Akademik

Gicht
Zipperlein (veraltet)

* * *

Gicht ['gɪçt], die; -:
(durch eine Störung des Stoffwechsels verursachte) Krankheit, die sich besonders in schmerzhaften Entzündungen an den Gelenken äußert:
an Gicht leiden; von der Gicht gekrümmte Finger.
Zus.: Fingergicht, Gelenkgicht.

* * *

Gịcht1 〈f. 20; unz.〉
1. 〈Med.〉 Stoffwechselstörung mit vermehrter Harnsäurebildung u. verminderter Harnsäureausscheidung: Arthritis urica
2. 〈Bot.〉 seltene, durch den Nematoden Anguina tritici verursachte Krankheit des Weizens, bei der sich in den befallenen Ähren harte, dunkelgefärbte Körner bilden
[<ahd. fir-, gegiht(e) = ahd. jiht „Aussage, Bekenntnis, Geständnis“; zu ahd. jehan „sagen, bekennen“ <idg. *iek- „sprechen“; eigtl. „Besprechung, Behexung“; Benennung für alle Arten von Gliederschmerzen, Entzündungen, Krämpfen, Lähmungen, die im Volksglauben als durch Besprechen angezauberte Krankheiten galten]
————————
Gịcht2 〈f. 20die obere Mündung des Hochofens [vermutl. <nddt. gift <germ. *gifti „was eingegeben wird, Gabe“; → Gift]

* * *

Gịcht , die; - [mhd. giht, ahd. firgiht(e), gigiht(e), zu ahd. jehan = sagen, bekennen, urspr. = Behexung]:
durch eine Störung des Stoffwechsels verursachte Krankheit, die sich bes. in schmerzhaften Entzündungen von Gelenken äußert.

* * *

I
Gicht
 
[althochdeutsch gigiht(e), ursprünglich »Besprechung«, »Behexung«],
 
 1) Medizin: Harnsäuregicht, Arthritis urica, angeborene oder erworbene Harnsäure-Stoffwechselstörung, bei der es zu einem Anstieg des Harnsäurespiegels im Blut (Hyperurikämie) und nachfolgend zu einer vermehrten Ablagerung von harnsauren Salzen (Mononatriumurat) v. a. in Gelenken, Schleimbeuteln, Haut oder auch inneren Organen kommt.
 
Die primäre Gicht wird durch eine dominant erbliche Störung des Purin- und Pyrimidinstoffwechsels verursacht und tritt in etwa 95 % der Fälle bei Männern auf, bei Frauen in der Regel erst nach den Wechseljahren. Ihr liegt v. a. eine Ausscheidungsstörung der Harnsäure durch verminderte Harnsäuresekretion in den Nierentubuli und/oder eine durch Enzymstörungen verursachte Überproduktion von Harnsäure zugrunde. Sie verläuft in Abhängigkeit von den Nahrungsgewohnheiten zunächst jahrelang beschwerdefrei (latente Gicht). Die Wahrscheinlichkeit eines Gichtausbruchs steigt mit der Höhe der Serumharnsäurekonzentration und beträgt bei über 9 mg/100 ml etwa 90 %. Durch örtliche Kälteeinwirkung, übermäßige Zufuhr purinreicher Nahrung (Erhöhung des Harnsäurespiegels), alkoholische Exzesse (Hemmung der Harnsäureausscheidung), traumatische Einflüsse (Operationen, Verletzungen), Überanstrengung oder Infektionskrankheiten kommt es dann zum akuten Gichtanfall, der meist plötzlich (besonders nachts oder frühmorgens) auftritt und Tage bis Wochen anhalten kann. In der Regel ist hiervon ein einzelnes Gelenk betroffen, überwiegend ein Großzehengrundgelenk (Podagra), auch das Sprunggelenk, ein Daumengrundgelenk (Chiragra) oder Kniegelenk (Gonagra), aber auch Sehnenscheiden und Faszien. Kennzeichnend sind starke Schmerzen und Berührungsempfindlichkeit, Entzündung mit Schwellung, Rötung und Überwärmung sowie Allgemeinreaktionen wie Fieber, Krankheitsgefühl, Herzjagen. Die Entzündungssymptome entstehen unter Einwirkung von Stoffen (z. B. zellulären Mediatoren wie Bradykinin), die durch Phagozytose der auskristallisierten Urate freigesetzt werden. Infolge einer erhöhten Harnsäurekonzentration im Harn sind in etwa 30 % der Fälle auch Nierensteine (Uratsteine) vorhanden.
 
