühabort auslöst, da die für die frühe Schwangerschaft notwendige Gelbkörperhormonwirkung unterdrückt wird. Es ist zum Schwangerschaftsabbruch (bis zum 49. Schwangerschaftstag) zugelassen.
 
Eine hormonale Empfängnisverhütung ist bei Jugendlichen (≧ 14 Jahre) möglich, wenn die Menarche eingetreten ist. Pillenpausen sind nicht erforderlich. Wenn keine Risikofaktoren vorliegen, kann die Pille bis zum Eintritt der Menopause eingenommen werden. Bei abgeschlossener Familienplanung ist zu überlegen, ob alternative Methoden (Eileitersterilisation, IUP) in Betracht kommen. Die Wahl der jeweils geeigneten Pille ist vom Facharzt zu treffen.
 
Hormonelle Mittel besitzen eine Vielzahl von Nebenwirkungen. Dazu gehören v. a. Blutungsstörungen (so genannte Spottings), Übelkeit, Kopfschmerzen bis hin zu Migräne, Gewichtszunahme, Müdigkeit, depressive Verstimmungen und Libidoverlust. Sie können auch Leber- und Fettstoffwechselstörungen hervorrufen und das Blutgerinnungssystem beeinflussen. Das kann in der Folge zu Leberstörungen, Bluthochdruck, Gefäßerkrankungen und einem erhöhten Thrombose- und Embolierisiko führen. Deshalb sind vor der Verordnung hormonaler Mittel eine sorgfältige Anamnese, Blutdruckmessung und gegebenenfalls entsprechende Laboruntersuchungen erforderlich. Liegen Kontraindikationen vor, ist eine andere Methode der Empfängnisverhütung zu wählen. Das gilt auch für starke Raucherinnen über 35 Jahre.
 
Im Unterschied zu den genannten Verfahren ist die operative Methode durch Sterilisation eine zwar sichere, aber in der Regel schwer rückgängig zu machende Form.
 
Kirchliche Auffassungen:
 
In der Tradition biblischer Verkündigung, die die Fruchtbarkeit des Menschen als Segen und Verheißung Gottes begreift (1. Mose 1, 28 u. a.), hat die Kirche die Zeugung neuen Lebens von jeher als unverzichtbares Sinnziel der Ehe verstanden und aus diesem Grund die Empfängnisverhütung abgelehnt. Angesichts verminderter Kindersterblichkeit, der mit der wachsenden Weltbevölkerung verbundenen Ressourcenproblematik und auch in Anbetracht der Wahrnehmung neuer Sinndimensionen der Sexualität auf der Ebene personaler Begegnung und Liebe stellte sich die Frage nach der Erlaubtheit der Empfängnisverhütung im 20. Jahrhundert neu. Die Lambethkonferenz (Zusammenschluss aller anglikanischen Kirchen) von 1930 versuchte, auf die neue Situation mit Konzessionen einzugehen. Die kurz darauf erschienene Enzyklika »Casti connubii« Pius' XI. erneuerte die traditionelle Lehre der katholischen Kirche (die jeden Geschlechtsakt primär als einen Zeugungsakt definiert) und verbietet jede Form künstlicher Empfängnisverhütung, lässt aber erstmals die Zeitwahlmethode zu. Das Zweite Vatikanische Konzil stellte die personalen Sinnwerte der Ehe heraus und sprach von verantworteter Elternschaft: Die Eltern selbst treffen in eigener Verantwortung die Entscheidung über die Zahl ihrer Kinder. Die Enzyklika »Humanae vitae« Pauls VI. (1968) und das Rundschreiben »Familiaris consortio« Johannes' Pauls II. (1981) bestätigen diese Lehre und lehnen weiterhin jede künstliche Methode der Empfängnisverhütung ab. Diese Lehräußerungen gelten in der Kirche nicht als Dogma; die deutschen Bischöfe haben die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass der Katholik in seinem Gewissen in diesen Fragen zu einer anderen Überzeugung kommen kann. Die theologische Diskussion der letzten Jahre konzentrierte sich insbesondere auf das Problem der Begründung. Kirchlich kritisiert wird jedoch die gesellschaftliche Praxis der Empfängnisverhütung in den westlichen Industriestaaten. Diese wird u. a. in der Enzyklika »Evangelium vitae« Johannes' Pauls II. (1995) aus moraltheologischer Sicht angesprochen. Die Enzyklika sieht dabei einen Zusammenhang zwischen der modernen Praxis der Empfängnisverhütung und einer weit verbreiteten hedonistischen Freiheits- und Moralauffassung gegeben, die in vielen Fällen die mit der Sexualität verbundene Verantwortung gegenüber dem Leben, das aus der geschlechtlichen Begegnung hervorgehen könnte, ablehne und dieses als Behinderung der eigenen Persönlichkeitsentwicklung begreife. - Die Theologie der reformatorischen Kirchen im 20. Jahrhundert (u. a. K. Barth, E. Brunner) lehrt bezüglich der Empfängnisverhütung, dass die personale Sichtbarmachung der ehelichen Liebe über der Zeugung neuen Lebens stehe und unter Umständen von dieser getrennt werden könne. Die Frage nach Mitteln der Empfängnisverhütung sei sittlich irrelevant.
 
Literatur:
 
J. Huber: Fragen der Kontrazeption (1988);
 G. K. Döring: Die Temperaturmethode zur E. (101989);
 G. K. Döring: E. Ein Leitf. für Ärzte u. Studenten (121990);
 
Gynäkolog. Endokrinologie u. Fortpflanzungsmedizin, hg. v. B. Runnebaum u. T. Rabe, 2 Bde. (1994);
 E. Raith u. a.: Natürl. Familienplanung heute (21994);
 
Klinik der Frauenheilkunde u. Geburtshilfe, hg. v. K.-H. Wulf u. H. Schmidt-Matthiesen, Bd. 2 (31996).
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
Empfängnisverhütung: Die Antibabypille
 
Empfängnisverhütung: Verschiedene Methoden
 

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Universal-Lexikon. 2012.