Mẹndelssohn,
1) Arnold Ludwig, Komponist, * Ratibor 26. 12. 1855, ✝ Darmstadt 19. 2. 1933; Großneffe von F. Mendelssohn Bartholdy; wurde 1880 Organist in Bonn, 1882 Musikdirektor in Bielefeld, 1891 Gymnasialmusiklehrer und Kirchenmusikmeister in Darmstadt und unterrichtete ab 1912 am Dr. Hoch'schen Konservatorium in Frankfurt am Main (u. a. Lehrer P. Hindemiths). Mendelssohn schrieb Opern (u. a. »Der Bärenhäuter«, 1900), Orchester-, Kammer- und Klaviermusik sowie Chorwerke und Lieder. Mit seinen geistlichen Werken unter Bevorzugung eines herben polyphonen Satzes leitete er eine Reform der evangelischen Kirchenmusik in Deutschland ein.
E. Weber-Ansat: A. M., 1855-1933, u. seine Verdienste um die ev. Kirchenmusik (1981);
J. Böhme: A. M. u. seine Klavier- u. Kammermusik (1987).
2) Dorothea, Schriftstellerin, Schlegel, Dorothea.
3) Fanny Caecilie, eigentlich F. C. Mendelssohn Barthọldy, verheiratet Hẹnsel, Pianistin und Komponistin, * Hamburg 14. 11. 1805, ✝ Berlin 14. 5. 1847, Enkelin von 4), Schwester von F. Mendelssohn Bartholdy; ihre besondere pianistische Begabung trat früh hervor; erhielt Musikunterricht zusammen mit ihrem Bruder, dem sie zeitlebens persönlich wie als musikalische Beraterin eng verbunden war. 1829 heiratete sie den Maler W. Hensel; lebte 1839-41 in Rom, wo sie C. Gounod kennen lernte, danach in Berlin. Sie komponierte Klavierwerke, Kammermusik und v. a. Lieder (einige unter dem Namen ihres Bruders veröffentlicht), Orchesterouvertüre C-Dur (1830) und Chorwerke (u. a. Oratorium, 1831).
P.-A. Koch: Fanny Hensel geb. M. 1805-1847. Kompositionen. Eine Zusammenstellung der Werke, Literatur u. Schallplatten (1993).
4) Moses, Philosoph, * Dessau 17. 8. 1729, ✝ Berlin 4. 1. 1786, Großvater von 3) und F. Mendelssohn Bartholdy; Vorkämpfer für die politische und soziale Gleichstellung der Juden mit den Christen; rabbinische Ausbildung, u. a. bei dem Dessauer Rabbiner David Fränkel (* 1707, ✝ 1762); kam 1742 nach Berlin; dort autodidaktische Sprachen- und Philosophiestudium; wurde ebenda 1750 Hauslehrer, dann Buchhalter. G. E. Lessing, mit dem er seit 1754 befreundet war (und den er zum »Nathan« anregte), ermutigte ihn zu schriftstellerischer Tätigkeit auf dem Gebiet der Philosophie. 1771 Wahl in die Berliner Akademie (wurde von Friedrich II. wegen Mendelssohns jüdischer Abstammung nicht bestätigt).
Mendelssohn war der bedeutendste der Popularphilosophen aus der Schule C. Wolffs. Gedanken von G. W. Leibniz, B. Spinoza, A. A. C. Shaftesbury und I. Kant haben seine Schriften angeregt, in denen er vornehmlich für die Verbreitung der Toleranzforderung eintrat und Fragen der Metaphysik und Ästhetik behandelte. - Seine »Abhandlung über die Evidenz in metaphysischen Wissenschaften« (1764) wurde von der Berliner Akademie preisgekrönt. In »Phädon, oder über die Unsterblichkeit der Seele« (1767) fügte Mendelssohn den Argumenten Platons und G. W. Leibniz' für die Unsterblichkeit der Seele einen eigenen moraltheologischen Beweis hinzu. In »Morgenstunden, oder Vorlesungen über das Dasein Gottes« (1785) entwickelte er einen ontologischen Gottesbeweis. Seine Ästhetik stützt, Ansätze von A. G. Baumgarten, J. G. Sulzer, E. Burke und Shaftesbury aufgreifend, den metaphysischen Begriff der Schönheit auf das psychologische Gefühl des Schönen. - Bekehrungsversuche J. K. Lavaters (1769) veranlassten Mendelssohn, sich für die Verteidigung des Judentums einzusetzen. Seine Übersetzungen des »Pentateuchs« (»Die 5 Bücher Mose«, 5 Teile 1780-83), des Psalters und des »Hohen Liedes« führten die deutsche Sprache in die jüdische Literatur ein und verbreiteten mit ihr unter den Juden zugleich den Gedanken der Aufklärung und der Emanzipation. In der Schrift »Jerusalem, oder über die religiöse Macht und Judenthum« (1783) tritt er für eine Trennung von Staat und Religion ein und sucht die Übereinstimmung des Glaubens und der Vernunfterkenntnis zu erweisen. Den Juden sei nur das Gesetz, nicht eine religiöse Lehre geoffenbart worden. Das Gesetz diene auch zum Schutz der »natürlichen Religion« gegen Entstellung durch eine anthropomorphe Symbolik. So interpretierte Mendelssohn als erster jüdischer Philosoph der Neuzeit die jüdische Religion mit den Begriffen der aufklärerischen Philosophie. - In einer heftigen religionsphilosophischen Kontroverse (Pantheismusstreit) verteidigte Mendelssohn seinen Freund Lessing gegen den Vorwurf des Spinozismus (u. a. »M. Mendelssohn an die Freunde Lessings«, postum 1786), den F. H. Jacobi erhoben hatte.
Ausgabe: Gesammelte Schriften. Jubiläumsausgabe, herausgegeben von I. Elbogen u. a., auf zahlreiche Bände berechnet (Neudruck 1971 folgende).
A. Altmann: M. M., a biographical study (London 1973);
A. Altmann: Die trostvolle Aufklärung. Studien zur Metaphysik u. polit. Theorie M. M.s (1982, tlw. dt., tlw. engl.);
D. Sorkin: M. M. and the religious enlightenment (London 1996).
5) Peter de, Pseudonym Carl Johann Leuchtenberg, Journalist und Schriftsteller, * München 1. 6. 1908, ✝ ebenda 10. 8. 1982; ging 1933 über Paris und Wien nach Großbritannien ins Exil, ab 1941 britischer Staatsbürger; nach 1945 Pressechef bei der britischen Kontrollkommission in Düsseldorf, später Korrespondent des Bayerischen Rundfunks in London. Mendelssohn veröffentlichte neben zeit- und literaturkritischen Essays politisch-dokumentarische Arbeiten und bedeutende biographische Werke (z. B. zu W. Churchill und T. Mann) und Monographien (»S. Fischer und sein Verlag«, 1970), auch zahlreiche Novellen (»Krieg und Liebe der Kinder«, 1930) und Romane in deutscher und englischer Sprache (»Das Haus Cosinsky«, 1934; »Across the dark river«, 1939; »Das Gedächtnis der Zeit«, 1974). Ab 1975 war Mendelssohn Präsident der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung.
Universal-Lexikon. 2012.