Bis zum erneuten Auftreten von Anfällen können zunächst Monate bis Jahre vergehen (interkritische Phase). In dieser Zeit schreitet die Krankheit (bei fehlender Behandlung) jedoch fort. Die mit zunehmender Krankheitsdauer eintretende Häufung der Anfälle, deren Heftigkeit abnimmt, leitet zur chronischen Gicht über; v. a. bei älteren Menschen ist aber auch eine primär-chronische Form möglich.
 
Die chronische Gicht ist gekennzeichnet durch Bildung von Gichtknoten (Tophi), Nestern von Harnsäurekristallen, die im gelenknahen Knochen- oder Knorpelbereich auftreten und bei Verletzung zu schlecht heilender Fistelbildung neigen und zu eitriger Entzündung des umgebenden Gewebes (Gichtgeschwüre) führen können, des Weiteren durch fortschreitende Gelenkschädigung (Deformierung, Bewegungseinschränkung, Versteifung). Harnsäureablagerungen in den Nieren (Gichtniere), die den Gelenkerkrankungen häufig lange vorausgehen, rufen Nierenentzündungen, renalen Hochdruck, schließlich Niereninsuffizienz hervor.
 
Ursache der sekundären Gicht sind Erkrankungen, die zu einem vermehrten Zelluntergang führen, v. a. Krebs der Blut bildenden Organe (Leukämie, Polyzythämie), und Ausscheidungsminderungen durch Nierenfunktionsstörungen (z. B. bei Schrumpfniere).
 
Der Behandlung dienen im akuten Anfall v. a. Colchicin (Phagozytosehemmstoff), entzündungshemmende Mittel (Indometazin, auch Corticosteroide) sowie eine Ruhigstellung der befallenen Gelenke und Anwendung kühlender feuchter Umschläge; allgemein wird eine Normalisierung des Harnsäurespiegels durch Allopurinol (Senkung der Harnsäurebildung) und Urikosurika (Steigerung der Harnsäureausscheidung) sowie durch Einschränkung der Purinzufuhr (fleischarme Ernährung, Verzicht auf Innereien) und des Alkoholkonsums angestrebt.
 
Literatur:
 
D. P. Mertz: Hyperurikämie u. G. (61993);
 
Diät bei G. u. Harnsäuresteinen, bearb. v. N. Zöllner (Neuausg. 1994).
 
 2) Veterinärmedizin: Bei Tieren ist Gicht außer bei Vögeln eine sehr seltene Erkrankung. Beim Geflügel kommt Gicht mit Ablagerungen harnsaurer Salze in den inneren Organen (Eingeweidegicht) oder in den Gelenken vor. Als Ursachen gelten v. a. übermäßige Eiweißfütterung und ungenügende Ausscheidung der anfallenden Harnsäure infolge primärer Nierenschädigungen in Verbindung mit Faktoren wie Vitamin-A-Mangel, zu hohem Kochsalzgehalt des Futters, Konstitutionsschwäche, Mangel an Bewegung. Behandlung: Einschränkung der Eiweißfütterung und der Kochsalzgaben, Grünfütterung, ausreichende Bewegung und Wasserversorgung; Gaben von Natriumbicarbonat und Zucker.
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
 
Eiweißstoffwechsel und Gicht
 
II
Gicht,
 
Hüttentechnik: 1) der obere Abschluss eines Hochofens einschließlich Beschickungsöffnung und Arbeitsplattform (Gichtbühne); 2) die nach Masse und Zusammensetzung festgelegte Beschickungsmenge von Möller und Koks, die bei intermittierender Beschickung (Begichtung) aufgegeben wird.
 

* * *

1Gịcht, die; -, -en [H. u.] (Hüttenw.): 1. a) Öffnung für die Beschickung des Hochofens; b) oberhalb der Öffnung für die Beschickung befindlicher Oberteil eines Hochofens. 2. Menge des Gutes (z. B. Koks), mit dem der Hochofen beschickt wird.
————————
2Gịcht, die; - [mhd. giht, ahd. firgiht(e), gigiht(e), identisch mit mhd. giht, ahd. jiht = Aussage, Geständnis, Bekenntnis, zu ahd. jehan = sagen, bekennen (↑Beichte), also eigtl. = Zauberspruch, Beschwörung, nach der im alten Volksglauben vorherrschenden Vorstellung, dass Krankheiten durch Besprechen od. Beschreien angezaubert werden können]: a) durch eine Störung des Stoffwechsels verursachte Krankheit, die sich bes. in schmerzhaften Entzündungen von Gelenken äußert: während ich ... die steifen Finger krümmte und wieder streckte, im Kampf mit der heimlich wühlenden G. (Hesse, Steppenwolf 71); ∙ b) <Pl. -e u. -er> Krampf (1), Zuckung: Ich weiß eine Zeit, wo du beim Anblick einer Krone -er bekommen hättest (Schiller, Fiesco I, 7).

Universal-Lexikon. 2012.